Der Geist der Piraten

in #deutsch4 years ago
In der Ferne kündigte dumpfes Grollen ein Gewitter an. Wir mussten uns beeilen um die geschützte Port Morgan Bucht noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Unser Tiefenmesser verriet das wir unseren Seekarten besser nicht zu sehr vertrauen sollten. An Orten wo es 10 Meter tief sein sollte fanden wir kaum 2 Meter Platz unter den Kielen. Das Wasser war zum Glück sehr klar und man konnte gut erkennen wo es kritisch wurde. Wir mussten hauptsächlich auf Sicht navigieren um den gefährlichen Riffen nicht zu nahe zu kommen.
Die heutigen Karten sind zwar etwas genauer aber nicht viel hilfreicher als die der Freibeuter. Man konnte ahnen wie viele Schiffe hier über die Jahrhunderte gesunken sein mussten. Es war also schon irgendwie wichtig bei Tageslicht wieder in Port Morgan verankert zu sein.

Villem und seine Freunde Wagner und Nixon hatten uns zur Ile Permantois begleitet um zu dolmetschen und uns den Einwohnern vorzustellen. Besonders Wagner interessierte sich für unser Boot und dafür wie alles funktionierte. Er träumte davon eines Tages ein großer Kapitän zu werden und damit viel Geld zu verdienen. Ich überlegte einen Moment und fragte ihn: „Willst du es mal versuchen?“ Er sah mich überrascht an. “Du meinst ich darf mal ans Steuer?““ Klar, warum nicht?“ und schon hatten wir den stolzesten Wagner aller Zeiten an Bord. Er grinste von einem Ohr zum anderen und wollte unbedingt dass ich ein Foto von ihm mache wie er diesen Katamaran steuerte. Das würde ihm zu Hause sonst niemand glauben. Für ihn war das eine riesen Sache, also ließen wir ihn die komplette Rückfahrt alleine segeln.

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Ein weiteres Boot war unterdessen mit Hilfsgütern aus den USA angekommen und hatte sich zu uns in die Bucht gelegt. Es war die Victorya, eine Ketsch von der Evangelic Islander Ministry.

Ein Kerl mit wildem Vollbart, Cowboyhut und Sonnenbrille winkte uns freundlich aus dem Cockpit zu als wir in die Bucht segelten. Es war Pastor Bideaux, ein Priester und Missionar aus Florida der sich schon seit über 30 Jahren um die Einwohner der Insel kümmerte. Er sprach fliessend Creole und war weiträumig gleichermaßen bekannt und beliebt.

Mit der Victorya hatten wir nun insgesamt drei Boote mit Wasseraufbereitungsanlagen an Bord. Gemeinsam produzierten wir etwa 500 Liter Trinkwasser pro Stunde. Die Tandemeer und die Victorya legten jeweils Pipelines direkt vom Boot bis zu den Zisternen an Land und liessen die Agregate rund um die Uhr laufen. Mit unserem Agregat füllten wir unsere eigenen Bordtanks und zusätzliche Kanister um das Wasser an die umliegenden Inseln zu verteilen. So gelang es uns eine Art Grundversorgung wieder herzustellen.

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Mehrere Wochen waren bereits seit dem Hurrikan vergangen. Von der erhofften internationalen Hilfe war jedoch nichts zu sehen. Außer der Ladung aus Venezuela war noch niemand hier aufgetaucht. Mir drehte sich der Magen um beim Gedanken daran wieviele Millionen zwischenzeitlich in unserer sogenannten zivilisierten Welt für Haiti gesammelt wurden...

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Wer lustig ist kann ja mal Belege nd Nachweise dafür verlangen was Glückskette und Co. mit der ganzen Kohle für Haiti gemacht haben. Wir waren über ein halbes Jahr mitten im Katastrophengebiet und abgesehen von unseren eigenen Teams ist mir ist während der gesamten Zeit da unten kein einziger Schweizer, Österreicher oder Deutscher begegnet, schon gar nicht um zu Helfen. Allein diese drei Länder hatten aber zusammen schon ein vielfaches von dem gesammelt, was für einen Wiederaufbau der gesamten Region nötig gewesen wäre. Man muss dabei beachten dass in Haiti mit etwas anderem Standart gebaut wird und die Kosten nicht ansatzweise mit europäischen Bauprojekten verglichen werden können. In Les Cayes und auf den abgelegenen Inseln die es am schlimmsten erwischt hatte kam davon jedoch wieder nichts an. Man könnte denken dass die sogenannten Hilfsorganisationen nach dem Skandal des Roten Kreuzes in 2010 etwas vorsichtiger geworden wären, aber das war nicht der Fall.

Abends trafen wir uns oft auf der Tandemeer zum gemeinsamen Abendessen. Sequoia, der Captain an Bord war auch ein begnadeter Koch und hatte wieder einen herrlich duftenden Lobster Eintopf für alle gekocht. Jeder gab die Highlights der eigenen Reise nach Haiti zum besten und es wurden allerlei Geschichten erzählt. Pastor Bideaux erzählte wie er vor einigen Jahren als Skipper für eine Expedition angeheuert wurde. Sie wollten die HMS Oxford, das verlorene Flagschiff des Piraten Sir Henry Morgan finden.

