Die Rolex-Revolutionäre

in #deutsch6 years ago
In Präsent-20-Anzügen und mit seltsamen Frisuren kämpften die Anführer des Sozialismus für die Weltrevolution. Am Arm trugen sie dabei am liebsten eine sehr kapitalistische Uhr.

Nikita Chruschtschow scherte ein wenig aus. Der Mann, der Stalin als Führer der Sowjetunion nachfolgte, entschied sich für den rechten Arm , um seine Uhr zu tragen. Eine Abweichung von der sozialistischen Norm, die prominenten Führern der Linken den linken Arm für die Uhr vorzuschreiben schien. Und noch eine. Chrutschschow bevorzugte eine Uhr aus sowjetischer Produktion. Viele andere seiner kommunistischenFührungskollegen dagegen setzen auf Produkte einer ganz besonderen und sehr kapitalistischen Firma.

Fidel Castro und Che Guevara, Erich Honecker und Leonid Breshnew, sie alle trugen ihre Uhr links, als hätten sie das so miteinander verabredet. Und noch erstaunlicher: Genau wie der rumänische Machthaber Nicolae Ceausescu, der chinesische Revolutionsführer Mao Zedung und sein libyscher Kollege Muhammar Gaddafi entschiedens ie sich für Uhren der 1905 vom Kulmbacher Uhrmacher Hans Wilsdorf in Genf gegründeten Edel-Uhrenschmiede Rolex.

Genosse Rolex. Ein größerer Widerspruch zwischen behauptetem Anspruch und Wirklichkeit ist kaum denkbar. Rolex-Uhren gelten bis heute als Statussymbole ohne jedes Understatement: Modelle wie die von Che Guevara anfangs bevorzugte Seamaster sind klobig und sie glänzen golden oder silbern, eine drehbare Lünette strahlt zweifarbig und statt auf Lederarmbänder setzt der größte Luxusuhrenhersteller der Welt auf dicke Kettengliederbänder. Rolex steht nicht für Eleganz und Feingeist, sondern für Protz und Prahlerei. Technisch sind die Uhren aus der Schweiz zuverlässig. Geschmacklich aber ein Fall für Rüpel-Rapper, neureiche Sportler und überbezahlte Schauspieler.

Unter 4 500 Euro ist heute keine Rolex-Uhr zu haben, doch auch in der Zeit des Kalten Krieges waren die Schweizer Edeluhren nicht billiger. Fidel Castro trug dennoch gleich zwei - eine Rolex Day-Date, eingestellt auf Kuba-Zeit. Und eine Submariner, eingestellt auf Moskauer Zeit. Die behielt Castro auch um, als er Chruschtschow 1963 in Moskau besuchte. Bilder zeigen den Kubaner an einem Tisch im Kreml sitzend, Chruschtschow gegenüber. Castro hat eine Zigarre im Mund und zwei Rolex am Handgelenk.

Die Liebesaffäre des Revolutionärs mit Rolex hatte wohl schon vor der Revolution begonnen. Als seine Kämpfer dann Havanna einnahmen, ließ der Maximo Lider alle Uhren im kubanischen Rolex-Hauptquartier requirieren. Später beschenkte er Mitkämpfer mit der Beute: Che bekam erst die Seamaster geschenkt - Wert etwa 10 000 Euro. Später kam eine GMT Master dazu, heute 25 000 Euro wert.

Es ist nicht bekannt, ob es Castro war, der die Rolex-Manie in den Ostblock brachte. Klar aber ist: Unter den offiziell anspruchlos lebenden Führern der sozialistischen Welt galten teure Uhren stets als lässliche Sünde. Lenin brachte sich aus dem Exil einen Chronometer der Manufaktur Moser mit. Sein Nachfolger Stalin besaß eine Sammlung aus Taschenuhren von Tissot und Cartier. Und Chinas Führer Mao Zedung ließ in die Datumsanzeige seiner Date Just chinesische Zahlen schreiben, um immer up to date zu sein.

In der Führungsetage des sozialistischen Weltreiches war keine andere edle Uhrenmarke so verbreitet wie Rolex. Leonid Breschnew liebte nicht nur schnelle Autos und Ray-Ban-Sonnenbrillen aus den USA, er machte auch die gelbgoldene Rolex Datejust zum Standard für Revolutionäre. Erich Honecker hatte bald eine Uhr vom selben Modell. Als er Breschnew 1979 zur Feier des 30. Jahrestages der DDR empfing, umarmten sich zwei Markenbotschafter: Sowohl Honecker als auch Breschnew trugen eine Rolex Datejust in Gold.

Die edlen Zeitmesser und die nach außen bescheiden lebenden Staatsführer, das passt nicht richtig zusammen. Doch Breschnew bekam seine Rolex-Uhren offenbar von Staatsgästen geschenkt, die um seine Vorliebe für westliche Statussymbole wussten. Honecker dagegen konnte dank der Geschäftstüchtigkeit seines Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski ab 1987 in einem DDR-Rolex-Shop Uhren kaufen, die sogar mit dem von Rolex für die DDR vergebenen Ländercode 301 graviert waren.

In einem eigenen Laden neben der Rezeption des Grand Hotels in der Berliner Friedrichstraße wurden in der Endzeit der DDR von einem Rolex-Verkaufsagenten im staatlichen Auftrag Rolex-Uhren an Gäste aus dem Westen verkauft. Alle bekamen in die offiziellen Begleitpapiere einen Stempel des Grand Hotels, wie der Uhren-Blogger Walter Castillo herausgefunden hat.

Neben der Rolex Datejust in Stahl-Gold-Ausführung mit Jubileeband war auch ein massives Goldmodell im Angebot, das wohl im Dezember 1989 einen letzten Käufer fand. Danach löste sich das Schalck-Imperium Kommerzielle Koordinierung auf und der Rolex-Laden verschwand mit der Republik, die sich von ihm Rettung aus ihren finanziellen Engpässen versprochen hatte.

Der einzige Rolex-Träger der DDR war Erich Honecker allerdings nicht. Manfred Buder, Kapitän des DDR-Eishockey-Nationalteams, hatte 1961 bei der Eishockey-WM 1961 in Genf eine Rolex Oyster mit der Registriernummer D64656 als Präsent erhalten, eingepackt in eine Schatulle, die dem Genfer Eishockeystation nachgebildet war. Vor zweieinhalb Jahren landete das kaum getragene Einzelstück bei einem Auktionshaus, das es für 4 000 Euro an den Mann brachte.

Wo Erich Honeckers Rolex geblieben ist, ist hingegen ebenso unklar wie der Verbleib von Castros und Breshnews Edeluhren-Sammlung. Che Guevara soll zumindest eine seiner Rolex getragen haben, als er am 9. Oktober 1967 um 13.10 Uhr im bolivianischen Dschungel hingerichtet wurde. Von da an verliert sich die Spur dieser Revolutionsuhr, nicht aber die Spur von Rolex in der Geschichte der Diktatoren, Alleinherrscher und Revolutionäre: Heute trägt der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un eine Rolex, der chinesische staats- und Parteichef Xi schwört auf die Schweizer Uhr und auch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdad zeigte sich auf Fotos schon mit Rolex. Am rechten Arm, denn so schreibt es der Koran vor.

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