NZZ-Artikel über BitCoin

in #deutsch7 years ago

Ausnahmen bestätigen die Regel.

Wer sich über Kryptowährungen, Blockchain, SmartContracts usw. informieren will, dem kann man normalerweise nicht den Mainstream empfehlen. Ab und zu jedoch findet man doch relativ gute Artikel, wie den am 16. Januar 2018 in der NZZ erschienen Artikel mit der Überschrift »Und wenn der Bitcoin doch keine Blase ist?«

Und wenn der Bitcoin doch keine Blase ist?
»Und wenn der Bitcoin doch keine Blase ist?«
Letzten Dienstag in der Neuen Zürcher Zeitung

Der Autor Milosz Matuschek scheint sich entweder relativ gut auszukennen oder er hat sauber recherchiert. Und daß Mainstream-Journalisten heutzutage recherchieren, das ist deutlich unwahrscheinlicher, als daß Mechatroniker Pferdehufe beschlagen. Er bringt es jedenfalls ziemlich genau auf den Punkt: Neue Technologien lassen sich mit althergebrachten Denkmustern nicht begreifen. Wenn etwas zu schnell anwächst, dann wird allgemein das Geschrei laut, weil es dann, der herkömmlichen Denkweise entsprechend, eine Blase sein muß. Er führt ein paar andere Dinge an, die seit ihrer Erfindung sehr stark gewachsen sind, wie etwa das Auto und das Flugzeug, deren Verbreitung immer mehr zunimmt, sogar heute noch, obwohl es nun wahrlich keine neuen Erfindungen mehr sind. Am schnellsten wachse Software, was durchaus vorstellbar ist. In diesem Fall ist es sogar ein exponentielles Wachstum. Da stellt er zu Recht die Frage:

Sagt irgendwer: «Die Digitalisierung hat sich so krass ausgebreitet, das wird alles noch in einem gewaltigen Crash enden, und dann sitzen wir wieder vor einem Rechenschieber»?

Er spricht auch den Fehler an, den die meisten "Blase"-Schreier machen, nämlich den, BitCoin als ein reines Spekulationsobjekt anzusehen. Das ist genau das Problem mit den Finanzexperten wie Dirk Müller, Thorsten Schulte, Ernst Wolff, Max Otte und sogar Andreas Popp. Das sind sicher alles respektable Sachverständige auf ihren Gebieten. Doch ihr Gebiet sind Börse, Finanzen, Anlagen usw. - aber nicht die neue Technologie der Blockchain. Ihre Meinung zu BitCoin ist also mit der Meinung von Verkehrsexperten des 19. Jahrhunderts über das Automobil vergleichbar.

Damit können solche Leute nun mal nichts Anfangen, denn sie sind zwar Experten, allerdings eben auf ihrem Gebiet. Wenn eine neue Technologie den Plan betritt, dann sind diese Experten die falschen Ansprechpartner. Wir reden hier nämlich von einer Technologie, die das Zeug zum Game Changer hat.

Der grösste Fehler in Bezug auf den Bitcoin könnte genau darin liegen, daß man diese Innovation als reine Vermögensklasse betrachtet, wie eine Aktie, Staatsanleihe oder meinetwegen auch eine Tulpe – und den Netzwerkeffekt dabei vergißt. BitCoin ist netzwerkzentriertes Geld, und Blockchain-basierte Geschäftsmodelle sind neuartige Plattformen, die überall dort einen Sinn ergeben, wo es darum geht, Mittelsmänner zu ersetzen.

Zu diesen Mittelsmännern zählen nicht nur PayPal und Western Union, sondern vor allem die Banken, und im Verlauf auch diverse Schwarzkittel, Steuerknilche und sonstige "Berufe", die den ganzen Tag eigentlich nur Papier schmutzig machen. BitCoin bietet ein neues Modell des Privatsphärenschutzes - auch eine Sache, die die DraghiCoin-Anhänger[1] nicht auf dem Schirm haben.

BitCoin WhitePaper auf BitCoin.org
Quelle: BitCoin WhitePaper auf BitCoin.org

Im Artikel befindet sich auch ein Video, das dem unbedarften Leser sachlich erklärt, was eine Blockchain ist, wie sie funktioniert und welchen Zweck sie hat. Ich war sehr erstaunt, das alles in einem Mainstream-Medium zu lesen. Besonders beim letzten Satz habe ich mich gefragt, ob der Zensor mittlerweile schon stiften gegangen ist.

Wo sind die Warnungen vor staatlichen Spielkasinos, vor staatlichen Lotterien, vor Investments in Lebensversicherungen, Staatsanleihen oder in die eigenen, inflationär beliebig vermehrbaren staatlichen Zahlscheine, auch Geld genannt?

Mehr Artikel dieser Art, auch auf anderen Gebieten, und vielleicht überlebt die NZZ das einsetzende große Zeitungssterben.


