Gespräch mit dem Kamel
Ist denn die Sprache allein das, was das Menschenwesen
ausmacht? Es gilt: das Tier hat keine Sprache. Ich bin
mir da nicht mehr so sicher, seitdem ich mich in Ägypten
einmal mit einem Kamel unterhalten habe. Ich sagte so
etwas ähnliches wie: man, du stinkst aber gewaltig. Es
sagte so etwas wie: was willst du von mir, ich bin ein
Kamel, der Sinn eines Kamels besteht geradezu darin,
wie ein Kamel zu riechen, röche es nach einem Hund
oder nach Veilchen, so wäre es kein Kamel. Das leuchtete
mir sehr ein, bis ein Ägypter auftauchte, der mich dahin
zu drangsalieren suchte, einen Ausritt auf dem Kamel zu
unternehmen. Ich war verärgert, da meine Zwiesprache
mit dem Kamel auf diese jähe Weise unterbrochen worden
war. Ich lehnte es auch ab, auf dem Kamel zu reiten, da
ich gerade zu dem Schluss gekommen war, dass der Sinn
dessen, ein Kamel zu sein, darin besteht, ein Kamel zu sein,
und nicht darin, dass man auf ihm herumreitet. Mir schien
das eher einen Menschensinn zu sein, der dem Kamel, in
diesem Falle aus rein geschäftlichen Gründen, übergestülpt
worden war. Für den Ägypter hatte das Kamel im Gegenteil
geradezu ausschließlich den Wert, dass man auf ihm reiten
könne. So hatten es die Menschen seit Jahrtausenden
getrieben, einer Sache, die an sich keinen Sinn hat, worin
ihr ausgesprochener Wert besteht, hatten sie einen Sinn
übergestülpt, allerdings nicht im Sinne der Be-, sondern
der Ver-wertung, der Nutzbarmachung. Es gab für sie also
blödes Vieh und gutes Vieh, Nutzvieh. Diese gängige
Verwertungspraxis fingen sie irgendwann an, auf alles andere,
besonders auch auf andere Menschen zu übertragen. Vor
lauter Ver-Werterei trat eine babylonische Verwirrung in
die Welt. Zu einer Zeit sahen einige ganz Ver-rückte sogar
die alten Werte schwinden und dass noch keine neuen zu
sehen waren, erfüllte sie mit Blut und Gram. Es war
inzwischen so viel in die Dinge hineingelegt worden, dass
sie einfach unter ihrer Last zusammengebrochen sind.
Das Gezeter unter den gackernden Hühner, den aufgeblasenen
Pfauen und sonstigem ehemals edlem Federvieh war groß.
In einer Gedankenlosigkeit, die dem Menschenschlag
entsprach, beschuldigte man die Dinge, keinen Wert mehr
zu haben. Als könnte das Kamel was dafür, dass es über
die Zeiten seinen Wert eingebüsst hatte. Ihre eigene Schuld
an der Misere der Jahrtausende übersahen die Gackernden
geflissentlich: dass sie es gewesen waren, die das ganze Zeug
in die Dinge erst hineingedichtet und –gedrängt hatten,
dessen Fehlen sie nun gramgebeugt bezeterten. Wer kennte
sie nicht, die Geschichte des Nichts in den Zeiten? Aber
wer kennte sie doch? Und wer ist nicht erblindet, der
sie sah? Wem rutschte nicht die Stimme in den Bauch?