Unsoziale Bedingungen im sozialen Bereich!

in #deutsch7 years ago

Vielleicht irre ich mich, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass der soziale Bereich mehr als unsozial ist. Gestern bekam ich die Nachricht, dass ich doch diesen Sonntag einen Doppeldienst machen soll. Das heißt, dass ich Sonntag früh einen Dienst machen darf und am selben Tag einen Abenddienst. Defakto heißt es, ich komme um 6 Uhr zur Arbeit, darf bis 14 Uhr arbeiten und komme 2 Stunden später wieder, um bis 21 Uhr zu arbeiten. Als Dank darf ich am nächsten Tag um 6 Uhr morgens zur nächsten Schicht.

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Vielleicht bin ich nicht belastbar genug, aber an solchen Tagen komme ich an meine Grenzen. Diese Situation ist auch kein Einzelfall.

Der Punkt ist nun der, dass man im sozialen Bereich nicht einfach NEIN sagen kann. OK, praktisch kann man das, aber man kämpft gleichzeitig mit dem eigenen Gewissen, man weiß genau, dass ein Arbeitskollege aus seinem freien Tag kommen muss, um einen Dienst zu übernehmen. Das Problem dabei ist, man kann seine Arbeit nicht auf den nächsten Tag schieben, weil Menschen eben jetzt Hilfe brauchen und nicht morgen, übermorgen oder nächste Woche.

Warum werden Pflegeberufe und der gleichen so schlecht bezahlt ?? Ein entscheidender Punkt ist, wie schon erwähnt der, dass niemand auf die Straße gehen kann um sich zu beschweren. Wie soll man gegen die Arbeitsbedingungen streiken, wenn man im ständigen Gewissenskonflikt zu seinen Patienten ist, die absolut NICHTS für die Arbeitssituation können. Also sagt man weiterhin JA und AMEN. Natürlich, das ist nicht der einzige Grund für die schlechte Bezahlung. Ich werde demnächst einen Artikel verfassen in dem ich versuche zu erläutern warum der Soziale-Bereich so schlecht bezahlt wird.

Jetzt bleibt für mich nur die Möglichkeit:“Augen zu, und durch.“Dennoch ist es für mich ein Phänomen und ein Paradoxon. Der soziale-Bereich, erscheint mir oft der unsozialste Arbeitgeber in Deutschland zu sein.

Ich möchte, aber nochmal klar stellen, dass ich den Beruf trotz den Umständen gerne ausübe. Es ist beruflich und persönlich eine große Bereicherung. Trotz großer Differenzen gibt es viele schöne Momente, die mir das Gefühl geben einiges richtig gemacht zu haben.

Heute habe ich noch frei, deswegen mache ich es mir auf der Terasse schön

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Liebe Grüße
John B.

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Erstmal: tolles Banner.

Der Punkt ist nun der, dass man im sozialen Bereich nicht einfach NEIN sagen kann. OK, praktisch kann man das, aber man kämpft gleichzeitig mit dem eigenen Gewissen, man weiß genau, dass ein Arbeitskollege aus seinem freien Tag kommen muss, um einen Dienst zu übernehmen.

Ok, aber Du bist ja, so verstehe ich die Schilderung, derjenige, der aus dem Frei heraus einen zusätzlichen Dienst macht und damit auf gesetzlich geregelte Ruhezeiten verzichtet. Was Du aus versicherungstechnischen Gründen nicht tun solltest, weil die Haftung für Wegeunfälle auf Dich übergeht ...
Bei Doppelschichten kommt doch jeder an seine Grenzen.
Wenn die Arbeitsbedingungen so bleiben, daß jeder an der Grenze seiner Belastbarkeit arbeitet, schadet das den Patienten doch auch! Und woanders haben Pflegekräfte ja schon in großer Zahl gestreikt.

Ich bin auf den Finanzierungsartikel gespannt.

Hey @iasarmoewe,
schön mal wieder etwas von dir zu hören 😊. Ich gebe dir natürlich in deinen genannten Punkten Recht. Allerdings geht es in dieser Sache um den Gewissenkonflikt meinerseits. Wenn jemand für mich einsspringen muss der vielleicht Familie mit Kinder hat oder jemand der vielleicht so oder so schon seit 10-11 Tagen am schaffen ist, macht mir das ohnehin ein schlechtes Gewissen. Natürlich könnte ich rein rechtlich nein sagen, aber ich weiß, dass meine Arbeitskollegen in der gleichen Situation stecken, in der ich stecke.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend 😊!