[1] Mit "DraghiCoin-Jünger" sind jene Bargeldverfechter gemeint, die die inflationäre Papierwährung einer Zentralbank für das Gelbe vom Ei halten und Kryptowährungen als einen "ersten Schritt zur Bargeldabschaffung" bezeichnen. Vermutlich verstehen die meisten davon weder Bargeld noch BitCoin, wobei zum Verständnis von BitCoin das verständnis von Bargeld eine Grundvoraussetzung ist. Ein Blick nach Venezuela würde helfen, denn dort sieht man den Unterschied zwischen BitCoin und Bargeld ganz deutlich... BitCoin funktioniert: Vevezuela - BitCoin im wirtschaftlichen Kollaps
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Prima, danke! Endlich wieder einmal ein Artikel von dir. Up&Re.

Finde das Posting sehr gelungen, dennoch eine kleine Anmerkung: Ich denke, man muss zwischen Blockchain Technologie und einzelnen Projekten unterscheiden, die Blockchain Technologie ist aus meiner Sicht eine digitale Revolution und nicht mehr aufzuhalten (will ich auch nicht), einzelne Projekte (natürlich auch ganz bewusste Scams) können aber durchaus überbewertet sein bzw. für sich gesehen eine Blase gebildet haben.

Hi Tom, auch die digitale Revolution wird vollkommen überschätzt, Autos kaufen keine Autos, schonmal gehört ? Die Revolution frisst gerne ihre eigenen Kinder...ansonsten stimme ich Dir in Bezug Technologie und Anwendung vollkommen zu...

Ja, das muß man getrennt sehen. Jeder Trottel kommt heute mit einem ICO angegrattelt, aber davon werden die meisten nichts. Das Problem ist, daß die "Blase"-Schreier genau diese Unterscheidung ja nicht machen. Das ist der gängige Gedankengang: BitCoin = Blockchain = Blase. Aber das ist eben etwas zu kurz gesprungen.

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Hi besold, dann mache ich mal den Ketzer 😉 Ihr/Du macht es Euch verdammt einfach, die Kritiker als "Nichtversteher" zu brandmarken. Dieser hohle Spruch "neue Technologien mit althergebrachten Denkmustern zu betrachten" ist ein Klassiker, den bringt jede "Gamechanger-Frittenbude" 😁 Vielleicht haben diese Pferdekutschen-Experten einfach nur schon zuviele Luftnummern kommen und gehen gesehen und Ihr nicht. Das System hat doch die Coins schon längst adaptiert, wollen die Coin-Jünger nur leider nicht wahrhaben. Seit Comex ist der Bitcoin im Grunde nur noch ein Spielball, der Vergleich von Guppies, die im Wal-oder Haifischbecken schwimmen wollen, macht da schon eher Sinn. Und in einer Filterblase lebt es sich natürlich gemütlicher, die Realität schlägt aber meist erbarmungslos zurück. Anwendungsbereiche für Blockchain gibt es zu genüge, dass Staaten oder Zentralbanken sich die Butter vom Brot klauen lassen, ist mehr als naiv 😊 Wer von Euch "Experten" hat denn den neuen Markt und die Anfänge des Internets mitgemacht ? Von den Euch belächelten Experten waren alle dabei, welche Firmen des "Game-Changers" Internet sind heute noch dabei, die in den Anfangsjahren gehypt wurden...na...wieviele ? Nada umschreibt es ganz gut ... Und die Wahrscheinlichkeit dass es diesmal ähnlich verläuft, ist nicht gering.

Den neuen Markt kann man ja durchaus als Vergleich heranziehen, aber das Platzen dieser Blase hat ja das Internet nicht mit ins Grab genommen, das Internet hat seitdem enorm weiter expandiert, einzelne Projekte und Anwendungen sind aber zweifellos untergegangen und viele Kleinanleger haben viel Kapital verloren.

Genauso sehe ich die Zukunft der Blockchain Technologie, ich bin mir sicher, dass es in Zukunft M2M Anwendungen mit Blockchain oder blockchainähnlicher Technologie geben wird, genauso sicher bin ich mir aber auch, dass der Großteil der Projekte, die daran arbeiten, untergehen wird, wieder werden viele viel Kapital verlieren.

Aber ich vermute mal, wir sind in diesen Punkten gar nicht soweit voneinander entfernt.

Wir sind da sehr nahe beieinander... wieviele der "Firmen" der ersten Generation haben überlebt ? So gut wie keine, aber auf deren Ruinen haben sich Mega-Firmen entwickelt... mit Bitcoin wird es ähnlich laufen, mit vielen Coins vermutlich auch... alles, was eine Anwendung und im Real-Geschäftsbetrieb einen wirklichen Profit erwirtschaftet, wird überleben, der Rest verschwindet genauso schnell wieder, wie gekommen ;-)

Die Blockchain-Technology wird sich durchsetzen. Von den Kryptos werden nur wenige überleben. Ausführlich geschildert, auch der Vergleich mit dem "Neuen Markt" in meinem jüngsten Post. Sofern Interesse, viel Spass beim Lesen.

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@samui
Hart, ehrlich und wahr. Hast Du meinen jüngsten Post gelesen?

Ja, hab schon Besold kommentiert, sehe es ähnlich wie Du... und selbst ein Freund, der selber IT-Experte ist und in der Branche Feuerwehrmann spielt und z.B. die IOTA-Gründer kennt, ist mehr und mehr skeptisch. Nicht Blockchain-mäßig, sondern Coin-bezogen...