Das Märchen vom Fachkräftemangel: Zuwanderung bremst den Fortschritt aus - Deutsche Wirtschaft zwischen Utopie und Neokolonialismus (Teil 2)
Hinsichtlich der demografischen Effekte, die sich ebenfalls unmittelbar in das künftig zur Verfügung stehende Arbeitskräftepotential niederschlagen, könnte sich der Massenzustrom von Asylbewerbern seit 2015 langfristig sogar als Nachteil erweisen. Bevölkerungsforscher Eckart Bomsdorf warnte schon 2015 ("Zeit Online") vor zu großen Erwartungen. Die demografischen Probleme könnten sogar noch verstärkt werden, wenn die Einwanderer etwa ab 2060 geballt in Rente gingen. Bis dahin müsse eine ausreichend hohe Geburtenrate erreicht sein. Sonst bliebe es nur bei einem vorübergehenden Effekt für die nächsten 20-30 Jahre, sofern man von einem Abebben des Zustroms ausgehe.
Wenn aber nun der überwiegende Teil bestenfalls eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor finden wird und damit dauerhaft auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen bleibt, wird wohl selbst diese Rechnung nicht aufgehen. Deshalb fordert mittlweile - so "FAZ" - auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Er will also qualifizierte Personen im Ausland gezielt anwerben.
Doch gerade hochqualifizierte Bewerber mit langjähriger Berufserfahrung - so schreibt selbst die "Wirtschaftswoche" - müssen trotz angeblichem "Fachkräftemangel" immer wieder die Erfahrung machen, daß sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt niemand haben will. Sie sind schlicht überqualifiziert, weil mittlerweile kaum mehr Unternehmen bereit sind, ihnen angemessene Gehälter zu zahlen. Umgekehrt wird ein Unternehmen seine Stellen nicht besetzen können, wenn potentiellen Bewerbern anderswo - und zwar immer häufiger im Ausland - deutlich bessere Einkommens-, Arbeits- und Lebensverhältnisse geboten werden. Es ist zu erwarten, daß gerade für Familien auch Aspekte der inneren Sicherheit sowie der Qualität des Bildungssystems in Zukunft einen nicht unerheblichen Einfluß aus die Wahl ihres Lebensmittelpunktes haben werden.
Bei der künftigen Entwicklung des Arbeitsmarktes wird außerdem die fortschreitende Digitalisierung von zentraler Bedeutung sein. Wie bei "Zeit Online" zu lesen ist, werden allein in den nächsten 10 bis 20 Jahren zwölf Prozent der Arbeitskräfte wegfallen. Horrorszenatien gehen sogar von einem vielfachen dieser Zahlen aus. Allerdings gebe es kaum Berufe, in denen Menschen vollkommen ersetzt werden könnten. Hochgerechnet würden bei einer jährlichen Effizienzsteigerung von etwa 0,75 Prozent im Jahre 2060 34 Millionen Erwerbspersonen benötigt. Selbst sei unter diesen Prämissen sei aber immer noch eine Zuwanderung von 100.000 Personen im Jahr notwendig.
Im selben Beitrag wird aber auch darauf verwiesen, daß der Mangel an Fachkräften nach den Gesetzen des Markes im ersten Schritt zu höheren Löhnen und im zweiten Schritt zu einem verstärkten Einsatz von Robotern führe. D.h. also, daß ein Mangel an Arbeitskräften den technischen Fortschritt unterm Strich sogar stärker vorantreibt, als ein Überschuß. Denn wenn billige Arbeiter vorhanden sind, muß die dann oft teurere Technik weder entwickelt noch eingesetzt werden. Somit werde durch die Zuwanderung der Produktivitätsfortschritt sogar verlangsamt! Es gilt immer noch, daß gerade ein hoher Grad an Technisierung gleichbedeutend mit einer hohen Arbeitsproduktivität ist. Es sei "klüger", neue Fachkräfte nicht durch Zuwanderung, sondern durch Förderung der bereits vorhandenen Arbeitspotentiale vor allem der 30 bis 70jährigen mit Hilfe besserer Ausbildung und kontinuierlicher Weiterbildung zu gewinnen.
