#284 Für Sergey (Sanftmut) – Ein Kurs in Wundern
„Dein Ego steht nie auf auf dem Spiel, weil GOTT es nicht erschaffen hat.“ - EIN KURS IN WUNDERN, T-4.I.7:8
Die heutige Folge möchte ich gern Sergey widmen. Denn vor einigen Tagen habe ich erfahren, dass er seinen Weg zurück zu GOTT angetreten ist. Ich fühle Trauer darüber, dass er sein sanftes Sein jetzt hier nicht mehr mit uns teilen kann – und doch kann ich nicht mal sagen, dass ich Sergey kannte. Ich weiß nur, dass er mein Herz unzählige Mal berührt hat, einfach nur durch seine Präsenz.
Sergey saß oft vor dem EKZ Mercado in Hamburg-Ottensen auf der Straße und sammelte Spenden. Er freute sich immer über alles, was man ihm zukommen ließ. Fast zwanzig Jahre lang war der Platz vor dem Laternenpfahl gegenüber des EKZs sein Ort. Er saß dort mit einer unfassbaren Würde, einem Sanftmut und einer Ruhe. Für mich war er deshalb nicht – so wie ihn manche bezeichneten – ein Bettler, sondern für mich war er wie ein getarnter Zen-Meister. Seine Sanftmut war schlichtweg unwirklich.
Die Welt steht Kopf
Diese Ruhe, Sanftmut, große Güte und Dankbarkeit, die Sergey stets für alle Menschen hatte, sie war einfach nicht von dieser Welt. Ich hab ihn oft bewundert dafür, dass er so eine Ruhe und Güte ausstrahlte – in einer Situation, mit der viele von uns bestimmt ganz anders umgegangen wären. Ich hatte immer einen großen Respekt davor, was seine Seele sich für dieses Mal hier sein ausgesucht hatte.
Die laute Welt des Ego hat viele Helden und eine spannende Idee davon, was bewundert werden sollte und was nicht. Doch sagt Ein Kurs in Wundern nicht umsonst so oft, dass das Ego die Welt auf den Kopf gestellt hat: „Ein Wunder kehrt die Wahrnehmung, die vordem auf dem Kopf stand, um, und also macht es den seltsamen Verzerrungen ein Ende, die manifest waren.“
Wenn die Gaben GOTTES alles sind, was wir wahrhaft miteinander teilen können, dann hat wahres Geben nichts mit materiellen Dingen zu tun. Wir können nur geben, was ewig währt oder uns zurück gen Ewigkeit führt. Es sind geistige Geschenke, die wir wahrlich geben: Dankbarkeit, Liebe, Güte, Verständnis und Frieden etc.
So ist die Frage für mich: Wenn du irgendwann diese menschliche Hülle wieder abstreifst, was glaubst du, bleibt dann? Was nimmst du mit? Ich glaube, es sind diese Momente, die wahren Dinge, die wir mit Menschen geteilt haben, die ihr Herz berührt haben, die für sie einen inneren Unterschied gemacht haben. Und das hat Sergey geschafft. Er hat so viele Menschen berührt. Es ist unglaublich schön zu sehen, dass der Platz um seine Laterne herum derzeit von Blumen, Kerzen und Beileidsbekundungen umgeben ist.
Sanftmut
Es ist schwer zu beschreiben, warum Sergeys Präsenz so einen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Ich habe lang überlegt, welches Wort ich am passendsten dafür finde und ich glaube, es ist das Wort Sanftmut. In all der Zeit, in der ich Sergey immer mal wieder in Ottensen begegnet bin, hab ich ihn immer herzlich, würdevoll, klar und dankbar erlebt. Er hat uns gesehen, wirklich gesehen. Und wir haben versucht, ihm dasselbe zu geben. Ein Kurs in Wundern sagt über die Sanftmut (und offensichtlich wird hier die Bibel herangezogen): „Die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen, weil ihr Ego demütig ist, und das verleiht ihnen eine wahrere Wahrnehmung.“
Sergey saß nicht nur auf der Straße, um Geld zu sammeln, sondern er hatte auch eine körperliche Behinderung. Auch deshalb spürte ich keinerlei Hadern von ihm. Und wenn, dann hab ich es nicht bemerkt. Denn er hatte die Größe, es nie an jemandem auszulassen oder zu jammern.
