"Die gefühlte Katastrophe" (meine originale Kunst, 1989)

in #deutsch7 years ago

Wie ein Gast, der sich nicht zu erkennen gab, doch wiederholt zu Besuch kam, färbte seine Anwesenheit mein inneres Erleben dunkel ein und brachte Hoffnungslosigkeit und Trauer mit sich, ließ mich unbegründet Todesangst und Verzweiflung spüren. Kurzum, seine Besuche erschütterten mich innerlich, ohne zu wissen mit was ich es da eigentlich zu tun hatte. Es war diese innerlich gefühlte Katastrophe, die mich 1989 dazu brachte dieses Bild zu malen.

die gefühlte katastrophe, Gipsacryltechnick, Eitempera, Öl auf Leinwand, 60cm x 90cm

Es hat harte innere Arbeit bedeutet diesen hochgradig depressiven Gast zu enttarnen, zumal ich damals davon ausgehen musste, wie es auch die Psychologie zu dieser Zeit sah, was ich persönlich fühlte, schien ganz mir zu gehören und in meiner eigenen Verantwortung zu liegen. Vermeiden und Umschiffen der Gefühlslage war darum lange Zeit mein oberstes Gebot gewesen. Doch es ließ sich damit weder loswerden noch abmildern, eher diszipliniert ausspielen oder betäuben.

Heute kann ich sehr genau benennen, das mein Katastrophen-Gast Gefühle repräsentierte, die meiner Familiengeschichte angehörten. Er war der Inbegriff der ganzen Katastrophe des Nationalsozialismus, des Holocaust und des deutschen Zusammenbruchs bei Kriegsende in der persönlichen Tragödie meiner ostpreussischen Familie gewesen.

Soweit mir bekannt ist, wurde die Vererbung von "Stressschäden" , erstmals im Jahr 2014 von der Schweizer Hirnforscherin Isabell Mansuy an Mäusen untersucht und bis 2017 hat sich immer mehr in dieser Richtung wissenschaftlich bestätigt, dass erlittene Katastrophen und Traumen ihre emotionale Bandbreite innerhalb der Genetik entfalten und an die nachfolgenden Generationen ausgegeben wird.  Heilung war von höchster Wichtigkeit in meinem Leben und hat meinen Lebensweg bestimmt und bedeutete lange Zeit einen wesentlichen Antrieb in meinem Kunstschaffen.  

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Is ja spannend, ich glaub ja, da ist durchaus was dran.
Wir vererben viel mehr als nur unser Äusseres.

Liebe @karaminze,
ich möchte dir gern ein Buch empfehlen:

Sabine Bode: Kriegsenkel - Die Erben der vergessenen Generation

Ich finde es total klasse, wie du "unser Trauma" durch bildende Kunst kompensierst! Ich habe einen Psychotherapeuten konsultiert, dein Weg ist deutlich "schöner"!
Grats zum Talent!

Bedeutend wurde für mich 1992 der Film von Heike Sander "Befreier und Befreite", der mir erstmals verdeutlichte, was bei Kriegsende und vor allem auch in Ostpreussen, woher beide meiner Eltern stammten, geschehen war. Nach dem Film von Heike Sanders kam Bewegung in das tabuisierte Thema der Massenvergewaltigungen, trotz oder besonders wegen der ganz ordentlichen Portion öffentlicher Abwehrhaltung. Soweit ich das verfolgt habe, löste Günter Grass mit "Krebsgang" (2002) eine ganze Veröffentlichungswelle deutscher Erinnerungskultur aus ... erst ab da wurde die Zeit reif für das Thema, dass dann auch wesentlich Sabine Bode in ihren seelischen Kriegsfolgebüchern thematisiert, die 2004, 2009, 2011 zu Bestsellern wurden. Sie schafft darin ein Vokabular und eine Sprache für das seelische Leid und Vergessen des Krieges und bringt es in Beziehung zu unserer Gegenwart. Mein persönlicher Weg in dem Thema war so lang wie das Schweigen meiner Eltern umfassend war. Für das Thema war ich froh über Sabine Bodes Büchers und ihre Aufforderung die eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten und auch bestätigt zu sehen, dass sie da Dinge ganz ähnlich anschaut, wie ich es erfahren habe. Doch Wissen allein kann die traumatisierte Gefühlswelt nicht klären und auch die Kunst nicht, denn der künstlerische Prozess hat zwar therapeutische Qualitäten, die im Erkennen und sich selber wahrnehmen liegen, doch sie kann nur ein Baustein für Heilung sein.

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In 7 Generationen wächst sich sowas aus, deswegen müssen wir im Krieg gehalten werden.

In der Art indianischen Weisheit, ist davon gesprochen, dass unsere heutigen Handlungen 7 Generationen weit reichen, was eine besondere Betonung auf die Verantwortung legt, die jeder einzelne in seinem Handeln für die zukünftigen Generationen trägt. SInnverdreht habe ich den Eindruck, lese ich deine Antwort hier und ich bitte dich deine Gedanken hierzu etwas weiter zu fassen und mir noch einige Sätze dazu zu schreiben.

Wenn unsere Taten, Lebensweise usw noch 7 Generationen in meiner Familie fortbestehen, dann kommen auch die tragischen Dinge dazu, wie der Krieg. Die seelischen Wunden des einzelnen, der Familie und des Volkes werden genauso weiter getragen wie auch die guten Sachen wie Talent. So hab ich das gemeint :)