Die Überwindung des Mythos Autorität
“Unter Tausend, die Äste schneiden, ist einer dabei, der die Wurzeln rupft.” ~Henry David Thoreau
Wenn, wie Albert Einstein schon sagte, "gedankenloser Respekt vor der Autorität der größte Feind der Wahrheit ist", dann ist das ein guter Grund, kritisch gegenüber Autorität zu denken, anstatt blind an eine solche zu glauben. Egal wer oder was diese Autorität sein könnte.
Sei es ein exzentrischer Physiker mit wirrem Haar oder ein autoritärer Präsident, der zwar Respekt fordert, ihn aber nicht zollt. Ob es ein Flach-Erdler ist, der die Grundlagen der Physik anfechtet oder ein überreagierender Polizist, getrieben durch falsche Macht. Glaube an Autorität ist ein riesiger psychischer Aufhänger für unsere Spezies. Es ist eine evolutionäre Behinderung von monumentalem Ausmaß.
So wie wir uns täglich selbst überwinden, so sollten wir auch täglich den Mythos der Autorität überwinden. Sie ist ein Mythos, weil sie vor allem eine Geschichte ist. Es ist eine Geschichte, auf die wir alle reingefallen sind – Haken, Leine und Senkblei. Es ist eine Geschichte, welche die meisten unter uns kulturell bedingt glauben. Es ist eine Geschichte, die die meisten von uns als gegeben hinnehmen, was sie definitiv nicht sollten. Denn letztendlich ist "So sind die Dinge nun mal" eine feige Ausrede.
Eher als Feigheit, eher als willentliche Ignoranz, Selbstgefälligkeit und intellektuelle Faulheit, sollten wir den Mythos von der Autorität herausfordern – auf ganzer Linie. Wir sollten unsere Skepsis rücksichtslos ausleben, wie ein Wissenschaftler in Bezug auf seine eigene Hypothese, oder wie mehrfach-bestätigte Prüfer, welche die Wissenschaft anderer ehrlich halten.
Denn die Kunst des Lebens, vor allem ein ausgekostetes, gut gelebtes Leben, ist wissenschaftlich, logisch und vernünftig. Es trifft das Herz der Orthodoxie, was auch immer das sein mag. Es untergräbt die Kräfte, die sind, wer immer sie sein mögen. Das wird wohl einige blinde Anbeter, kurzsichtige Regeln-Befolger und vorsätzlich ignorante, gesetzestreue Bürger wütend machen. So soll es sein. Hinterfragt ruhig ihren kostbaren Apfelkarren. Besonders, wenn der Apfelkarren veraltet und gewalttätig ist, und auf predigenden Argumentationen und Angst basiert. Wie Oscar Wilde sagte: "Ungehorsam war des Menschens ursprünglichen Tugend."
Autorität überwinden:
“Sobald die Generäle und die Politikos eure Gedanken nachvollziehen können, hört auf zu denken. Belasst den Gedanken als ein Zeichen zur Kennzeichnung der falschen Spur, dem Weg den ihr nicht gegangen seid. Seid wie der Fuchs, der mehr Spuren als notwendig hinterlässt, einige in die falsche Richtung. Übt die Auferstehung aus." ~Wendell Berry
Das Problem mit dem Glauben an Autorität ist, dass sie zu dem [Irr]Gedanken führt, man müsse einer Gruppe von Menschen die Erlaubnis geben, uns zu kontrollieren. Und, wie Lord Byron uns gelehrt hat: Macht, die einer Autorität gegeben wird, neigt dazu, korrupt zu werden.
Das Problem mit Macht ist nicht die dahinter liegende Absicht. Das Problem mit Macht ist, dass sie dazu neigt, den zu verderben, der sie unabhängig seiner Absichten ausübt. Da wir nun alle wissen, dass Macht einen verdirbt - ob man nun gute oder schlechte Absichten hat - und da wir wissen, dass wir dennoch alle nach Macht streben, obliegt es uns, gnadenlos umsichtig zu sein, sowohl mit unserer eigenen Macht als auch gegenüber der Macht anderer.
