Ein Wochenende in der Lüneburger Heide

in #deutsch7 years ago

Anlaß unseres Wochenendausfluges war die Taufe unserer jüngsten Enkeltochter. Ich hatte in der Nähe unseres Täuflings ein Zimmer in einem kleinen aber sehr feinem Hotel gebucht. So konnten wir nach ausreichend Schlaf und einem feudalem Frühstück nach kurzem Weg den Ort der Taufe und den Ort der Tauffeier schnell erreichen. 

Der Weg nach Bergen führt unmittelbar an der Gedenkstätte Bergen-Belsen vorbei. Ich bin da schon so oft daran vorbei gefahren und habe mir immer wieder gesagt "irgendwann siehst du dir das mal an". 

Nach einem ausgiebigen Frühstück in unserem Hotel heute morgen fuhren wir noch zur Familie um uns zu verabschieden. Wir waren recht früh in der Zeit und so konnte ich es mit dem Haibus gemütlich angehen lassen. Nach dem ich das erste Hinweisschild Bergen-Belsen las, sagte ich zu Dagmar "wir liegen so gut in der Zeit, auf unseren Tiersitter (Papageien) ist Verlass, was hälst Du davon, wenn wir an der Gedenkstätte einen Zwischenstopp einlegen und uns das mal ansehen". Dagmar war einverstanden, also steuerte ich direkt auf die Gedenkstätte zu und suchte mir davor einen Parkplatz. Es standen lediglich ein Dutzend Fahrzeuge auf dem großen Parkplatz. 

Also gingen wir bei gutem Wetter, naja etwas windig war es schon und die recht niedrige Temperatur und den hohen Betonmauern im Eingangsbereich ließ mich ein wenig frösteln. Wir entschlossen uns zunächst den Außenbereich zu besichtigen. Der Fußmarsch tat uns gut und durch die Bewegung wurde uns auch etwas wärmer. 

In regelmäßigen Abständen konnte man an sog. Lesesäulen eine kleine Marschpause einlegen und sich über den Standort informieren. Nach einer weiteren Wegstrecke tauchte das erste Massengrab mit etwa 1000 Opfern auf. Auf dem sehr großen Gedenkstein waren nach jüdischem Brauch hunderte kleine Steine aufgelegt. Auch wir suchten uns jeweils einen kleinen Stein und legten diese auf die anderen Steine. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals als ich der Opfer gedachte. Irgendwie umgibt der gesamte Ort eine Atmosphäre der Demut und eine bestimmte Art der Ergriffenheit. Es geht wahrscheinlich jedem etwas anders, aber bei mir waren es schon heftige Gefühlszustände.

Wir gingen noch eine ganze Weile durch typische Heidelandschaft, alles grün und viele Bäume. Ich sagte noch zu Dagmar "wenn Bäume reden könnten.............".

Plötzlich hielt Dagmar inne, blieb stehen, legte ihren Fingen über ihre Lippen und gab mir dadurch zu verstehen auch stehen zu bleiben und still zu sein. Dann sagte sie " hörst du das?", ich fragte sie "was meinst du". Dann sagte sie "man hört nichts, es zwitschert kein Vogel, kein Specht hämmert in einen Baumstamm, keine Grillen, absolut nichts war zu hören, außer dem Wind, der immer noch seine kühle Kraft versprühte. 

Es war eine Totenstille, gespenstisch und unheimlich. Dieses Erlebnis treibt mich schon den ganzen Tag um und ich kann es nicht vergessen. Deshalb musste ich das jetzt mal hier loswerden.

Jedenfalls haben wir nach einer guten Stunde Fußmarsch unseren Besuch abgebrochen, allerdings mit der festen Absicht unsere Besichtigung ein anderes mal mit mehr Zeit zu Ende zu bringen. Wir hätten dies auch heute tun können, aber eine Stunde zu Fuß ist zur Zeit bei mir die max. Belastungsgrenze.

Bis dahin werde ich diese Stille nicht vergessen.


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