Yogische Prinzipien: Gewaltlosigkeit

Gewalt ist keine Lösung, stimmt's? Tja... warum eigentlich?

Gewaltlosigkeit und Friedensliebe haben mich schon mein ganzes Leben lang begleitet, mal mehr, mal weniger. Meinen Wehrdienst habe ich damals mit dem Bibelvers von Jesus verweigert: "Wer das Schwert aufnimmt, wird durch das Schwert sterben". Ich finde Frieden total spannend - oder sollte ich sagen ent-spannend?

Die Mennoniten

Ich wurde in eine mennonitische Familie hineingeboren. Die Mennoniten sind eine Konfession, die aus der Täuferbewegung in der Reformationszeit entstanden ist. Heute ist es eine Freikirche. Sie ähnelt dem Evangelischen sehr, hat aber zwei größere Unterschiede: Die Kindstaufe wird nicht durchgeführt, und Mennoniten bestehen auf Wehrdienstverweigerung. Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) verließen viele Mennoniten das Großdeutsche Reich und siedelten sich in Russland an, angelockt durch das Versprechen von Selbstverwaltung und Befreiung von der Wehrpflicht. Der Grundsatz, anderen Menschen kein Leid zuzufügen, hat sich bis heute weitgehend erhalten. Das hinderte die Mennoniten jedoch nicht daran, ihre Kinder zu "züchtigen". Man muss jedoch dazu sagen, dass diese Form der Erziehung damals allgemein verbreitet war.

Ahimsa

Bei meiner Yogalehrer-Ausbildung lernte ich Gewaltlosigkeit in einem ganz neuen Licht kennen. Im Raja Yoga gibt es, ähnlich den 10 Geboten, Regeln für den richtigen Umgang mit anderen und mit sich selbst. Diese Regeln sind als Ideale zu verstehen, denen man sich annähern kann, also Tugenden, die es zu entwickeln gilt. Eine dieser Tugenden ist Ahimsa, was Gewaltlosigkeit oder Nichtverletzen bedeutet. Das fängt an beim Verzicht auf körperliche Gewalt, geht aber noch viel tiefer.

Gewalt im engeren Sinn ist die körperliche und evtl. mentale Gewalt, in einem weiteren Kontext würde ich Gewalt beschreiben als "Handlung gegen den freien Willen des Betroffenen" - vielleicht gibt es noch weiter gefasste Definitionen. Für diese Betrachtung soll uns aber diese genügen. Diebstahl, Ausgrenzung, Mobbing, zwanghaftes Überreden, Angriff einer anderen Meinung und Manipulation würden demnach zu gewalttätigen Aktionen dazugezählt werden. Eine noch subtilere Formen der Gewalt könnte sein, schlecht über jemand Anderen zu denken. Spätestens hier merkt Otto Normalverbraucher, dass er sich noch verbessern kann.

Ahimsa beschränkt sich allerdings nicht auf Menschen, sondern ist allgemein zu verstehen als "kein Leid zufügen". Damit ist die ganze Natur mit eingeschlossen, Tiere und Pflanzen. Aus diesem Grund ernähren sich viele Yogis vegetarisch oder vegan. Ebenso kann man Gewaltlosigkeit auch bei sich selbst anwenden, was häufig unterschätzt wird. Sich selbst nicht zu verletzen bedeutet, Gedanken oder Emotionen nicht zu unterdrücken, keine Selbstverurteilung, kein Ignorieren von Bedürfnissen, sich nicht zu Stress und Hektik verleiten lassen, gut von sich und Anderen denken. Mit dieser Haltung kühlt der Herd für innere Konflikte ab.

Das Praktizieren von Ahimsa mit all seinen Facetten führt zu Frieden im eigenen Wirkungskreis - Frieden mit den Mitmenschen. Ebenso wird der innere Frieden kultiviert, der dann spürbar wird, wenn die inneren Konflikte aufhören.

Happy End?

Überzeugt hat mich an Ahimsa vor Allem, dass nirgends ein Gesetz daraus gemacht wird. Mit anderen Worten: Zwing dich nicht dazu, ständig gewaltfrei sein zu müssen. Denn das wäre ja wieder Gewalt, stimmt's? Ich kann und darf mich in meinem eigenen Lerntempo diesem Ideal annähern. Das ist irgendwo das Paradoxe daran, im Frieden zu sein mit dem Unfrieden. Und genau das ist auch der Game Changer: Alles darf so sein wie es gerade ist.

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