Es ist also nachvollziehbar, dass wir einer Autorität nicht ignorant Macht geben und ihr blindlings glauben sollten. Stattdessen sollten wir die Autorität in erster Linie hinterfragen, und, wenn überhaupt, erst zweitrangig Vertrauen in sie legen. Der beste Weg unsere Macht anzuwenden, ist, die Autorität schonungslos zu hinterfragen. Es ist ein sozialer Ausgleichs-Mechanismus par excellence. Wie eine kluge, junge Sechstklässlerin einmal gesagt hat: "Hinterfrage Autorität - auch die, die sagt, Autorität zu hinterfragen."
Sonst werden die Menschen kämpfen und morden, und Völkermorde und Ökozide für die so genannte Autorität begehen, an die sie "glauben". Aber sie hätten nicht so brutal und rücksichtslos gekämpft, hätten sie einfach die Macht-Dynamik mehr in Betracht gezogen, sie gewaltfrei herausgefordert und dann ihre Leben weise fortgesetzt.
Der beste Weg eine gesunde Skepsis aufrecht zu erhalten, und sich nicht einer ignoranten, kriechenden, gewalttätigen Unordnung hinzugeben, ist, die Dinge zu betrachten und zu hinterfragen, anstatt blind an sie glauben.
Überwindung von Gruppen-Zugehörigkeit:
"Modern zu sein, heißt, mittels Einfallsreichtum und Erfindungen viele früherer Arbeiten zu erledigen, welche einst traditionell und rituell erfolgten." ~Adam Gopnik
Indem man ein weltlicher Patriot statt eines patriotischen Nationalisten wird, wenden wir das Blatt der Fremdenfeindlichkeit, Gleichgültigkeit und des blinden Nationalismus, und wir werden mitfühlender und einfühlsamer gegenüber anderen Kulturen. Wenn wir die Vielfalt feiern - anstatt zu versuchen den eckigen Klotz der kulturellen Zugehörigkeit in das runde Loch des Kolonialismus zu stopfen - wenden wir das Blatt der ein-dimensionalen moralischen Zugehörigkeit und läuten Joshua Greene's multi-dimensionales Konzept der Metamoralität ein.
Durch die Stärkung der globalen Bürgerschaft, anders als Nationalismus, wenden wir das Blatt einerseits hinsichtlich unseres Reptilien-Gehirns, als auch der Mächte, die sind. Wie Joshua Greene in Moralische Stämme sagt,
“Wir brauchen eine Art des Denkens, die es Gruppen ermöglicht, mit widersprüchlichen Moralvorstellungen zusammen zu Leben und zu gedeihen. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine Meta-Moralität. Wir brauchen ein moralisches System, das Streitigkeiten zwischen Gruppen mit unterschiedlichen moralischen Idealen löst, genauso, wie gewöhnliche Moral "erster Ordnung" Meinungsverschiedenheiten zwischen Individuen mit verschiedenen egoistischen Interessen löst."
Meta-mit-Moral zu gehen, befördert uns in eine Perspektive, das große Ganze zu überschauen. Wir werden aus der Kiste der Gruppen-Zugehörigkeit herauskatapultiert, hinein in ein Reich des höheren Bewusstseins, wo unsere mitgegebene Zugehörigkeit durch eine aktualisierte Logik und Argumentation neutralisiert wird. Wir erhalten die holistische Sicht des "Überschauens" (wie der Überblick-Effekt von Astronauten), wo sich gesellschaftliche Wahnvorstellungen und kulturelle Abstraktionen zu ganzheitlicher Verbundenheit sowie -Abhängigkeit auflösen.
