Schmiergeld?! Dann mal rasch die Kurve kratzen! - Der REDENSART auf der Spur --- #3

in #deutsch6 years ago

Umgangssprachlich wird der Ausdruck "die Kurve kratzen" benutzt, wenn man weggehen, zügig verschwinden, sich davon machen will oder soll. Die Assoziation mit der Geschwindigkeit von Fahrzeugen, die Kurven schneller hinter sich lassen, wenn sie diese schneiden, ist korrekt, doch hat die Redewendung nichts mit Motorradfahrern zu tun, die dabei gelegentlich mit dem Pedal am Asphalt kratzen.

Ursprünglich nimmt die Redensart Bezug auf mittelalterliche Straßenzustände. Damals waren die engen Gassen in Orten und Städten nicht auf die Breite von Kutschen ausgelegt, so dass diese mit ihren eisernen Radnaben beim Abbiegen häufig an den Hausecken kratzten und sie beschädigten. Zum Schutz ließen die Hausbesitzer nun große Feldsteine oder schmale Steinblöcke an ihren Gebäudeecken und Toreinfahrten ein.
Geht man mit offenen Augen durch Altstädte, sieht man auch heute noch die jahrhundertealten Kratzsteine, die auch Prellstein oder Radabweiser genannt werden. Ab und zu sind sogar tiefe Kerben wahrzunehmen, die auf die Fahrkünste der einstigen Pferdewagenlenker hinweisen.

Besonders bei Gebäuden römischen Ursprungs ist der Radabweiser als Schutzelement bereits architektonisch eingeplant gewesen. Die eingebauten Distanzsäulen, aus härterem Gestein als der Rest des Gebäudes, aus der Zeit der Romanik und Gotik sind überwiegend schlicht, seit der Renaissance ist an städtischen oder herrschaftlichen Bauwerken oft ein verzierter Stil erkennbar.

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Durchaus hat nun das Schmiergeld etwas mit dem bisherigen Kontext zu tun. Damit die Radachsen der alten Kutschen schön geschmeidig blieben, mussten sie regelmäßig geölt werden. So etablierte sich um 1800, zur Zeit der Postkutschen, der sogenannte "Schmiergroschen". Es handelte sich dabei um einen festgelegten Betrag, den jeder Reisende pro Poststation zuzüglich des regulären Fahrpreises als Beteiligung an der Pflege des Fuhrwerkes zahlen musste. So lesen wir in Beethovens Reisetagebuch (1792): "Abendessen 2 Gulden / in Limburg 12 Batzen / Trinkgeld 14 x / Schmiergeld 14 x / Trinkgeld für Postillon 1 Gulden."
Dem Postillon selbst stand maximal ein Trinkgeld zu, er konnte nicht durch Bestechung zu schnellerem Fahren angetrieben werden. Er war schließlich ein Staatsbeamter, der für Bestechlichkeit bestraft worden wäre.

Wer nun meint, Schmiergelder seien also eine offizielle, ganz saubere Sache, eine Hand wasche nunmal die andere und "waschen" ist gleichbedeutend mit "reinigen", wird leider von der Vorgeschichte des Schmiergroschens enttäuscht.
Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache (2002) erläutert den Begriff schmieren folgendermaßen: "Seit dem 14. Jh. auch für ›bestechen‹, von der naheliegenden Vorstellung ›gleitend machen‹ ausgehend."
Eine Verhandlung, die ins Stocken geraten ist, musste also schon sehr früh irgendwie gleitend gemacht werden, damit sie wieder läuft wie geschmiert.

Es ist heiß, lieber Leser, ich krieg' jetzt die Kurve und mach' mich vom Acker. Danke für die Aufmerksamkeit!


Weitere "entzauberte" Redensarten

Und ein paar Wörter auf dem Abstellgleis

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26.07.2018


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Wie gewohnt toller Artikel! Wenn doch nur jeder "Lehrer" in solch kreativer Manier seine (Trichter-) Stunden gestaltet hätte, ich wäre heute wahrscheinlich gebildet. ;-) Danke dir für die vielen Infos und für die sprachliche und optische Gestaltung deines Posts.