Wenn ich an ihn denke, dann kann ich mir nicht helfen und denken, dass er so viel, so richtig gemacht hat – auch wenn es auf den ersten Blick für manche von uns nicht so wirken mag. Jedoch sagt der Kurs: „…denn du kannst nicht zwischen Fortschritt und Rückschritt unterscheiden. Einige deiner größten Fortschritte hast du als Misserfolge beurteilt, und einige deiner größten Rückschritte hast du als Erfolge gewertet.“
Was ich weiß ist, dass Sergey die Herzen der Menschen in Ottensen berührt hat. Das wird er in die Ewigkeit mitnehmen und das ist ein wundervoller Erfolg, der vielen Menschen, die vielleicht auf das Ego “erfolgreich“ wirken, nicht gelingt. Wie gesagt, wir nehmen keine materiellen Dinge mit, sondern nur die Liebe, Vergebung und Güte, die wir miteinander hier teilen.
Jesus in Lumpen
Ich denke grad auch an Jesus. Weltweit gibt es in der Zwischenzeit über 2 Milliarden Christen. Als Jesus als Mensch vor 2.000 Jahren hier war, wurde er jedoch von vielen von uns missachtet und verspottet. Jesus war weder reich, noch wurde er in einem Palast geboren. Seine Eltern waren keine hochangesehenen Menschen, die Status besaßen. Diese Umstände haben dazu geführt, dass ihn zu Lebzeiten viele nicht als den Messias anerkannt haben. Das Ego hat nun mal seine sehr spezifische Idee davon, wie ein Messias auszusehen und zu sein hat.
So hat das Ego auch eine bestimmte, sehr festgefahrene Idee davon, was einen erfolgreichen Menschen ausmacht. Ich habe somit die Vermutung, dass uns so wohl hier – über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg – viele sanftmütige und große Seelen entgangen sind, lauter Jesuse in Lumpen. Abgelenkt durch das Glitzern der äußeren Welt übersehen wir, dass das Ego uns in Wahrheit nichts bietet außer Illusionen. Wir erwarten viel zu wenig, wenn wir nach den Regeln des Ego durch diese menschliche Erfahrung gehen.
Ich würde gern diese Definition darüber herausfordern, was wir unter Erfolg und einem gut gelebten Leben verstehen. Können wir uns alle mal immer wieder eine Minute nehmen und uns hinterfragen, was unseren Wert wirklich ausmacht? Sind es tatsächlich die Dinge, die du besitzt oder sind es doch die Herzen, die du berührt hast?
Für mich sind es die Menschen, die allesamt leichter atmen, weil es dich gibt oder – wie bei Sergey – gegeben hat. Sergey ist meine Erinnerung, dass wir niemals eine Möglichkeit verschwenden müssen – egal, wer wir sind oder wo – die wahren Schätze mit der Welt zu teilen. Sie machen dich unvergesslich.
RIP Sergey, danke für dein Licht
Peri
Liebe Peri,
mal abgesehen davon, dass ich all deine Beiträge gerne lese, weil sie stets durchdacht und liebevoll verfasst sind, zum Nachdenken und Insichgehen anregen, ist dieser doch besonders bemerkenswert. Oh Mann! Sergey tut noch viel mehr - er berührt die Herzen posthum. Sehr bewegend empfinde ich ja bereits seine letzte Bitte für den Heimattransport seines Körpers, die aufmerksame Mitmenschen, vielleicht sogar echte Freunde für ihn organisieren. Doch auch die Art, wie du uns seine Geschichte nahebringst und es dir gelingt, den Bogen zu Jesus, den König der Armen, Kranken, Hilfsbedürftigen zu spannen, ist unschlagbar gut! Ich, die ich nun wirklich keinen Bezug zu Sergey habe, außer dass ich weiß, wo Ottendorf liegt, werde dank dir noch lange an ihn und das, was uns sein Sein auf Erden lehrt, denken.
Danke Sergey, danke Peri, dass du ihn in ergreifender Weise weiter leben lässt!
Ich drücke dich,
Chriddi