Überwindung magischen Denkens
("magisch" bedeutet hier die Magie der Symbolik, die seit jahrtausenden von den Mächten angewandt wird):
“Jeder Fakt der Wissenschaft wurde einst verdammt. Jede Erfindung wurde als unmöglich angesehen. Jede Entdeckung war ein Nervenschock für einige Othodoxe. Jede künstlerische Innovation wurde als Betrug und Blödsinn denunziert. Das gesamte Netz von Kultur und "Fortschritt", alles auf Erden von Menschen Geschaffene und nicht Natur-Gegebene, ist die konkrete Manifestation der Weigerung Weniger, sich den Autoritäten zu beugen. Wir besäßen nichts mehr, wüssten nichts mehr und wären nicht mehr, als der erste affenartige Mensch - wenn es nicht für das Rebellische, das Widerspenstige und die Kompromisslosigkeit wäre." ~ Robert Anton Wilson
Die Überwindung magischen Denkens ist entscheidend für die gesunde und fortlaufende Evolution unserer Spezies. Gesunde Entwicklung hängt von mutigen Individuen ab, die in der Lage sind, Autoritäten zu hinterfragen. Vor allem Autoritäten, die auf magischem Denken beruhen.
Wenn wir nicht den Mut haben, eine Autorität herauszufordern, die magisch-symbolisches Denken predigt, dann sind wir dazu verurteilt, Opfer ihres magischen Denkens zu sein. Es ist vor allem dieser Grund, dass Autoritäten in Frage gestellt werden sollten.
Sich zu weigern, sich einer Autorität zu beugen, geschieht nicht ohne Folgen. Doch eine Autorität zu verärgern, sollte nicht auf Kosten des Fortschritts vermieden werden. Fortschritt sollte angestrebt werden, auf die Gefahr hin, eine Autorität zu verärgern.
Sonst gäbe es keinen Fortschritt. Wir würden in engstirnigem, magisch-symbolischem Denken stecken bleiben. Wir würden zu einer stagnierenden, oder gar, sich zurück entwickelnden Spezies werden. Um ungesunde Stagnation und entropische Zurück-Entwicklung zu vermeiden, brauchen wir mutige Menschen, die sich weigern, sich den Autoritäten zu beugen und sich stattdessen dafür entscheiden, rücksichtslos Fragen zu stellen und gewaltfrei Autoritäten herauszufordern.
Ohne die Ungehorsamen sind wir verloren. Ohne sie, bleiben nur feige Konformisten übrig - fremdenfeindliche Nationalisten, selbstgefällige Pazifisten, dogmatische Gläubige mit blindem Glauben und tyrannische Machtstrebende, die ihre Macht nutzen, um andere zu kontrollieren. Kurz gesagt: Was übrig bleibt ist magisch-symbilisches Denken, welches über Logik und Argumentation steht.
Also bitte ich euch inständig, wenn Ihr mutige, vernünftige, gesunde, fortschreitende Menschen seid: Fordert die Autoritäten heraus. Strategischer Ungehorsam. Gewaltfreie Revolte. Liebevolles Zermürben. Allmählich die kulturellen Prägungen der anderen neu ausrichten, damit Sie nicht unter ihrer eigenen kognitiven Störung einbrechen. Wagt es, die Augenbinde eurer Brüder und Schwestern zu entfernen, damit sie euch diese Augenbinde nicht unwissentlich wieder aufzwingen.
Über allem steht die Selbst-Überwindung. Ansonsten wird die Macht – entweder deine eigene oder die jemandes anderen – dich überwinden. Sei ebenso umsichtig mit deiner eigenen Macht, wie mit der von anderen.
Autoritäten kommen und gehen. So, wie es sein soll. Deine eigene Autorität wird zu- und abnehmen. So, wie es sein soll. Das Gleichgewicht von Macht innerhalb der menschlichen Umgebung ist entscheidend für die gesunde und fortschreitende Evolution unserer Spezies. Und nichts gleicht Machtverhältnisse besser aus, als der Mut zur Herausforderung von Autoritäten. Der biblische Mut von David verblasst, im Vergleich zu dem Menschen, der tapfer den modernen Goliath eingefahrener Autoritäten herausfordert.
Mehr (englische) Artikel von Gary ‘Z’ McGee.
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