Im 16 Jahrhundert war die Bucht vor Ile a Vache ein großer Piratenhafen. Der Piratenfürst hatte damals Französische und Spanische Schiffe gekapert und den Opfern jeweils die Wahl gelassen. Entweder sie würden sich freiwillig seinem Piratenheer anschließen, oder hingerichtet. Die meisten entschieden sich für ein weiter Leben als Pirat und so hatte Henry Morgan in kurzer Zeit das Kommando über eine gewaltige Armada aus mehr als 100 Piratenschiffen die alle in der Baja la Ferret vor Ille a Vache auf den Start zum grossen Überfall auf Panama warteten. Der Geschichte nach war die HMS Oxford 1669 wärend einer Grillfeier an Bord vor der Insel explodiert und gesunken. Bis heute gilt die Oxford offiziell als verschollen. Es gab keine genauen Aufzeichnungen wo genau das Schiff gesunken war aber in Port Morgan war sie schonmal nicht.

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Long John Silver Trust

Mit einem funkeln in den Augen sagte Bideaux: Die wissen es nicht, die haben keine Ahnung. Aber ich weiß wo sie liegt. Die Kanonen, die Holzkonstruktion, der Anker, es ist alles da. Kein Zweifel, ich habe Morgans Oxford gesehen. Eine Art goldenes Zepter habe er damals beim Wrack gefunden und mit an Land gebracht. Er hatte es dem damaligen Major der Insel für weitere Untersuchungen übergeben. Der Major hatte sich mit dem Teil jedoch in die USA abgesetzt und ward nie wieder gesehen. Ihm wurde klar gemacht dass er sich den Artefakten ohne Bewilligung nicht mehr nähern dürfe. Sogar mit Gefängnis hatte man gedroht, aber er hatte nie verraten wo sich das Wrack genau befand. Es sei ohnehin so gut wie unmöglich ohne schweres Gerät etwas bergen zu wollen, sagte er. Über die Jahrhunderte hatte sich eine dicke Sedimentschicht darüber gelegt und alles war mit Korallen überwachsen.



Er wollte das Wrack als Unterwassermuseum für Touristen erhalten. Damit ließe sich die Wirtschaft ankurbeln und die Insel hätte langfristig etwas davon. Das sah die Regierung leider nicht ganz wie er und die Fronten verhärteten sich. Sie wussten nicht wo die Oxford lag und hatten die Kapazitäten nicht um das Schiff frei zu legen und die Artefakte zu bergen. Den Auftrag wollten sie aber aus Angst vor Betrug auch nicht ins Ausland vergeben und somit passierte dahingehend nichts mehr. Bideaux wurde damals scheinbar sogar eine Weile überwacht in der Hoffnung er würde nochmal zur Fundstelle zurückkehren und sie damit verraten. Genau damit hatte er auch gerechnet und ist nie wieder auch nur in die Nähe der Fundstelle gekommen. Er ging dafür nachts mit auffälliger Beleuchtung an ganz anderen Stellen tauchen um falsche Spuren zu legen.

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Für einen Priester hatte es Bideaux ohnehin Faustdick hinter den Ohren. Er war aus der Gegend von Steinhachee in Florida, eine Gegend wo es zum guten Ton gehört bis an die Zähne bewaffnet zu sein. Also fragte ich ihn ein paar Tage später wie er die Küstenregion so erlebt hatte wenn er ja schon so lange zwischen Florida und Haiti hin und her pendelte. Ich wollte wissen ob er jemals von Piraten angegriffen wurde. Zweimal, sagte er. Ja, zweimal haben sie es bei Kap Tiburon versucht, aber daraus wurde nichts. Überrascht sah ich ihn an und fragte: Was ist passiert? Beim ersten mal kamen sie mit einem Skiff in der Dämmerung und wollten etwas Diesel. Ich wusste dass das nur ein Vorwand war und lehnte ab. Schon kamen sie längs an die Victorya heran und drohten mit einem alten Gewehr und Macheten. Er erzählte wie er dann die Stimme erhob und ihnen in perfektem Creole zu brüllte: Ich bin Pastor Bideaux fragt eure Dorfältesten sie kennen mich. Ihr macht einen großen Fehler. Ich werde nicht über eure Seelen richten, das kann nur Gott. Aber ich werde euer Treffen mit ihm arrangieren wenn ihr nicht sofort verschwindet. Mit einer schwungvollen Drehung hatte er eine abgesägte Schrotflinte hinter einem Kissen hervorgeholt und grinste breit während er seinen Meinungsverstärker präsentierte. Mein Gebetsprügel hier trifft zwar nix, macht aber genug Donner um jeden Ungläubigen zu bekehren. Die hatten plötzlich doch wieder genug Sprit um mit Vollgas zu verschwinden. Der Priester lachte schallend und zeigte noch einen Colt, eine Pump Gun und noch so ein paar fiese Dinger inklusive jede Menge Munition die er an Bord hatte. Dem Wort Gottes sollte also besser nicht widersprochen werden und einen Geistlichen überfallen zu wollen war offensichtlich eine ganz schlechte Idee. "Klar soweit, …und beim zweiten Mal?" wollte ich wissen. Er lachte und erwiderte: "Beim zweiten Mal kamen sie nur noch so nahe bis sie die Victorya erkannt hatten. Die erinnerten sich und hatten plötzlich ganz was anderes zu tun."
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Ihr habt es wahrlich drauf, eure Abenteuer fesselnd zu beschreiben! Macht Spaß, eure Beiträge zu lesen!
Nun wünsche ich euch noch ein paar mehr Fans, ein schönes Wochenende und weiter alles Gute,
LG Chriddi

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wiedermal eine gelungene story....alles liebe euch weiterhin

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