Die Sprachnachricht, die niemand will
Ja, die Sprachnachricht. Wir hatten sie theoretisch schon seit Jahren, doch hat Whatsapp dieses Feature nun seit einiger Zeit an prominenter positioniert und damit in meinen Augen die informationstechnische Büchse der Pandora geöffnet, ja die endgültige Kommunikationsapokalypse eingeleitet. Ein Kommentar/Rant.
![]()Was ist geschehen?
Menschen, die eigentlich immer zu schüchtern waren, auf einen Anrufbeantworter zu sprechen laufen nun durch die Stadt und blöken ununterbrochen ihr Gewäsch in ihre Geräte. Sie sind noch immer zu schüchtern zum Telefonieren, jedoch leider auch zu faul zum Tippen.
Dieses Verhalten beobachte ich in meinem Bekanntenkreis bei Leuten, die bereits durch eine unangenehme Selfiekultur zu den Höhepunkten des Facebook-Daseins beitrugen. Man hört seine eigene Stimme so gern, und möchte die anderen auch an der Eloquenz teilhaben lassen. Außerdem hat man keine Zeit zum Tippen, weil Instagram schon wieder 11 Benachrichtungen gepiepst hat.
Wie kommt so eine ungefragte Sprachnachricht bei mir an?
In meinen Augen ist die häufige Verwendung von Sprachnachrichten ein Ausdruck grenzenloser Arroganz. Es sagt so viel wie „Nimm dir mal ein paar Minuten Zeit, das Blabla zu hören, das ich jetzt mal schnell zwischen Tür und Angel loswerden wollte. Hör es dir ruhig zwei, drei Mal an, falls du was nicht verstehst, ich musste das jetzt mal schnell loswerden!“. Viele meinen das nicht so, ich weiß, sie drücken es aber dennoch aus.
„Ich nehme mich sehr wichtig und dich eher nicht so wichtig“
Sprachnachrichten kann ich mir anhören, wenn ich alleine zu Hause auf der Couch sitze und gerade NICHTS tue. Also praktisch niemals.
Ansonsten sind sie einfach nur invasiv und nervig.
Dezent im Meeting abhören? Nein
In der Straßenbahn abhören? Nein
Im Restaurant? Nein
Im Café? Nein
![]()Leider ist das Bewusstsein dafür kaum vorhanden, sodass man immer wieder sieht, wie Leute diese Messages in unangenehmen Momenten abhören. Häufig sogar so, dass Unbeteiligte die Nachricht mithören können/müssen.
Wenn ich die Sprachnachrichten, die ich so empfange, analysiere, dann sind eigentlich alle von maximaler Ineffizienz geplagt. Die ganze Zeit hört man nur Ähhh und Öhhm und Gewäsch, das einwandfrei in zwei geschriebene Sätze statt in zwei Minuten Audio gepasst hätte. Und wenn man zu faul ist, seinem gegenüber ein paar anständige Zeilen zu schreiben, dann hat man dessen Aufmerksamkeit auch nicht verdient.
„Entschuldige die Länge des Briefes, ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen“
Je nach Quelle wird folgendes Zitat mal Goethe, mal seiner Schwester, aber auch Voltaire, Twain, Marx oder Pascal zugeschrieben.
Wem auch immer diese Zeilen nun zuzuschreiben sind, der- oder diejenige hatte zumindest noch den Anstand, sich im Vorfeld für das nicht reflektierte Gewäsch zu entschuldigen. Heute jedoch ist das Gewäsch zur Tugend geworden, weil unsere Gehirne scheinbar nicht mehr in der Lage sind, mehr als zwei Zeilen aneinander gereihten Text auf einem Smartphone zu lesen.
Versteht mich nicht falsch. Es gibt ja durchaus Menschen, die sich gerne Sprachnachrichten hin und her schicken, weil sie scheinbar vergessen haben, wie Telefonieren funktioniert. Diese Menschen spreche ich hier gar nicht an, weil sie sich freiwillig in die Hölle des hohlen Gewäschs begeben.
Ich rede von denen, die mir auf einen knackig formulierten Text mit 90 Sekunden informationsarmen Gewäsch antworten, weil sie gerade im Supermarkt vor den Cornflakes stehen. Das kommt bei mir als Empfänger als Ausdruck geringer Wertschätzung an, so wie ich ihn gern in Form von Emojis verwende: 🆗🆒
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Sorry, @bee-me . Ich wollte ja eigentlich als nächstes ein Rezept posten. Ich musste jedoch vorher schnell mit diesem Rant etwas Dampf ablassen :D Der nächste Post wird ein Rezept, versprochen! :D