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RE: Antike Mythen in der bildenden Kunst: #2 Zeus (Jupiter) // Ancient Myths in Fine Arts: #2 Zeus (Jupiter)

in #art5 years ago (edited)

Danke für die ausführliche Übersicht vom Anfang des Olymp, liebe @vieanna. Danke auch für die gewohnt wertungsfreie Darstellung des ausgestellten Materials. Es sei mir hoffentlich gestattet, als Kommentator nunmehr eine Bewertung zu übernehmen, um das Erhabene der dargestellten Kunst als das vorzustellen, was sie tatsächlich ist. Ich bin kein Liebhaber der hohen, klassischen Kunst und spreche ihr nahezu alles ab, was ihr selbst heute noch in maßloser Impertinenz bürgerlicher Deutungshoheit zugesprochen wird.

Die meisten großen Werke der Menschheit sind, neben ihrer zweifellos erhabenen Schönheit und innewohnenden Kunstfertigkeit, zwingend vollkommen nüchtern zu betrachten. Entmystifiziert repräsentiert diese Kunst das, was sie immer gewesen ist: Ein Herrschaftsmittel, bezahlt mit Blut und Schweiß unterdrückter Menschen. Menschen, die bar jeden Wissens von Zusammenhängen in der Natur, ohne TV, Computerspiel und Print darauf angewiesen waren, sich mit Kopfkino die Welt erklären zu lassen.

Konstruiert jemand um mangelhaftes Wissen herum imposante Tempel und spickt sie mit gewaltigen Statuen imaginärer Heroen, lässt es sich für Priester und ihr Gefolge vortrefflich von der Arbeit der Bauern leben. Sogar die Mächtigen, im Stand eigentlich über den Priestern, haben die Priesterkaste gehätschelt. Erstens waren die Herrscher fast genau so unwissend, wie die Bauern und zweitens ist Glauben der ideale Humus für möglichst preiswerte, gewaltarme Unterdrückung.

Der running Gag der Geschichte ist, dass auch nach der römischen und griechischen Hochkultur diese Kopfgeburten überlebt haben und über das Mittelalter hinaus als willkommenes Alibi dienten, die Herrschaft sowohl mit erotischen Darstellungen zu versorgen, als auch weiterhin niederen Ständen die Welt zu erklären.

Schließlich im Klassizismus, getarnt als „Humanismus“, wurde mit dem zweifellos gefälligen Herrschafts-Material die Legitimation dafür geliefert, warum Mächtige gezwungen sind, sich „fürsorglich“ über die niederen Stände zu erheben. Den affigen (nachahmenden) Status, neu belebt im Klassizismus, versuchen „Humanisten“ selbst heute noch in ihrer Blase bürgerlicher Hochkultur aus den bildenden Künsten herzuleiten, scheitern aber zum Glück zunehmend an einer nun doch recht fortgeschrittenen Aufklärung und den Künstlern, die der affigen Fratze fettgefressenen Wohlstandes nunmehr eher den Spiegel vorhalten.

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Vielen Dank lieber @afrog für deinen ausführlichen Kommentar.

Deinen kritischen Blick auf die klassische Kunst sehe ich als Denkanstoß und wertvolle Bereicherung meines bewusst wertneutral gehaltenen Beitrages.

Mir ist bewusst, dass im Namen von Religion und Kunst viel Unrecht geschehen ist und beides dazu missbraucht wurde, das Volk auszubeuten und kleinzuhalten. Ich weiß um die menschenverachtenden Zustände, unter denen viele klassische Kunstwerke entstanden sind. Wie viele Menschen mussten unter diesen Umständen ihr Leben lassen, wie viel antike Raubkunst befindet sich in unseren Museen?

Die meisten großen Werke der Menschheit sind, neben ihrer zweifellos erhabenen Schönheit und innewohnenden Kunstfertigkeit, zwingend vollkommen nüchtern zu betrachten.

Mein Zugang zur Kunst ist unter anderem auch ein ästhetischer. Die Schönheit, Kunstfertigkeit, Kreativität, die Liebe zum Detail, ob in der Baukunst, der Malerei, der Bildhauerei oder im Kunsthandwerk - das ist es, was mich an der klassischen Kunst begeistert.