Der rechte Werkmeister - Martin Heidegger nach den Schwarzen Heften
Das Buch ist wichtig und erhellend, insbesondere wo es sein Licht (oder seinen Schlagschatten?) auf die Sprache richtet, die Heidegger verwendet. Angesichts derer nicht genügend Licht ins Dunkel gebracht werden kann. Die Grundthese des Werkes scheint mir jedoch etwas schmal aufgestellt zu sein. Polemisch formuliert hält der Autor den Schwarzwälder Wurzelsepp im wesentlichen für einen katholischen Nationalsozialisten, mit Ausnahme derjenigen Bereiche, wo sich dieser mehr als nationalsozialistischer Katholik entpuppt. Thesen, die mit der beliebten Methodik der Vereinfachung arbeiten (übrigens auch ein Kernkennzeichen faschistischer Methodik), haben aber nun seit jeher immer auch den Nachteil zwar nachvollziehbar, zutreffend und einleuchtent, aufgrund ihrer Tendenz zur Verallgemeinerung aber auch recht beliebig anwendbar und verhältnismäßig wenig aussagend zu sein. (Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang zum Beispiel gerne an die Grundthese Thomas Bernhards, Österreich bestünde im wesentlichen aus katholischen Nationalsozialisten, eine Ausnahme bildeten hierbei lediglich die nationalsozialistischen Katholiken.) Aber kommen wir abgesehen vom durchaus legitimen Mittel der Vereinfachung bei der Verdeutlichung eines Gegenstandes zurück zum Buch, indem ich versuche zu erklären, was mir an dem Buch, obwohl es mir gefällt, nicht recht schmecken will. Mir wäre es lieber gewesen, der Autor hätte gesagt: Heidegger ist ein alter Nationalsozialist (obwohl man hier die Frage stellen könnte, wer zu jener Zeit nicht Nationalsozialist gewesen ist) und darüber hinaus verwendet er noch eine Sprache, die an Ungenauigkeit und Pseudodichterei, kurz an Geschwurbel und Geschwubbel, keine Wünsche offen lässt. Genau dies sagt Noll aber nicht. Er sagt: Heidegger ist ein Nationalsozialist und das lässt sich an seiner Sprache unmittelbar ablesen oder einmal heideggerisch ausgedrückt: da der Nationalsozialismus das eigentliche Seyn Heideggers ausmacht, also jenen Punkt definiert, wo das uneigentliche Dasein sich in die eigentliche Existenz lichtet, ist alles was Heidegger sagt, denkt und tut Nationalsozialismus (wobei ich Nolls These, dass Heidegger wesentlich interessanter ist in der Frage, was er nicht sagt, nicht denkt und nicht tut ausdrücklich zustimme, was den Autor wahrscheinlich aber nichts bringen wird, denn Heidegger hat ja von sich selbst und seiner Philosophie nichts anderes gesagt). (Die Differenzierung zwischen Selbst und Philosophie hält Noll übrigens - wie überhaupt jede Form der Differenzierung - für ausgesprochen verachtenswert, da wie gesagt, in seinem Verständnis das Selbst Heideggers (nietzscheanisch ausgedrückt: sie Summe seiner Willen) gar nichts anderes wollen kann, als den Nationalismus oder anders gesagt: das Selbst Heideggers nichts anderes beinhaltet, nichts anderes ist und eben auch nichts anderes will als Nationalsozialismus). Um es gleich zu sagen, mit beeindruckender Sammlerleideschaft findet Noll dutzende Zitate Heideggers, die diesen als Antisemiten und Nationalsozialisten eindeutig identifizierbar machen. Ins Auge fällt dabei auch die Dankbarkeit des Autors darüber, dass Heidegger wenigstens in diesen Punkten Klartext gesprochen und nicht sein übliches Geschwurbel angewandt hat. Die Feststellung, dass sich antisemitische und nationalsozialistische Aussagen bei vielen geistig Produktiven dieser Zeit finden - Thomas Mann, Knut Hamsun, Ezra Pound, Gottfried Benn, Ernst Jünger, Curzio Malaparte, Louis Ferdinand Celine, Gabriele D'Annunzio, Wladyslaw Klima, Oswald Spengler, Pierre