Die Waffe im Raum

in #deutsch7 years ago

(Original Englisch von Stefan Molyneux)

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Es ist ein ermüdender, aber nichtsdestotrotz wesentlicher Schritt, Menschen immer wieder daran zu erinnern, dass der Staat [A.d.Ü.: jene Menschen] nichts anderes ist [sind] als eine Behörde für Gewalt. Wenn jemand spricht über "den Wohlfahrtsstaat zur Hilfe der Armen", müssen wir auf die Waffe im Raum hinweisen. Wenn sich jemand gegen die Entkriminalisierung von Marihuana einsetzt, müssen wir auf die Waffe im Raum hinweisen. Wenn jemand die Senkung von Steuern befürwortet, müssen wir auf die Waffe im Raum hinweilen – auch wenn damit eine Kugeln herausgenommen wurde.

Derart viel politische Sprache ist dazu bestimmt, die einfache Realität staatlicher Gewalttätigkeit zu verschleiern, dass Libertarismus sich manchmal anhören dürfte wie eine kaputte Schallplatte. Wir müssen, wie dem auch sei, unaufhörlich die Euphemismen abschälen, um die sozial sanktionierte Brutalität zu enthüllen, die an der Wurzel einiger unserer zutiefst eingebetteten sozialen Einrichtungen [A.d.Ü.: Gedanken] verborgen ist.

Ich war vor kurzem mit einer Frau in eine Debatte verstrickt, bei der es um öffentliche Schulen ging. Wie selbstverständlich nannte sie einen Grund nach dem anderen, warum öffentliche Schulen von Vorteil sind, wie wunderbar sie für benachteiligte Kinder sind, wie wichtig sie für soziale Stabilität seien usw. usf. Jeder dieser Punkte – und viele mehr – hätte Stunde um Stunde des hin und her verschlingen können, und hätte umfangreiche Forschung und komplizierte philosophische Argumentation erfordern müssen. Aber es gab wirklich keine Notwendigkeit dafür – denn alles, was ich tun musste, war immer wieder zu sagen:

"Die Frage ist nicht, ob öffentliche Schulen gut oder schlecht sind, sondern sie ist vielmehr, ob mir gestattet ist anderer Meinung zu sein, ohne beschossen zu werden."

Die meisten politischen Debatten sind tatsächlich derart schlicht. Die Menschen verfallen nicht in hitzige Debatten darüber welches Restaurant das beste ist, weil der Staat [A.d.Ü.: jene Mitmenschen] nicht allen ein bestimmtes Restaurant vorschreibt – und auf diejenigen schießt die versuchen, ein konkurrierendes Restaurant zu eröffnen. Die Wahrheit ist, dass mir die Meinung dieser Frau zu Erziehung vollkommen egal sein könnte – so wie ihr meine Meinung zu Erziehung vollkommen egal sein könnte – aber wir gezwungen sind zu debattieren, weil wir nicht berechtigt sind, gegensätzliche Auffassungen zu haben, ohne dass einer von uns beschossen wird. Das war das Wesen unserer Debatte, und solange dies unberücksichtigt blieb, konnten wir damit keinen Blumentopf gewinnen.

Hier ist ein weiteres Beispiel. Ein Zuhörer meiner Sendung 'Freedomain Radio' schrieb im Nachrichten-Forum folgenden Kommentar:

Wenn Sie sagen "Regierung A funktioniert nicht", ist was Sie wirklich sagen, dass die Art wie sich Individuen in jener Gesellschaft verhalten, in gewisser Weise mangelhaft ist. Es gibt viele Themenstränge in diesem Forum, bei denen es um die tatsächliche Debatte geht. Die Gegenargumente dieses Themenstrangs konzentrieren sich alle auf staatliche kontra marktwirtschaftliche Gesellschaftsformen. Die Regeln der Definition eines freien Marktes basieren alle in einer bestimmten Ebene auf Interaktionen, genau wie auch bei staatlichen Formen. Behaupten Sie nicht, dass eine Regierung Andere durch Waffengewalt zwingt, wenn es in Wirklichkeit einzelne Menschen mit Waffen sind, sondern zeigen Sie stattdessen, wie auf die andere Art und Weise weniger Waffen eingesetzt werden, um Andere zu zwingen, oder wie diese Waffen Andere in förderlicherer Art und Weise zwingen könnten.

