"Ich bin Diaspra"//(43) Kapitel 5: Teil 7
Mein Blick fiel auf Naema Dargad, der mich ebenfalls mit einer Mischung aus Unbehagen und beinahe Angst musterte. Stark darauf bedacht, im Hintergrund zu bleiben und die anderen Ynaer'i vor sich stehen zu lassen.
„Wie sieht es aus?“ Fragte Balthazareon, der die gesamte Situation zu überblicken schien und keinen der Ynaer'i aus den Augen ließ.
Levayes steckte das Gerät zurück in ihre Tasche, stand auf und erklärte, dass wir fürs Erste fertig seien. Ich bräuchte nun in erster Linie eines und das war Ruhe.
Ein wenig nervten mich diese übertriebene Vorsicht. Sicher, zu 100% fit fühlte ich mich nicht, doch mir ging es im Vergleich zum Morgen um Lichtjahre besser!
Zudem war mir gerade nach allem – bloß nicht nach schlafen. Viel zu sehr interessierte mich, worüber Balthazareon mit der Ynaer'i-Delegation gesprochen hatte.
Leider waren die Wände zu dick um etwas zu verstehen, vorhin drangen nur gedämpfte Stimmen hindurch die ich nicht verstand.
Deshalb hoffte ich, dass mich nun jemand informieren würde. Der Botschafter sah mich abschätzend an und sagte dann in Balthazareons Richtung.
„Sicher ist Ihnen bewusst, dass Nathaniel die sofortige Herausgabe der Prinzessin verlangt. Sie mögen insofern richtig liegen, dass er vom offiziellen Protokoll abweicht und ein eigenes Konzept umsetzt, doch uns obliegt nicht, darüber zu urteilen. Der Prinz von Asgeanus hat seine Gründe.“
Balthazareon schnaubte verächtlich. „Oh ja, die hat er ganz gewiss.“
Seine Stimme wurde ein wenig freundlicher, doch blieb weiterhin nachdrücklich.
„Sie sind ein intelligenter Mann, ich glaube Ihnen ist klar, dass ich Ihnen Diaspra nicht überlasse. Ich gebe zu, dass die Pentay kein standesgemäßes Schiff für eine Ynaer'i-Prinzessin ist, doch solange Nathaniel meine Forderungen verweigert, wird seine Schwester an Bord bleiben und wie geplant mit mir nach Maelenar reisen.
Die Amaylux hätte die Prinzessin längst an Bord nehmen müssen, das wissen Sie ebenso gut wie ich. Es mag sein, dass ich nach asgeanischem Recht nicht befugt bin Nathaniels Anweisungen zu hinterfragen, doch ich wiederhole es noch einmal: Hier geht es nicht um Nathaniels Karrierepläne sondern um die Zukunft des Caenyus-Systems.“
Er blickte in meine Richtung und sah mich durchdringend an. „Und um die Zukunft zahlreicher Spezies.“
Der Diplomat stand verdutzt im Raum. Er schien keine Widerworte gewohnt und wusste nicht Recht, wie er darauf reagieren sollte.
Doch nicht nur ihm war die Situation unangenehm, auch Naema Dargad wirkte alles andere als entspannt.
„Bevor Sie uns verlassen habe ich noch eine Frage an Sie alle.“ Balthazareon lief mit großen Schritten durch den Raum und stoppte kurz vor der kleinen Gruppe.
„Weiß Nathaniel, dass er einen Verräter an Bord hat?“ Sein Blick fror ein und mit eisigem Gesichtsausdruck musterte er Dargad. Dieser sah sich panisch um und rannte in Richtung Tür. Doch es gelang ihm nicht, sie zu öffnen.
Der Rest der Delegation schaute ihm verwirrt nach und verstand nicht.
„Wachen! Nehmt ihn fest!“ Rief Balthazareon laut und von draußen traten zwei bewaffnete Xeadnar ein die den Sicherheitsoffizier innerhalb weniger Momente überwältigten und vor uns zerrten.
Die Ynaer'i beobachteten das Szenario und auch ich starrte gebannt auf den sich unter den festen Griffen der Xeadnar windenden Mann.
„Naema Dargad, richtig?“ Balthazareons Stimme klang hart und emotionslos. „Sicher sind dir die traditionellen Bräuche der Xeadnar bekannt. In jedem Geschichtsbuch steht beschrieben, was wir mit Verrätern machen. Du hast großes Glück, dass ich auf Asgeanus aufgewachsen bin und in großen Teilen den Traditionen der Ynaer'i, nicht etwa denen von Thaemyar folge. Andernfalls ließe ich dir für diesen Verrat den Kopf abschlagen und vor den Toren der Hauptstadt aufspießen!“
Ich spürte ein flaues Gefühl in der Magengegend, alleine vom Zuhören wurde mir schlecht und ich hoffte inständig, dass Balthazareon das nicht ernst meinte.
Zwar konnte ich es mir kaum vorstellen, solch ein Verhalten passte nicht zu ihm, doch ich wollte es nicht darauf anlegen, dies zu verifizieren.
Die Wachen zwangen Naema Dargad auf die Knie. Er wehrte sich erbittert, doch den Xeadnar konnte er nichts entgegen setzen.
Balthazareon fragte ihn mehrfach nach dem Grund für sein Handeln. Er bat ihm sogar an, ihn unter Xeadnar-Schutz zu stellen, sollte er verraten, in wessen Auftrag er handelte. Doch der Ynaer'i schwieg beharrlich.
Mehr noch, er keifte und schimpfte wie ein Rohrspatz und zeigte nicht die geringste Einsicht. Offensichtlich fühlte er sich im Recht und es tat ihm eher leid, dass sein Anschlag auf mich missglückt war, nicht aber dass er diesen perfiden Plan ausführen wollte.
Nach einer Weile hatte Balthazareon genug. „Du hattest deine Chance. Statt sie zu verwenden hast du nur noch deutlicher gemacht, dass du entschlossener Teil der Rebellion bist und den Hochverrat mit bestem Wissen und Gewissen durchführen wolltest. Im Namen der Xeadnar befehle ich, dass dir zu Teil wird, was du der Prinzessin antun wolltest.
Du wirst das vergiftete Edae umlegen. Danach werden Arius Myxva und Ygrev Yagexo dich zurück zur Immortal bringen und Nathaniel einen lieben Gruß von mir bestellen.
Levayes Ulaymex, Sie werden auf der Pentay noch gebraucht. Ich würde Sie aufrichtig bitten, noch einige Tage zu bleiben und sicherzustellen, dass sich die Prinzessin bald wieder vollständig erholt. Sie sind dabei selbstverständlich Gast der Xeadnar, keineswegs unsere Gefangene.“
Er sagte einige Worte auf Zentral-Asgeanisch, die ich leider nicht verstand, die aber an den Botschafter gerichtet zu sein schienen. Dieser verstand es und nickte bedächtig.
Dann kam Bewegung auf und die Anwesenden wurden unruhig. Balthazareon zog das sabotierte Edae aus seiner Tasche und forderte Naema Dargad grob auf, ihm seine Hand hin zu halten.
Wieder tobte Dargad und stieß wütende Beleidigungen und Verwünschungen aus, doch Balthazareon ließ sich davon nicht beeindrucken.
Im Gegenteil, er wirkte vollkommen entspannt, so als gebe es nichts, was ihn aus der Ruhe bringen konnte.