Dirieu la Rochelle, um ein paar zu nennen, führt uns bei Noll auch nicht weiter, da diese Autoren und ihre Aussagen (was bei Noll wie gesagt dasselbe ist) in dessen Augen selbstverständlich genauso verdammenswert sind wie Heidegger, der in Nolls Auffassung noch dazu das Unglück hat, mit seinen Aussagen in der Tat völlig identisch zu sein. Ich frage mich nur, wohin uns die Noll`sche Methode führen wird, wenn wir die Hälfte des europäischen Geistes in den Giftschrank stellen müssen und nicht einmal mehr kritisieren dürfen - denn Noll fordert ausdrücklich die Verdammung, nicht die Kritik. Erhellender wäre es gewesen, hätte Noll seine Methode nicht so enggeführt oder etwas weiter gefasst, im Sinne einer Kritik an der Sprache der Totalität am Beispiele Heideggers. Meines Erachtens wäre das fruchtbarer gewesen, denn Heidegger ist ja nicht der einzige, der totale Sprachelemente in seinen Jargon einführt. Werfen wir hier z.B. einmal einen Blick auf den typischen Jargon der Linken, am Beispiel eines Textes der RAF: "Die Identität im Ziel kann und muß als gemeinsames subjektives Moment für die Einheit der Revolutionäre und für die bewußte Vereinheitlichung der revolutionären Kämpfe im Zentrum bestimmt werden. Der revolutionäre Kampf braucht die Vertiefung der subjektiven und politischen Bewußtseinsprozesse, d.h. die existentiellen Erfahrungen im System zum politischen Begriff der Situation, eigene Vorstellungen und Ziele bestimmend sich klar zu werden über die objektiven Bedingungen, die dagegen stehen und gegen die die Umwälzung durchgesetzt werden muß." So stellen wir fest, dass Geschwurbel und Geschwafel, bzw. die Verwendung totalitärer Sprache in Deutschland keineswegs ein Privileg der "rechten Werkmeister" ist, sondern dass dieser Hexenbesen auch noch in anderen Stuben zu finden ist, übrigens auch in ansonsten durchaus reinlichen und demokratischen. Solche Erkenntnisse entgehen Noll jedoch vollständig. Aus dem einfachen Grunde, weil er Heidegger als herausgerissenes Phänomen - als den "Führer des Führers" sehen will - und nicht in den Kontext des in Deutschland bisher Gedachten setzt. Klarer ausgedrückt, die Art und Weise wie Heidegger denkt, hat mehr mit dem zu tun, wie in Deutschland ganz allgemein gedacht wird - insofern überhaupt noch gedacht wird - als mit der zeitlich doch arg begrenzten Erscheinungsform des historischen Nationalzozialismus. In meiner Einschätzung war Heideggers Intention, von mir aus auch seine Mission die Überwindung der Metaphysik, weil er den Grund des Nihilismus in der Art und Weise ausgemacht zu haben glaubte, in der bislang gedacht worden ist. Dass er dabei beim Nationalsozialismus gelandet ist, ist bedauernswert, sagt aber meines Erachtens noch nichts über den Sinn oder Unsinn der Entwicklung eines nicht-metaphysischen Denkens per se aus. Noll freilich sieht dies ganz anders. Bei Noll steht grundsätzlich jegliche Form transzendenten Denkens, d.h. eines Denkens, das über empirisch exakt erfassbare Gegenstände hinausgeht (also streng genommen auch die beiden wesentlichen deutschen Metaphysiken Kants und Hegels), im Ruch der Obskurität, von der es dann nicht mehr weit bis zum Verbrechen ist. Noll offenbart hier nicht zuletzt seine eindimensionale Sicht auf den Menschen, die ihn ironischerweise - methodisch, nicht inhaltlich - in die Nähe jener rückt, von denen er sich am deutlichsten distanzieren will. Ich finde aber, wir sollten im Interesse einer notwendigen Entsteifung und Verflüssigung des Denkens vorerst noch auf der Differenz zwischen Inhalt und Methode bestehen bleiben.
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