Ich antwortete auf diese Weise:

Aber – und es tut mir leid, wenn ich Sie missverstehe – staatliches Handeln ist Gewalt, und darum bin ich nicht sicher, wie ich Ihren Absatz interpretieren soll. Lassen Sie mich eine andere Verwendung von Gewalt einsetzen, um meine Verwirrung zu zeigen:

Wenn Sie sagen Vergewaltigung funktioniert nicht, ist was Sie wirklich sagen, dass die Art wie sich Individuen in jener Gesellschaft verhalten, in gewisser Weise mangelhaft ist. Es gibt viele Themenstränge in diesem Forum, bei denen es um die tatsächliche Debatte geht. Die Gegenargumente dieses Themenstrangs konzentrieren sich alle auf Vergewaltigung kontra Partnersuche. Die Regeln der Definition von Partnersuche basieren alle in einer bestimmten Ebene auf Interaktionen, genau wie auch bei Vergewaltigung. Behaupten Sie nicht, dass eine Gruppe von Vergewaltigern Andere durch Waffengewalt zwingt, wenn es in Wirklichkeit einzelne Vergewaltiger sind, sondern zeigen Sie stattdessen, wie es auf die andere Art und Weise weniger Vergewaltiger gäbe die Andere zwingen, oder wie diese Vergewaltiger Andere in förderlicherer Art und Weise zwingen könnten.

Erkennen Sie meine Verwirrung?

Vielen Dank!

Es ist ein sehr hilfreiches Anzeichen für die Zukunft der Gesellschaft, dass diese Euphemismen existieren – in der Tat, ich würde nicht an die moralische Überlegenheit einer staatenlosen [A.d.Ü. übergriffsfreien] Gesellschaft glauben, wenn es diese Euphemismen nicht gäbe! Wenn die Leute, jedes Mal, wenn ich darauf hingewiesen habe, dass ihre politischen Positionen es alle erfordern, dass ich beschossen oder verhaftet werde, sie nur knurren würden: "Sicher, damit habe ich kein Problem – in der Tat, wenn Sie weiterhin nicht meiner Meinung sind, werde ich selbst auf Sie schießen!" – dann würde ich es sehr schwer haben, für eine staatenlose [übergriffsfreie] Gesellschaft einzutreten!

Doch in mehr als 20 Jahren des Diskutierens dieser Frage habe ich noch keine einzige Seele getroffen, die mich entweder selbst beschießen wollte oder jemand anderes mich beschießen lassen wollte. Diese Tatsache tröstet mich sehr, weil es genau erklärt, warum diese Euphemismen so wesentlich zur Erhaltung und Steigerung der Staatsmacht [A.d.Ü. von blindem, unbewusstem Gehorsam] sind.

Der Grund, dass unaufhörlich Euphemismen verwendet werden, um "die Waffe im Raum" zu verschleiern, ist die schlichte Tatsache, dass Menschen Gewalttätigkeit [A.d.Ü. Übergriffe] nicht mögen. Die meisten Leute werden fast alles tun, um eine gewalttätige [übergriffige] Situation zu vermeiden. Selbst die blutrünstigsten Unterstützer der Irak-Invasion hätten es schwer gehabt die These zu rechtfertigen, dass jeder, der gegen die Invasion war, beschossen werden solle – weil es dabei gerade um dieses Grundrecht ging, überhaupt erst in den Irak einzudringen! Aber wie kann ich das Recht haben, mich der Invasion des Irak zu widersetzen, wenn ich gezwungen bin, sie mittels Besteuerung zu bezahlen? Das ist doch ein lächerlicher Widerspruch, ganz genau wie zu behaupten, dass ein Mensch ein Recht auf freie Meinungsäußerung hat, und gleichzeitig, dass er für das Aussprechen seiner Gedanken verhaftet werden sollte. Wenn ich das Recht habe mich der Invasion zu widersetzen, kann ich doch nicht gleichzeitig gezwungen werden, sie zu finanzieren. Wenn ich gezwungen bin, sie zu finanzieren, dann ist jedes Recht, das ich habe um zu "widersprechen" reine Einbildung.

