Zweck von Technik, neu Herausforderungen durch Industrie 4.0

in #deutsch7 years ago (edited)

In meinen Augen stellt sich immer die Frage, welchen Zweck Technik oder Technologie erfüllen soll. Schon die alten griechischen Philosophen von Thales v. Milet über Aristoteles haben streng zwischen Wissenschaft und Technik unterschieden. Für sie war Wissenschaft das zweckfreie streben nach Erkenntnis. Unter Technik verstanden sie von Menschen gemachte und zweckgebundene künstliche Dinge. Sie haben ein imaginäres Dreieck zwischen Natur, Wissenschaft und Technik aufgespannt.

Die moderne Welt hat Wissenschaft und Technik immer enger mit einander verwoben. Triebfeder hierfür war und ist das Geld bzw. die Gier nach mehr Geld. Unsere moderne Welt hat ein Dreieck zwischen Geld - Wissenschaft - Technik aufgespannt. Alle drei Dinge bedingen sich gegenseitig. Das hat dazu geführt, dass Wissenschaft kaum noch zweckfrei (nur der allgemeinen Erkenntnis verpflichtet) abläuft und die Technik zur Hure der Wissenschaft und des Geldes geworden ist.

Technik ist immer zweckgebunden. Die Erfinder bzw. Erzeuger von Technik verfolgen damit bestimmte Zwecke/Ziele und die Verwender der Technik verwenden sie für bestimmte Zwecke. Technik, einmal in die materialisierte Welt gesetzt, kann auch zweckentfremdet werden bzw. ihm werden neue Zwecke zugeschrieben. Ein systemisches und prozessuales Denken ist unbedingt notwendig, wenn man die heutigen technischen Systeme auch nur ansatzweise erfassen möchte.  Man spricht daher auch von einem Sozio-technischem System. Systeme sind immer dynamisch. Wir Menschen können leider nicht dynamisch Denken. Wir verfallen immer wieder in einfache statische Ursache-Wirk-Mechanismen zurück. Das muss immer im Kopf haben, wenn man über technische Systeme wie das Internet, das Auto oder die Landwirtschaft nachdenkt. Wir haben es hier mit hochkomplexen dynamischen Systemen zu tun, wenn die Technik in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext gestellt werden. 

Trotzdem darf man jetzt nicht vor Ehrfurcht vor diesen Systemen in die Knie gehen oder fatalistisch werden. Die Frage nach dem Zweck zeigt uns den Weg durch das Dickicht der Komplexität. Am Beispiel des Internets sieht man dies sehr leicht. Die Erfinder des Internets, der amerikanische militärisch-industrielle Komplex, verfolgten andere Zwecke mit dem Netz, als heute die dominierenden amerikanischen Internet-Giganten. Die Zwecke der Internet-Giganten sind nicht deckungsgleich mit denen der normalen User. Das jeder Klick, jeder View auf den Sozialen Medien heute minutiös von den Konzernen überwacht und ausgewertet wird, kann eigentlich nicht im allgemeinen Interesse der User sein. Zumal die Zwecke hinter dieser Überwachung meistens nebulös bleiben.  Gleichzeitig bieten Facebook und Co nie dagewesene Möglichkeiten, um meine eigenen Zwecke zu verfolgen. 

Eine Frage, die ich mir schon seit Jahren stelle ist, warum rund 2 Milliarden Menschen auf der Welt auf Facebook das tun, was sie da tun. Ich habe da schon hoch angesehene und sehr reflektierte Wissenschaftler gesehen, die dort beispielsweise ihr Mittagsessen posten. Vor allem war es nichts Außergewöhnliches, sondern einfach nur Kantinenessen. Was bringt auch gebildete Menschen dazu, das zu tun? Ich hab bis heute keine für mich befriedigende Antwort gefunden.

Technik an sich ist nie Gut oder Böse. Die richtige Frage wäre immer nach dem Zweck. Die Zwecke müssen transparent gemacht werden. Aufklärung tut hier Not. In einer digitalisierten globalen Welt brauchen wir daher neue ethische Konzepte. Der Begriff der Privatheit muss wohl oder übel überdacht werden (Gutes Buch hierzu wäre: Big data: Das Ende der Privatheit). Wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung bei der Entstehung von Technik. Googel hat ein Forschungsetat von ca. 16 Milliarden Euro jedes Jahr. Das entspricht ungefähr dem, was die Bundesrepublik Deutschland an Forschung ausgibt. Wir haben es hier mit globalen Konzernen zu tun, die in ihren geheimen Techniklaboren im sehr großem Stil an der Technik von morgen bastelt. Transparenz ist hier mit dem Argument, dass man sein geistiges Eigentum schützen muss, Mangelware. 

Wie wir hier realistisch mehr Bürgerbeteiligung in schon sehr frühen Phasen der Produktentwicklung bekommen, weiß ich nicht. Das ist eine offene Frage, mit der ich mich schon seit längerem beschäftige.

Die durch das Internet forcierte Digitalisierung der Wirtschaft (was ein eigenes Thema wäre) stellt ein sehr dynamisches und sich ständig änderndes System dar. Ich sehe die Digitalisierung, Industrie 4.0 etc. durchaus positiv. Wir bekommen dadurch die einzigartige Möglichkeit in der Geschichte der Menschheit, dass erstmals weite Teile der Bevölkerung nicht mehr für ihren physischen Lebensunterhalt arbeiten müssten. Die Menschheit könnte sich vom Hamsterrad der kapitalistischen und industriellen Strukturen befreien. 

Durch bessere Vernetzung und Automatisierung von Arbeitsprozessen in den gesamten Wertschöpfungsketten bestehe die Möglichkeit, dass Ressourcen eingespart werden könnten. Es würde nicht mehr so viel am Bedarf vorbei auf Halde produziert werden, weil Absatzmärkte und Produktion stärker informativ miteinander verwoben sind. Dank 3D-Drucktechnik könnte auch wieder regionaler produziert werden. Die Jobs, die dann noch in der Industrie verbleiben, wären herausfordernd und sinnstiftend. 

Wir müssen den Sinn von Arbeit neu Denken. Wir brauchen ein neues Gesellschaftsbild. Die Forderung nach einem bedingslosem Grundeinkommen, kann nur der Anfang sein. Die Diskussion müsste noch viel tiefer und breiter werden.

Ich möchte Zukunft gestalten und nicht von ihr gestaltet werden. So romantische Worthülsen wie beispielsweise "indigene naturnahe Landwirtschaft" sind für mich realitätsfern und gehen an den Kernproblemen der modernen Zeit komplett vorbei. Nein, ich möchte nicht auf meiner Landscholle sitzen und mein Essen durch meine Hände Arbeit anbauen müssen. Obwohl ich selber einen Garten betreibe. Aber "wollen" und "müssen" ist ein großer Unterschied. 

Technologie war schon immer ein wesentlicher Treiber unserer Gesellschaft. Wir dürfen die Diskussion über den Zweck von Technik anderen überlassen.

Lasst uns gemeinsam neu über den Zweck von Technik nachdenken.