Die Maus
Kurzgeschichte
Es war Herbst. Draußen heulte der Wind durch die Bäume und wirbelte goldbraunes Blattwerk durch die Nacht. Ich war gerade ins Bett gegangen. Kaum hatte ich mich in die Decke gehüllt, das Licht gelöscht und die Augen geschlossen, da nahm der Wahnsinn seinen Lauf.
Tagsüber würde ich das Geräusch vermutlich nicht einmal wahrgenommen haben. Nachts aber, in der Dunkelheit des Schlafzimmers, entfaltete es die penetrante Wirkung einer Schlagbohrmaschine. Ein leises Kratzen nur, wie mit dem Finger an der Tischkante, von irgendwo und überall. Eine Maus.
Im Herbst, wenn es in der freien Natur ungemütlich wurde, fand irgendeine Maus immer den Weg zur behaglichen Wärme. Unhygienisch, enorm lästig, aber ein lösbares Problem.
Schon an diesem Abend wünschte ich den Nager zum Teufel. Das Tier zwang mich aufzustehen und eine Mausefalle in den Flur zu stellen. Wenn man am Land lebt, dann gehört das zur Ausstattung eines jeden Haushalts.
Weil Fallen für gewöhnlich keine Jagd auf ihre Opfer machen und überhaupt recht passiv sind, entging der Nager in dieser Nacht dem Tod.
Während des Tages geriet der unwillkommene Besucher in Vergessenheit, in der folgenden Nacht jedoch machte er sich dann erfrischt wieder ans Werk. Kaum hatte ich mich umgedreht, ging das Vieh zur Sache. Tagsüber Ruhe, nächtens Terror. Jeden Tag kam eine weitere Falle hinzu. Doch sie blieben leer. So verstrichen einige kühle Herbsttage.
Es war in einer klaren, kalten Mondnacht, als das ersehnte Geräusch die Stille durchbrach. Ein peitschender Klack riss mich aus dem Halbschlaf. Ein Gefühl des Sieges durchflutete mich. So warf ich mir den Morgenmantel über, um mich sogleich des Kadavers zu entledigen.
Die Fallen im oberen Flur des Hauses warteten noch stoisch auf den Feind. Also ging ich die Treppe hinab und kontrollierte die Fallen unten. Ganz hinten, direkt vor der Kellertür, erwartete mich die böse Überraschung. Der Köder war verschwunden, die Falle hatte ausgelöst, doch ein Kadaver nirgends. Das Vieh hatte sich vollgefressen und war entkommen. Ich atmete tief ein und aus, meine Schläfen arbeiteten wie beim Kauen. Melville sagt über Captain Ahab: „Wäre sein Leib eine Kanone, er hätte sein Herz auf ihn geschossen.“ Wie gut ich doch diesen knorrigen Fahrensmann plötzlich verstehen konnte. Diese Maus wurde für mich zur Bestie mit Fangzähnen, glühenden Augen und einem zottigen Fell. Mein Hass auf den verfluchten Nager wuchs ins Unermessliche und gebar Gewaltphantasien. Es gab Elektrofallen. Aber die töteten schnell. Ich wollte das Vieh leiden sehen; häuten, vierteilen, aufspießen und auf kleiner Flamme rösten.
Es war gegen drei Uhr Morgens, zur Zeit des Antichristen, als die nächste Falle zuschlug. Wie ein Blitz machte ich mich auf und suchte die Fallen ab. Ein Klappern verriet die missliche Lage des Feindes. Und in der Tat, die Falle bei der Haustür hielt mit ihrem metallenen Bügel ein sich windendes Etwas fest, das sich verrenkte, wild zappelte, und sich zu befreien versuchte. Ich ging nahe heran und beobachtete das Sterben. Schnell kehrte Ruhe ein. Danach Enttäuschung.
Was da in die Falle gegangen war, es hatte nichts mit einer Bestie zu tun. Es war nur eine unendlich gewöhnliche Maus; ein kleines behaartes Fleischsäckchen aus Knochen und Darm mit Augen wie schwarze Stecknadelköpfe; zu dumm für Gewissen und Gedanken, zu wertlos um sich zu entrüsten. Eine winzige Zunge stand zu einem kleinen Maul heraus, etwas Blut klebte an der Falle. Ein kleines, lästiges, niederträchtiges Wesen, ein kleiner dreckiger Tod.
Ich gedachte mich schnellstens von diesem unangenehmen Fellbeutel zu entledigen. So öffnete ich die Tür des Küchenherdes, in dessen Innerem noch die Briketts glühten, mit denen ich den Ofen gegen Abend versorgt hatte. Der Kadaver hing erschlafft vom Schafott herab, als ich ihn mitsamt der todbringenden Konstruktion in die Glut warf. Morgen früh würde nur noch der Bügel, die Feder und der Halter des Köders übrig sein. Während der hölzerne Schragen Feuer fing sagte ich leise: „Und tschüss, Angela.“
Du bist so was von gemein, ich hasse dich...
Die kleine Maus, wie konntest Du nur.
Sie war nur hungrig, hatte ein wenig kalt, suchte einen wärmenden Unterschlupf.
Und du, du hast sie kaltblütig von Maschinen niederemetzeln lassen.
Grrr ich hasse dich.
So was gehört sich nicht und wenn das Ding noch dreimal Angela heisst.
made my day
Gruss aus der Karibik