LG
John B.

Da sitzen wir ja gemeinsam im gleichen (manchmal gefühlt sinkenden) Boot... Ich kann manchmal auch nicht fassen, was man alles so neben bei aufgebuckelt bekommt und je mehr man gibt, desto mehr wird gefordert, habe ich leider oft den Eindruck. Das Finanzierungssystem ist wirklich in einigen Bereichen, wie Pflege, Behindertenhilfe und Altenhilfe mehr als fragwürdig reglementiert...
Du leistest dennoch tolle Arbeit, ich weiß ja, wie sehr dich deine Patienten schätzen, daran kannst du ja an diesem freien Tag denken oder die Arbeit, nach dieser Reflektion, mal ganz aus dem Blickfeld verbannen =D
Das tut immer gut!

ohjee diese Doppelschichten - ich könnt k....n ! Meine Verlobte hat diesen Griff ins Kloo auch am Pfingstmontag und darf so in der Pflege Arbeiten - ne Knüppeln. Ihr seit halt eine Machine die optimal eingesetzt wird. Die Kosten und ökologi des doppelten Arbeitsweges braucht dem AG nicht zu interessieren, ist ja nicht seine Suppe die er aussüppeln muss. Für die AG in der Pflege/Sozialen Bereichen läuft doch alles optimal - Gewinnmaximierung bei Vollbelegung und dünne Personaldecke also warum sollte da Spahn oder sonst wer groß was ändern. Ihr die Mitarbeiter der Pfelge seit drann - unglaublich wie viele Einrichtungen auch größere nicht organisiert sind, gründet Betriebsräte, diese dann gut schulen und dem AG die Grenzen setzen .....meine kleine Meinung, die musste jetzt aber mal raus und John - genieße deine freie Zeit

Hey @foxiuser,
leider Gottes geht es hier tatächlich um Geld. Man merkt immer mehr, dass es hierbei um Gewinne geht und nicht um ein qualitative Pflegeeinrichtung. Damit meine ich nicht meine Arbeitsstelle sondern die meisten.
Ich werde dem Thema demnächst auf den Zahn fühlen und mal schauen was dort ökonomisch und politisch vor geht.

Danke für dein Kommentar und gutes gelingen an deine Verlobte. 😊

LG
John B.

Das kommt immer dabei raus, wenn ein Staat den Leuten zuerst ihr Geld abpresst, sien Funktionäre damit bezahlt und den Rest weiterreicht, um damit die eigentlich bestellte und bezahlte Leistung zu bezahlen. Es fehlt dann halt immer mindestens der Teil, den sich die Funktionäre eingesteckt haben.
So geht Staatswirtschaft, so geht Sozialismus. Frag mal die aus dem Osten, wenn die alt genug sind, kennen die das.

Hey @dzone,
du hast wahrscheinlich Recht. Hier geht es um Geld, dass nicht an dort ankommt wo es hin soll. Dies wird wharscheinlich zusätzlich durch Korupption vertuscht.

LG
John B.

Dazu braucht es keine Korruption, die gute alte Planwirtschaft reicht da völlig.

Hallo John,

da sich die meisten Einrichtungen sowieso nicht in staatlicher Hand befinden, werden die Rufe nach dem Staat nicht sonderlich erhört werden. Außerdem, und darüber wird fast gar nicht geredet, machen sich bei mir hier in Kroatien Monat für Monat Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich auf nach Deutschland, weil sie endlich vernünftig für ihre Arbeit entlohnt werden möchten. So bedarf es nicht viel Fantasie um zu erahnen, was hier vor Ort bezahht wird.
An dem Beispiel erkennst du einen Grund, warum Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern sehr zäh verlaufen können.
Aber wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass es sich um kein reines Pflegeproblem handelt. Fast der ganze Serviceleistungsbereich ist betroffen. Wie lange steht eine Friseurin, Hotelfachfrau oder Koch auf den Beinen um unsere Wünsche zu erfüllen. Riskiere am Monatsende einen Blick in deren Geldbeutel - dann weißt du, mit wem du deine berechtigte Frustration teilen kannst.
Tut mir leid, ich hätte auch dir lieber einen Lösungsvorschlag mit auf den Weg gegeben.