Hihi, musstest du mich jetzt, wo ich incognito unterwegs bin, direkt outen?!
Mit Trichterpädagogik kommst du ja eh nicht weiter. Solch "Weisheiten" wie obige ergeben sich im Gespräch. Gern sage ich "Das weiß ich nicht, aber ich schaue gerne für dich nach."
Bitte, bitte, sehr, sehr gern geschehen :-))
LG, Chriddi

Hier bei uns in Griechenland heißt es Fakelaki "Umschlag mit Geld" auch heute noch allerorts vertreten. Bei der Verkehrskontrolle oder einer Steuerprüfung mit dem überreichen eines Fakelaki hat sich dann so manches erledigt :-)

Angeschaut und geupvotet und mit ein paar Cent belohnt. Kurator des German-Steem-Bootcamp
Dem Upvote von uns folgt ein Trail der weitere Upvotes von unseren Unterstützern beinhaltet. Hier kannst du sehen wer diese sind. Auch kannst erfahren wie du uns und somit die deutschsprachige Community unterstützen kannst.

Hihi, also vor dem In-Flagranti-Erwischenlassen immer einen Fakelaki bereit halten. Das ist ja fast 'ne Eselsbrücke, kann ich mir merken ;-)

Danke für die Aufklärung

Lass dich nicht beirren. Nicht @chriddi, ich bin der legitime Nachfolger von Oswald Kolle.
So viel zum Thema Aufklärung.😊

Warum nur belasse er mich nicht für wenigstens 24 Stunden in dem ehrenwerten Glauben, in die Fußstapfen Immanuel Kants getreten zu sein und verballhorne meine wohlmeinende Leserschaft sogleich mit seinem schlüpfrigen Gedankengut, der werte Herr Kolle jun.?

Sehr gern geschehen :-)
Danke für den netten Kommentar.

Super Artikel. Ich konnte etwas lernen und es hat sehr viel Spaß gemacht, diesen Artikel zu lesen. Danke an @leroy.linientreu welcher diesen Blogartikel resteemt hat. Mein Abo hast du.

Vielen Dank, freut mich sehr, dass der Beitrag dir gefällt. Und alles andere natürlich auch 😊

Sehr geehrte Frau Dr. Sommer ( Chefärztin für aufzufüllendes Wissen),

ich bezweifle vorab grundsätzlich alles und insbesondere dies und jenes. Aber das mit der Kurve kratzen, das kann ich so gar nicht glauben. Wer kratzt schon an einer Kurve? Am Hintern (Popo, Gesäß, Arsch), am Kopf oder an der Fußsohle - überall dort wird gekratzt, wo es zuvor gejuckt hat.
So leicht kann Frau (auch akademisch vorbelastet) es sich nicht machen. Natürlich ist auch mir die Legende von dem Schwachkopf überliefert worden, der seinen Kumpel Kumpel wissen ließ: "Was interessiert mich an Kurven? Die werden von mir so lange massiert, bis es nur noch geradeaus geht - du weißt wohin!"
Die Etymologen rätseln bis heute - ob ins Bett oder in den Graben.
Es sollte dringend ein Kongress einberufen werden. Mit möglichst vielen Kurven. Aber bitte nicht kratzen! Nur massieren.

Mit dem Schmiergeld, mit dem kenne ich mich zum Beispiel überhaupt nicht aus. Das gebe ich auch gerne zu. Sollen sie doch lästern, mich verhöhnen oder Fratzen hinter meinem schneiden.
Aber mir fehlt einfach das Geld dazu. Mein Onkel Erwin hat mir nämlich das mit dem Schmiergeld ganz genau erklärt. Der gab mir folgenden Ratschlag mit auf den Weg: "Kleiner, wenn dich mal eine Dame fragt, was du bezahlen willst, sei nicht geizig. Leg lieber noch einen Schein drauf, dann dann läuft es wie geschmiert."
Jetzt weiß ich zwar, was Schmiergeld ist, aber keine fragt mich und mit dem Geld ...
Darüber haben wir ja bereits geredet.

