Hyperspektrale Hochgeschwindigkeitsbildgebung und deren praktischen Anwendungen
Da ich kürzlich eine allgemeine, deutschsprachige Einführung zur Infrarotspektroskopie mit euch geteilt habe, bietet sich thematisch ein weiterer Artikel über Spektroskopie und deren praktischen Anwendung an:
Einleitung
Unsere moderne, westliche Gesellschaft hat in vielen Bereichen bereits sehr hohe Standards erarbeitet und im Interesse von uns und unser aller Kinder sollten wir immer danach streben diesen Trend dementsprechend voranzutreiben. Dies betrifft auch unsere Industrie selbst: Sie soll effizient, ökonomisch und ökologisch beziehungsweise nachhaltig sein und dabei die bestmöglichen Arbeitsbedingungen erlauben.
Ein vielversprechender Ansatz, um dieses Ziel zu erreichen, ist die intelligente Nutzung fortschrittlicher Technologien. Bei einer vernünftigen Verwendung, können sie zu allen zuvor genannten Kriterien einen signifikanten, positiven Beitrag leisten. Wie ihr sehen werdet, werde ich in diesem Artikel ein ausgeklügelte, technologische Implementierung als Vorzeigebeispiel besonders hervorheben.
Quelle: pixabay
Kunststoffrecycling
Kunststoffe sind moderne Werkstoffe deren mechanischen, elektronischen, chemischen und optischen Eigenschaften schon bei deren Produktion exakt eingestellt und an die gewünschte Anwendung angepasst werden können. Da sie in der Regel leicht sind, werden Ressourcen effizient genutzt. Da unsere bisherigen Massenkunststoffe jedoch nicht biologisch abbaubar sind, ist unbedingt eine effiziente Abfallwirtschaft notwendig um unserem ökologischen Anspruch Rechnung zu tragen.
Grundsätzlich sind sowohl stoffliches als auch energetisches Recyclen möglich. Beim Ersten wird der Kunststoff als Material wiederverwendet und im zweiten Fall wird er als Energiequelle verwendet. In beiden Fällen ist es jedoch wichtig die genaue Art des Kunststoffes zu kennen. Es muss also bekannt sein, ob es sich bei einem Kunststoffprodukt im Abfalleimer um PE, PP, PET, PVC, PU oder etwas Anderes handelt.
Die Herausforderungen dieser Abfallwirtschaft
Traditionelle Trennverfahren für Kunststoffprodukte basieren auf Unterschieden in einfachen physikalischen Eigenschaften, wie etwa dem spezifischen Gewicht respektive der Dichte. Solche einfachen Methoden reichen jedoch nicht aus, um eine vollständige Trennung zwischen allen Arten an Kunststoffen zu gewährleisten. Tatsächlich ist eine vollständige Sortierung aller Kunststoffabfälle nur möglich, wenn man jedes einzelnes Stück Abfall einer chemisch-physikalischen Analyse unterzieht: eine unfassbare Menge an Arbeit!
Als Vorzeigebeispiel seien die folgenden Kunststoffe erwähnt:
PVC - Polyvinylchlorid: d = 1.10-1.61 g/mL
energetisches Recycling muss den hohen Chlor-Gehalt berücksichtigenPET - Polyethylenterephthalat: d = 1.33-1.37 g/mL
stoffliches Recycling ist technologisch einfach und daher ratsam
Auf Grund der heutzutage enorm niedrigen Preise für frisch hergestellte Kunststoffe, ist es im Sinne der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit notwendig für das stoffliche Recycling ausgesprochen effiziente und kostengünstige Technologien zu verwenden.
Hyperspektrale Bildgebung
Quelle: Wikipedia
Hyperspektral Bildgebung (in Englisch: Hyperspectral Imaging oder kurz: HSI) ist eine komplexe Technik, die multivariable Bilder erzeugt. Dies bedeutet, dass das zweidimensionale Pixel eines normalen Bildes in ein drei-dimensionales Voxel übertragen wird. Heutzutage können viele verschiedene physikalische Mess-größen verwendet werden, um die dritte Dimension in solchen Bildern zu erzeugen. Dazu zählt unter anderem die eingangs erwähnte Infrarotspektroskopie oder aber auch andere spektrale Bereiche des elektromagnetischen Spektrums wie VIS bzw. sichtbares Licht. Eine typische Eigenschaft von hyperspektralen Bildern ist, dass sie viele Wellenlängen abdecken, daher enthält jedes Voxel Daten über ein beinahe kontinuierliches Spektrum.
Mit einer ausgefeilten Methodik und entsprechend guter Kalibrierung können solchen spektralen Datensätze sehr schnell und präzise ausgewertet werden. Aus der enormen Datendichte, die generiert wird, können viele Informationen extrahiert werden. Aufgrund seiner beträchtlichen Stärken wird diese Technik in vielen Bereichen eingesetzt:
Landwirtschaft:
zB. zur Erkennung von Rebsorten oder KrankheitsausbrüchenAugengesundheit:
Früherkennung von Retinopathie und anderen KrankheitenLebensmittelindustrie:
Identifikation von Mängeln oder FremdmaterialMineralogie:
Schnelle Kartierung von Mineralien und geologischen Probenund für vieles mehr, wie etwa auch zur
automatisierten Kunststoffidentifikation und Sortierung!