Zuletzt gilt es noch einen weiteren, sehr entscheidenden Aspekt zu erörtern. Sind die anzuerbenden Fachkräfte in ihren Herkunftsländern etwa überflüssig? Welche Folgen hat ein Abwerben der gut Ausgebildeten für die Entwicklung dieser Ländern?
Es gab Zeiten, da brachen die Industrienationen in armen und wenig entwickelte Gebiete der Welt ein, um sich vor allen den Zugang zu billigen Rohstoffen zu sichern. Dadurch wurden natürliche Wirtschaftsbeziehungen zerstört, die autonome Entwicklung dieser Gebiete nachhaltig ausgebremst. Das dunkelste Kapitel des Kolonialismus ist sicherlich die Verschleppung tausender afrikanischer Sklaven nach Übersee. (Die nebenbei bemerkt tatkräftig durch ihre Landsleute versklavt und verkauft wurden.) Über die Folgen, die dieses Ereignis für die weitere Entwicklung Afrikas hatte, erlaube ich mir an dieser Stelle kein Urteil.
Was jetzt propagiert wird, ist so etwas wie ein Kolonialismus der neuen Art. Jetzt werden gut ausgebildete Menschen mit der Verheißung auf ein besseres, leichteres Leben in Wohlstand - wenn nicht gar Luxus - aus ärmeren, weniger entwickelten Ländern weggelockt. In einem Interview mit der "NZZ" hält deshalb der britische Ökonom Paul Collier die europäische Migrationspolitik für verantwortungslos. Europa habe kein Recht, die klügsten Köpfe aus Ländern wie etwa Ghana nach Europa zu locken, weil diese vor Ort gebraucht würden und niemand das Recht auf ein besseres Leben im Ausland habe. Es sei fatal, wenn die junge Generation inzwischen ihre Hoffnung nicht mehr auf die Entwicklung des eigenen Landes, sondern allein auf die Auswanderung lege. Es sei unverantwortlich, daß mittlerweile vierzig Prozent aller syrischen Universitätsabsolventen in Deutschland seien. Gegenwärtig arbeiteten in London mehr sudanesische Ärzte als im Sudan selbst.
Collier macht deutlich, daß die Hypermoral der "Willkommenskultur" in Wahrheit zutiefst unmoralisch und unethisch ist. Afrika brauche kein Recht auf Konsum, sondern eines auf Entwicklung aus eigener Kraft. Nicht europäische Almosen, sondern die Investitionen europäischer Unternehmen.
"Manche hegen den Irrglauben, eine grossartige, moralisch edle Tat zu vollbringen, wenn sie begabte junge Menschen mit den Worten ‚Willkommen in Europa’ von ihren wahren Verpflichtungen und Möglichkeiten in Afrika weglocken, damit sie dann frustriert auf den Strassen Roms leben, was viel eher der Realität entspricht. Afrika muss Millionen von Arbeitsplätzen schaffen. Stattdessen verführen wir Afrikaner und Afrikanerinnen zu Tausenden dazu, in Boote zu steigen. Das ist überaus verantwortungslos und unethisch, denn wenn die Menschen aus Afrika erst nach Europa gekommen sind, erkennen sie die Wahrheit, stecken aber in der Falle, weil die Rückkehr eine Blossstellung vor ihren Freunden wäre."
Da die Ärmsten der Armen - die auch weiterhin tagtäglich an Hunger und Krankheit leiden und auch sterben - aber in ihren Ländern verharren müssen, weil sie für die teure Reise nach Europa zu arm und oft auch zu schwach sind, verschiebt sich bei gleichzeitigem Exodus der Leistungsfähigen das soziale Gefüge der Herkunftsländer gewiss nicht zu deren Vorteil. Wenn es also nach dem Selbstverständnis der herrschenden politischen Eliten unseres Landes dabei bleiben sollte, potentielle Asylmigranten in erster Linie als Vergrößerung der Konsumentenzahl zu betrachten, an denen sich eine ganze "Asylindustrie" eine goldene Nase verdient, so entlarvt sich all das Gerede von Weltoffenheit und Solidarität als, was es ist: Scheinheiliges Gefasel und falsche Versprechungen zu Lasten der Ärmsten dieser Welt.
Veröffentlicht bei: https://olet-lucernam.de/2018/08/21/das-maerchen-vom-fachkraeftemangel-zuwanderung-bremst-den-fortschritt-aus-teil-2/
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