So, Frau Doktor, nur damit Sie Bescheid wissen.
Auch weiterhin stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.

Ihr Abonnent

Quecksilber, Wolfram oder was weiß ich noch wie...

Da ist es ja, mein Lieblingsedelmetall!
Tatsächlich habe ich überlegt, ob ich erst antworte oder erst antworte, denn irgendwie hatte ich es im Blut, dass dies genau dein Thema sein könnte. Aber du weißt ja, wie es ist: Dir schießt etwas in den Kopf und dann muss es "zu Papier".
Insofern hatte ich auch keine Angst vor dem Mann mit dem Rasenmäher, da ich ja weiß, dass du ganz behutsam per Hand mit der Sense arbeitest. Gute Arbeit, wohl wahr!
Über die Massage müssen wir aber nochmal reden, da ich auf Bürstenmassagen stehe. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich in diesem Fall wirklich versehentlich zur Kratzbürste (greifen) würde. Definitiv ohne Geld!
Liebe Grüße aus der Leserbriefabteilung,
in Urlaubsvertretung die Redaktionsleitung

Immer wieder gerne.
Schließlich muss immer einer darauf achten, dass das Leservolk nicht mit Halbwahrheiten gefüttert wird.

Ich liebe die Behandlung mit der Kratzbürste.
... um dann gemeinsam dem Abklingen der Schmerzen beiwohnen zu können.

Ihren Publikationen fehlt übrigens noch das richtige Dach über dem Kopf.
Vergleichbar mit Printmedien wie

  • KultuRRevolution
  • Philokles
  • Zeitschrift für Ideengeschichte

Macht echt was daher und der Chefredakteur kann den Schuldigen immer unter seinen Leibeigenen ausmachen.

Der treue Leserbriefschreiber

Hm, ich weiß nicht.
Reicht nicht erstmal eine Philumne in einem der bekannten Häuser?

Nix da, ich, als schmarotzender Mitleser und Experte für Haare in der Suppe, brauche immer Name, Adresse und Stammbaum.
Denn nächste Woche , wer weiß, kann ich schon dem Gefühl begegnen breitseits beleidigt worden zu sein. Und juristische Schlammschlachten auf der Grundlage des Presserechts sind mir noch lieber als Omas Kartoffelklöße mit Rotkraut.

Der Nörgler auf der Lauer

Schöner Artikel, welcher mir endlich erklärt, was es mit diesen Ecksteinen an alten Häusern auf sich hat. Die Erklärung hat es in sich, fahrende Raudis hat es also auch schon zu Kutschen-Zeiten gegeben.
Danke dafür!
Schönes Wochenende wünsche ich Dir und Deinen Lieben. :)

Alles Rocker... ;-)
Vielen Dank für diese schöne Rückmeldung, freut mich sehr.
Auch dir ein schönes, temperaturerträgliches Wochenende!

Schmiergeld?! Haha - Na da mache ich dir aber einen fetten Artikel drauss. Der Korruptionspunkt war ja schon von Wolfram angestoßen. Jetzt habe ich noch eine Steilvorlage.

Eigenerfahrungen sind soooo wertvoll :)

Korruption?! Wer spricht denn von sowas?!
Wolframs Vorlage scheint mir irgendwie in andere Richtung steil ;-)
Ah, fein, ich freue mich auf einen südamerikanischen Thriller!

@chriddi absolut genial, dass du dich der Redensarten und der vergessenen (bzw. der gestrichenen) Worte annimmst! Bitte diese Serie unbedingt fortsetzen!

Danke für diese tolle Rückmeldung!
Ich werde bestimmt am Ball bleiben, wenn mir was nettes in den Kopf schießt.

Guten Tag,

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Danke 😎

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