Aber zumindest Grüße habe ich für dich

Wolfram

Sehe es bei einer Bekannten im Krankenhaus auch, dass es ständig vorkommt, dass die gesetzlichen Ruhezeiten aus Personalmangel nicht eingehalten werden. Da gehts aus der Spätschicht gerade mal 6 Std. nach Hause und dann direkt weiter mit der Frühschicht. Ein wirklich schrecklicher Zustand.

Ja das stimmt. Meine Einrichtung ist aufjedenfall kein Einzelfall.

LG

Das kommt alles nur daher weil die Familie zersplittert wurde. Früher gab es sowas nicht da die Familie zusammen hielt und sich um die alten oder kranken gekümmert hat. Sprich, wir sollten wieder dahin zurück wovon wir entfremdet wurden.

Das sind noch wahre Familien wie in Büchern geschrieben. In vielen gehört es noch heute zum gang und gebe, dass man sich im alter unterstützt. Das Familie dort bleiben kann, wo sie aufgewachsen ist und wo sie glücklich sterben kann. Leider klappt es in einer Gesellschaft, in der nur auf virtuelle Zahlen geachtet wird, nicht mehr so ganz 😔.

LG
John B.

Erstmal willkommen im Klub! Auch ich kenne diese Problematik, da ich seit 25 Jahren in der Pflege arbeitet. Da hilft wirklich nur ein guter Betriebsrat. Unser hat da jetzt einen Riegel vorgeschoben, da das Ganze komplett gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen hat. Auch sonst setzen die sich in unserem Betrieb wirklich für uns ein und haben schon einiges bewirkt .
Ansonsten hilft nur eins - einfach mal "Nein" sagen! Glaub mir, das geht!
Mal das schlechte Gewissen an die Seite packen und dann dieses "schlimme Wort" sagen 😉 wenn man mal wieder gefragt wird, ob man z. B.an seinem freien Tag arbeiten kann.
Sonst ist es vorprogrammiert, das man diesen Beruf bald an den Nagel hängt, sein Burn- out hinter sich herschleift, der Freundeskreis sich minimiert oder im schlimmsten Fall, daß man wirklich alle Freude an seiner Arbeit verliert.
Ich wünsche dir ruhige Dienste-und sag mal "Nein"!

Ein guter Betreibsrat wäre echt die Lösung. Das schlimme Wort "Nein" habe ich in letzter Zeit schon öfter mal benutzt, aber wie du schon sagst, es fällt mir wirklich schwer.

Danke für dein liebes Kommentar :-)

LG

Nur immer dann wenn es uns schwer fällt nein zu sagen und die Grenze zu stecken, fällt es deinem Gegenüber umso leichter auf dich zurück zu kommen. Wen spannt man denn am leichtesten ein für solche Extraschichten?

Natürlich denjenigen der immer Ja sagt. Ich kenne das selbst auch. War auch nie ein Nein-Sager und kann es immer noch nicht so gut. Bei mir ist es ähnlich, denn ich arbeite mit Pferden und die sind nun mal 7 Tage die Woche auf Versorgung angewiesen.

Vor knapp 2 Jahren habe ich jemanden mit den Tieren ausgeholfen die einen schweren Schicksalsschlag erlitten haben. Da ich aber nach über einem halben Jahr aushelfen dort nicht fähig war auch mal Nein zu sagen, bin ich körperlich und psychisch weit über meine Grenzen gegangen. Natürlich holte man sich meine Hilfe ständig, das war ja auch ein leichter Weg.

Ich habe daraus gelernt, dass wenn wir nicht selbst auf uns achten, tut es niemand. Diese Leute waren wirklich nette Menschen und sie taten mir unglaublich leid. Aber trotzdem fühlte ich mich irgendwann nur noch ausgenutzt. Ich war aber selber Schuld, weil ich keine Grenzen gesetzt habe. Bis ich dann schließlich völlig ausbrannte. Ich habe mir geschworen sowas wird mir nicht nochmal passieren. Denn das ist es auch nicht wert. Und wenn dann sogar Gesetze ständig missachtet werden macht mich das echt sauer.