Die technologische Anwendung
Im nächsten Absatz wird erklärt wie die gerade präsentierte Technologie tatsächlich angewandt wird und dabei einen wichtigen ökonomischen und ökologischen Beitrag leistet. Abgesehen von der zugrunde liegenden, komplexen Auswertemethodik ist die HSI Technik zur Trennung von Kunststoffen relativ einfach zu verstehen. Moderne Kunststoffsortier-einrichtungen bestehen aus zwei grundsätzlichen Komponenten:
- Ein HSI-Sensorsystem zur Identifizierung des Kunststofftyps.
- Eine hochpräzise Luftdrucksortiereinrichtung.
Die Erkennung des genauen Kunststofftyps basiert auf den im HSI-Daten-Würfel enthaltenen NIR-Spektralkomponenten (Nahes Infrarot). Die nächsten Abbildungen zeigen charakteristische NIR-Spektren von verschiedenen PET- und PVC-Proben.
V...frisch - F...Flakes - P...Pieces / ganze Stücke - R...regenerierte Flakes
Daten stammen aus Ref. [1]
PVC NIR Spektren:
V...frisch - F...Flakes - P...Pieces / ganze Stücke - R...regenerierte Flakes
Daten stamen aus Ref. [1]
Jedoch muss nicht nur nach der Art des Kunststoffes sondern auch nach anderen Zusatzstoffen getrennt werden. Andernfalls würden etwa Farbstoffe in rezyklierten PET-Produkten zu unerwünschten Verfärbungen führen. Um dies bei der Sortierung zu berücksichtigen, werden die spektralen VIS-Daten – die des sichtbaren Lichtes – herangezogen.
Zusammenfassend kann der gesamte Prozess wie folgt dargestellt werden:
Grafik selbst gemacht
Moderne Versionen dieser Maschinen ermöglichen erstaunliche Förder- und Sortiergeschwindigkeiten, die bis zu 40 Mal höher sind als bei denen der Vorgängertechniken. Darüber hinaus werden fortschrittliche Lern-software, ausgeklügelte Identifikationsalgorithmen sowie hochpräzise Luftdruckdüsen eingesetzt, um Klassifikationsergebnisse von über 90 % zu erreichen.
Wenn ihr einen Eindruck davon haben wollt, wie das während des Betriebes eines kompletten Kunststoffsortiersystems tatsächlich abläuft, dann solltet ihr dieses veranschaulichende und beeindruckende Video nicht verpassen:
Zusammenfassung
PET als leicht rezyklierbarer Kunststoff zeigt schon seit längerem ein kontinuierliches Wachstum in seiner Recyclingrate innerhalb von Europa. Im Jahr 2016 lag diese bereits bei knapp unter 60 %! Aber auch das Recycling anderer Kunststoffe wird durch diese Technologie wesentlich erleichtert.
Mit der hier vorgestellten Technik hat das angemessene Abfallmanagement von Kunststoffen im Allgemeinen eine wesentlich geringere wirtschaftliche Hürde zu nehmen als wie bei altmodischen, zeitintensiven Prozessen. Dies verlagert die nächstwichtige Kernaufgabe hin zu einer effizienten und konsequenten Entsorgung und Sammelung von Abfall und damit hin zu einer die gesamte Gesellschaft involvierenden Herausforderung.
Weitere Videos könnt ihr hier finden:
- REDWAVE plastic sorting plant in Österreich
- MSS CIRRUS Optical Sorter für HDPE und PET
mountain.phil28
Referenzen:
- M. Moroni, et. al. Sensors 2015, 15, pp. 2205-2227
- H. F. Grahn, P. Geladi (2007) Techniques and Applications of Hyperspectral Image Analysis. John Wiley & Sons, Ltd.
- PVC-Recycling-Technologien, vinylPLUS
- R. Humphreys (2017) More About Waste Plastic Sorting Technologies. Polymer Innovation Blog
Hab den englischen Artikel damals schon super gefunden, und das bleibt beim deutschen natürlich auch so. ;-)
Danke vielmals, ist echt eine sehr interessante Technologie!
Freut mich sehr!
Btw: neue Themen sind schon in der phil'schen Texteklöppelei. 😊
LG,
mountain.phil28
Sehr interessanter Artikel! Recyceln ist super wichtig, aber grundsätzlich sollte man auch darauf bedacht sein möglichst wenige nicht erneuerbare Stoffe zu benutzen. Ein gutes Beispiel finde ich ist das Edeka die Bio Gurken in Plastik einwickelt, das ist nicht nötig und eine ökologische Katastrophe :(
Da hast du Recht. :)
Wie genial. Ich kannte die Anwenndung in der Mineralogie, aber hatte keine Ahnung wei weitreichend solche Technologien genutzt werden.
Die VIS Sensoren werden dann, basierend auf deinem Sketch, einfach direct nach dem HSI Sensor aufgebaut? Oder sind das zwei seperate Sortierungsprozesse?
Gibt es Abschaetzungen wie haeufig der automatisierte Prozess etwas uebersieht?
Der Sketch dient nur zur Illustration, dass nach zwei (oder mehr) Kriterien getrennt werden kann. Es ist im Grunde nur ein HSI Sensor, der das ganze Spektrum aufnimmt. Je nach Trennkriterium werden dann ausgewählte (kombinierte) Bereiche daraus ausgewertet.
Wie gesagt, für heterogene Abfälle, findet man Angaben/Garantien von 90%. Bei standardisierten Prozessen mit zu trennenden Teilchen ausgewählter Form und Größe (mehr aus der Entwicklung als aus der großtechnischen Anwendung kommend), werden Ergebnisse bis zu >99% erreicht.
Habe das doch glatt ueberlesen, und es ist sogar fett -.-
Vielen Dank fuer die Wiederholung.
Kein Problem. Immer gerne! :)
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