Ich nehme dieses wunderbare Thunfischcarpaccio - (es sind ja bloss 100 Gramm!)

in #de-stem6 years ago (edited)

Ein wichtiger Archetyp, bei dem zwei Parteien auftreten, ist Tragedy of the Commons (Deutsch Tragödie der Allmende). Wie der Name sagt, tritt der Archetyp immer dann auf, wenn ein Allgemeingut genutzt wird.

Bekanntestes Beispiel ist der Fischereikonflikt. Da das Meer und die Fische ausserhalb der 3-Meilenzone Allgemeingut ist, kann "jedermann" dort fischen. Das führt bekanntlich dazu, dass die Meere bald ausgefischt sind, was zuerst diejenigen trifft, die durch die Fischerei reich geworden sind. Je gieriger wir sind, desto mehr entziehen wir uns den Nährboden. Wie funktioniert das?

Gratulation: Sie haben ein Fischereigut gewonnen


Stellen Sie sich einen klaren blauen Teich voller schöner Forellen vor. Am Teich hat es zwei Fischer, die davon leben. Einer davon sind Sie. Sie fahren jeden Abend hinaus und verkaufen frühmorgens im nahegelegenen Ort Ihren Fang. Pro Kilo kriegen Sie 2 Dukaten. Die Nachfrage ist enorm!

Da die Fischerei und das Boot noch nicht amortisiert sind, Ihre Kinder in teure Privatschulen gehen und sich Ihr Partner mit einem teuren Hobby aushalten lässt, haben Sie gewisse Verpflichtungen. Mit anderen Worten: Sie müssen jede Nacht fischen, was das Zeug hält! Leider ist der andere Fischer in derselben Situation, so dass der Fischbestand schneller zur Neige geht, als Sie es sich gewünscht haben. Sie können sich denken, dass der Teich nichts mehr hergeben wird, langen bevor Sie in Rente gehen. Was dann?

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Bisher hatten Sie schöne Einnahmen, so dass Sie sogar etwas auf die hohe Kante legen konnten. Sie rechnen aus, was Sie im Minimum brauchen, um Ihren Verpflichtungen gerade nachkommen zu können und gehen damit zum anderen Fischer, der genau dieselben Überlegungen angestellt hat. Daher heisst er Sie willkommen und Sie vereinbaren ein Kontingent, das jeder von Ihnen einhalten muss, z.B. pro Nacht nicht mehr als 100 Kg rauszuziehen.

In der nächsten Nacht fahren Sie wieder hinaus. In der Ferne sehen Sie den anderen Fischer, der ebenfalls seiner Arbeit nachgeht. Bereits um Mitternacht haben Sie Ihre 100 Kg Forellen herausgezogen. Was nun? Während Sie so vor sich hin sinnen, wird es 00:15 Uhr und es sind schon wieder 10 Kg im Netz. Jetzt wird es aber höchste Zeit aufzuhören. Sie ziehen das Netz ein und entscheiden, dass diese 10 Kg mehr bestimmt keinen Einfluss auf die Entwicklung des Fischbestandes haben. Und überhaupt kann es der andere ja sowieso nicht kontrollieren, das wäre ja noch schöner! Auf der Rückfahrt durchqueren Sie zufällig einen Schwarm fetter Forellen. Einen so schönen Schwarm haben Sie noch nie gesehen, obwohl Sie diesen Teich nun schon viele Jahre befahren. Schnell greifen Sie zum Handnetz und füllen es in einem Wisch mit 5 Kg Fische. Diese nehmen Sie auch noch mit nach Hause.

Selbstverständlich tut es Ihnen der andere Fischer gleich. Zuerst waren Sie beide spätestens um 1 Uhr wieder zuhause, so dass der Teich gegen Morgen still und dunkel da lag. Nach ein paar Monaten sind Sie beide um 2 Uhr noch draussen, später um 3 Uhr und nach einem oder zwei Jahren fischen beide wieder bis zum Morgengrauen. Die Vereinbarung hat nicht gehalten.

Die anderen müssen sich darum kümmern


Diese allzu menschliche Geschichte zeigt, dass oft nicht einmal vorsätzlicher und böser Wille vorhanden sein muss, wenn die Akteure zunächst an ihre eigenen Verpflichtungen denken. Ein Allgemeingut wird immer bis zum Ende ausgebeutet. Jeder denkt, dass seine Sünden kaum in's Gewicht fallen, wenn sich alle anderen an die Vereinbarungen halten. Denken Sie an den Umweltschutz: wenn ich einmal eine Glasflasche in den normalen Abfall lege, statt zur nächsten Glassammelstelle zu bringen, wird das sicher nicht so schlimm sein. Das ist richtig, wenn ich als Einzelner und nur ein einziges Mal so eine kleine Sünde begehe. Aber die anderen denken ebenfalls so.

Wir können die Situation so darstellen:

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Die beiden Protagonisten A und B maximieren individuell ihren Gewinn oder Nutzen. Die kummulierten Anstrengungen erschöpfen die vorhandenen Ressourcen, die eine obere Schranke für den maximal möglichen individuellen Gewinn darstellen.

Das Muster ist also: alle haben ein bisschen oder "the winner takes it all" und die anderen gehen leer aus. Das entspricht der spieltheoretischen Figur des Gefangenendilemmas: zwei Personen sind angeklagt, gemeinsam ein schweres Verbrechen begangen zu haben, aber man kann ihnen nichts nachweisen. Schweigen beide, erhalten sie eine geringe Strafe. Sagt aber einer aus, kommt er in ein Zeugenschutzprogramm und ist sofort frei, während der renitente Lügner die Höchststrafe erhält. Welche Ressource wird in dieser Geschichte ausgeschöpft? Was, also, ist hier die "Allmende"?

Tragödie des Projektmanagements


In einem Projekt mt Pauschalpreis, in welchem ein Auftraggeber (hier "Kunde" genannt) einen Lieferanten beauftragt, etwas für ihn zu bauen, herzustellen oder zu liefern, versucht der Auftraggeber stets, die Qualität zu maximieren, während der Lieferant die "Marge" maximieren will. Das bedeutet, dass der Kunde versucht, möchlichst viel aus dem Lieferanten herauszuquetschen. Der Lieferant dagegen versucht, möglichst Manpower zu sparen, indem er z.B. Abkürzungen nimmt oder Arbeitsabläufe automatisiert. Das äussert sich in den ewigen Streitereien um Change Requests, die für den Kunden als Selbstverständlichkeit zum Lieferumfang gehört, während sie der Lieferant stets als Zusatzanforderung deklariert.

Ich habe das so dargestellt:

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Die Grösse "übrig bleibendes Potential...." ist eine Ermessensgrösse. Irgendeinmal lassen es beide gut sein. Irgendeinmal ist der Kunde müde, die Qualität in die Höhe zu treiben und der Lieferant ist mit der geringsten Marge zufrieden, wenn überhaupt noch etwas übrig bleibt.