Ich hab dich lieb Oma

(In Erinnerung an meine Oma Ruth)

Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind schon so ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend verspürte, wenn ich der Meinung war, dass irgendetwas passieren würde. Manchmal hatte ich dieses Gefühl. Zum Beispiel damals, als wir aus dem Urlaub zurückkamen und unsere Nachbarin auf unsere beiden Katzen und die drei Wellensittiche aufgepasst hatte. Ich hatte ein ungutes Gefühl, was unseren Wellensittich Charlie betraf und sagte zu Mama noch während der Autofahrt, dass ich glaubte, dass mit ihm etwas passiert sei. Als wir zu Hause angekommen waren musste ich mit Entsetzen feststellen, dass unser Kater Felix, Charlie in unserer Abwesenheit attackiert hatte und ihn tötete.

Natürlich kann man das nicht mit dem Tod eines geliebten Menschen vergleichen, aber an jenem Tag hatte ich wieder dieses merkwürdige, schwer zu erklärende Gefühl in der Magengegend, als ich von der Schule nach Hause fuhr. Als ich an unserer Haustür klingelte und Mama mir öffnete, sagte ich zu ihr:“ Mama, irgendetwas ist mit Oma.“ Mama´s Gesicht wurde kreidebleich, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie nahm mich beiseite, wir setzten uns gemeinsam an den Küchentisch und sie erzählte mir, dass es Oma überhaupt nicht gut geht. Kurz darauf fuhren wir zu ihr und ich fand eine im Bett liegende Oma vor, die so schwach war, dass sie kaum mehr sprechen konnte. Sie hatte große Schmerzen in der Magengegend und ich fragte mich wieso ihr keiner half. Wieso rief niemand den Krankenwagen? Ich war etwa 13 Jahre alt und Oma Ruth, war meine liebste Oma. Mein Opa war irgendwie komisch und er kam mir etwas gefühlskalt vor nun da ich mich daran zurückerinnere. Ich war verwirrt. Meine Mama war mit der Situation überfordert, also lief ich mit meinen 13 Jahren zum Telefon und rief den Notdienst an, der dann etwa 20 Minuten später kam. Noch bevor der Notarzt kam, setzte ich mich zu Oma Ruth ans Bett, streichelte ihre Hand und sagte zu ihr:

“ Ich hab dich lieb Oma.“

Zart hauchte sie den Satz:“ Ich dich auch.“ zurück, dann war sie nicht mehr ansprechbar und der Krankenwagen nahm sie mit in das nahe gelegene Krankenhaus. Das war das letzte Mal, dass ich Oma Ruth sah. Sie nahm unseren Hausschlüssel immer zu sich mit nach Hause. An diesem Montag allerdings nicht. An diesem Montag hängte sie ihn schön säuberlich an den Schlüsselhaken in unserer Küche und fuhr nach Hause. Einen Tag später wurde sie krank.