Im Grunde reduzieren sich dann alle libertären Argumente auf eine einzige, schlichte Aussage:

"Leg die Waffe nieder, dann reden wir."

Dies ist der Kern der Moral von beidem: Libertarismus und Zivilisation. Zivilisierte Menschen schießen nicht aufeinander, wenn sie unterschiedlicher Meinung sind – anständige Leute schwenken nicht mit Waffen in des Anderen Gesicht und fordern Unterwerfung oder Blut. Politische Führunspersönlichkeiten wissen das sehr genau – ich würde sagen, besser als viele Verfechter des freien Willens es tun – und verschleiern somit unaufhörlich die Gewalt ihrer Handlungen und Gesetze mit Schönfärberei und euphemistischen Ausflüchten. Soldaten werden nicht ermordet, sie "fallen". Der Irak wurde nicht besetzt, sondern "befreit". Politiker sind nicht unsere politischen Gebieter, sie sind "Diener des Volkes", und so weiter und so fort.

Obwohl das Prinzip der Willensfreiheit allgemein als eine radikale Lehre verstanden wird, ist die primäre Aufgabe des Verfechters des freien Willens unaufhörlich die grundlegende Realität zu bekräftigen, dass fast jeder bereits ein Verfechter des freien Willens ist. Wenn wir schlicht dabei bleiben, die Leute zu fragen, ob sie bereit sind, auf andere zu schießen, um ihr Ziel zu erreichen, können wir Sie sehr schnell davon überzeugen, dass das Prinzip des freien Willens nicht eine abstrakte, radikale oder zerfranste Philosophie ist, sondern eine einfache Beschreibung der Grundsätze, nach denen sie ihr Leben bereits leben. Wenn Sie gefeuert werden, denken Sie, dass Sie Ihren Vorgesetzten als Geisel halten sollten, bis er Ihnen den Job zurück gibt? Nein? Dann haben Sie bereits eine Haltung der Willensfreiheit bezüglich Gewerkschaften, Tarifen und Subventionen für Konzerne. Wenn Sie Ihren Sohn im Teenageralter in Ihrem Keller beim Rauchen von Marihuana erwischen, würden Sie auf ihn schießen? Nein? Dann haben Sie bereits eine Haltung der Willensfreiheit bezüglich Drogen-Gesetzen. Sollten diejenigen, die Krieg aus Gewissensgründen ablehnen, erschossen werden? Nein? Dann haben Sie bereits eine Haltung der Willensfreiheit hinsichtlich staatlicher Besteuerung.

Wie bei wissenschaftlichen Methoden ist die größte Stärke des Prinzip der Willensfreiheit dessen kompromisslose Einfachheit. Die Vollstreckung von Eigentumsrechten führt zu einer ungeheuer komplexen Wirtschaft, doch die guten Sitten bei Eigentumsrechten ist sehr einfach – würden Sie auf einen Menschen schießen, um [seinen Besitz] zu stehlen? Die gleiche Komplexität ergibt sich aus der einfachen und universellen Anwendung des Nicht-Aggressions-Prinzip. Es ist so einfach, sich in betörender Komplexität zu verlieren, und zu verlernen grundlegende Prinzipien zu verkünden.

Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit geheimnisvollen Details. Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit der Geschichte der Zentralbanken und der Wirtschaftlichkeit eines Mindestlohns. Bleiben Sie einfach dabei, auf die Waffe im Raum hinzuweisen, immer und immer wieder, bis die Welt endlich beginnt aufzuwachen und sie mit Entsetzen und Abscheu zu Boden fallen lässt.

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