Krypto in Luxemburg: Sind wir fit für die Zukunft?

in #deutsch6 years ago (edited)

„Die Szene hier im Land entwickelt sich nicht, sie überlebt höchstens“

Ein Interview mit Sorin Cristescu, geführt und geschrieben von Nora Schleich, erschienen im "Lëtzebuerger Journal".

Das „Blockchain Competence Center“ wurde von der Abteilung für Informatik (DIGIT) der Europäischen Kommission ins Leben gerufen und hat ihren Sitz in Luxemburg. Sorin Cristescu ist Leiter dieser Instanz und arbeitet momentan an der Implementierung eines innovativen Blockchainprojekts der EU-Kommission, um eine technologische und transparente Darstellung des europäischen Kapitalmarkts möglich zu machen. Dass Kryptowährungen und die Blockchaintechnologie die zukünftige Gestaltung der Wirtschafts- und Finanzsektors übernehmen werden, gilt für Sorin Cristescu als sicher. Um diesen Zug nicht zu verpassen, bedarf es hierzulande aber noch an ausreichend Bildung und Aufklärung, Erneuerung von Behörden und aktiven Verbänden. Ich habe mich mit Cristescu über die momentane Position Luxemburgs zu dieser Thematik unterhalten sowie über Vorteile und Risiken, die Krypto und Blockchain mit sich bringen.

Wie schätzen Sie die momentane Lage der Kryptowährungen hier im Land ein?

SORIN CRISTESCU Es gibt im Moment zwei Lager. Auf der einen Seite befinden sich die Autoritäten und die Rechtslage, denen die Kryptoszene – Leute, die sich mit Blockchain- und Kryptoprojekten beschäftigen – gegenübersteht. Die Szene hier im Land entwickelt sich nicht, sie überlebt höchstens. Dies hat unmittelbar damit zu tun, dass die politischen und rechtlichen Institutionen alles andere als fördernd und motivierend auftreten. 2014 hat die luxemburgische Finanzaufsicht, die „Commission de Surveillance du Secteur Financier“ (CSSF), ein Rundschreiben zum Thema Kryptowährungen und Regulation publiziert. Vor zwei Jahren gab es einen regelrechten Rückzug. Das Dokument wurde nach kurzer Zeit stillschweigend von der CSSF Homepage getilgt. Aus privatem Austausch geht hervor, dass einige der führenden Köpfe der Aufsicht sich nur mit äußerster Vorsicht zur Sachlage äußern. Die Entwicklung der Kryptoszene stößt somit hierzulande eher auf Ungereimtheiten und Hindernisse, als dass sie gefördert wird.

Bezüglich der Blockchain-Technologie gab es 2016 einen echten Hoffnungsmoment, als die Regierung sich für eine Partnerschaft mit der “Infrachain”-Vereinigung aussprach („Infrachain“ ist eine luxemburgische Vereinigung zur Förderung der Entwicklung von praktischen Blockchainanwendungen, Anm.d.Red.). Nüchtern betrachtet kann gesagt werden, dass dieser Zusammenschluss den Erwartungen an Produktivität und Resultaten bislang hinterher hinkt. Außer Konferenzen, Talkshops und ähnlichen Events sind mir keine größeren praktisch ausgelegten Engagements bekannt.

Weshalb gestaltet sich die Situation derart problematisch?

CRISTESCU Hier kann ich nur meine eigene Meinung wiedergeben. Bezüglich der Blockchaintechnologie denke ich, dass viele Menschen die Komplexität des Systems unterschätzten, sowie auch die notwendigen grundlegenden Veränderungen, die von dieser Technologie in Bezug auf die herkömmlichen Ordnungs- und Interaktionsstrukturen gefordert werden.
Als wir in der Kommission die Durchführungsmöglichkeiten eines Blockchainprojekts in Zusammenarbeit mit „Infrachain“ und dem „Centre de technologie de l’information de l’Etat“ testeten wurde schnell deutlich, dass der rechtliche Rahmen diesbezüglich noch gar nicht besteht: Falls eine Transaktion schiefgehen oder die Database gehackt würde, wer haftet dann wann und für was? Das muss in einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit klar definiert sein. Wir mussten einen Weg ausarbeiten, um das Projekt überhaupt angehen zu können. Das war für uns alle ein ganz neues Terrain.

Ist es denkbar, dass in naher Zukunft ein Krypto-Ecosytem in Luxemburg entsteht?

CRISTESCU Ja, das kann gut sein. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Branche entwickelt ist nahezu exponentiell. Die Gewinne, die ein solcher Verbund mit sich bringen würde sind von derartigem Gewicht, dass ich mir vorstellen kann, dass es bald Projekte zu Kryptowährungen in Luxemburg geben wird, auch wenn die Zeichen dafür bislang noch nicht gesetzt sind. Der größte Vorteil besteht meines Erachtens darin, dass dies vielen Menschen Wege eröffnen würde, einfacher Geld mit Geschäftsideen zu verdienen, die bislang noch nicht von wirtschaftlicher Relevanz waren. Das verdiente Kryptogeld würde in einen in sich geschlossenen Wirtschaftskreis eingespeist und dort im Austausch zu regulärem Geld Wert annehmen. Für Luxemburg wäre dies von großer Wichtigkeit. Wir verfügen dank der Finanzindustrie über die benötigte Infrastruktur, um einen industriellen Rahmen für Kryptowährungen zu schaffen. Dies ist eine wichtige Gelegenheit, um sich gegenüber anderen Finanzstandorten zu behaupten und sich neue, attraktive Möglichkeiten zu eröffnen.

Frankreich hat mittlerweile eine Initiative gestartet, nach der Vermögen in der Blockchain gesichert werden können. Denken Sie, dass dadurch luxemburgische Kunden den Standort wechseln werden?

CRISTESCU Ich habe keine Bedenken deswegen. Was Frankreich nämlich nicht bedacht hat ist, dass ihre steuerliche Struktur von Anlegern nicht gerade als vorteilhaft angesehen wird. Ich denke daher nicht, dass Leute riskieren, die Vorteile des hiesigen Finanzplatzes deswegen aufzugeben.

Wie sieht es mit der Rechtslage hierzulande aus?

CRISTESCU Soweit ich weiß gibt es hier noch keinen gesetzlichen Rahmen. Wir müssten unbedingt einen Ansatz ausarbeiten, Bereiche, Grenzen und Maßstäbe des Blockchainsystems zu definieren, damit endlich Klarheit auf diesem Gebiet geschaffen wird. Wann spricht man von einer Blockchain? Welche Anforderungen müssen erfüllt sein? Dann erst kann über Gesetze nachgedacht werden, die zur Sicherung der Vermögen innerhalb des Systems beitragen würden.

Das klingt, als müsste zunächst vorwiegend in Aufklärung und Bildung diesbezüglich investiert werden?

CRISTESCU Auf jeden Fall müssten die politischen Entscheidungsträger und die Regulierungsbehörde umfassend informiert und ins Bild gesetzt werden.

Wer wird diese Aufgabe übernehmen?

CRISTESCU Das ist eine gute und schwierige Frage. Wie ich schon erwähnt habe, ist die Szene hierzulande nicht in dem Maße florierend als ich mir das wünschen würde. Wir verfügen aber mittlerweile über Personen, die ein ordentliches Knowhow mit sich bringen, um Wissen und Verständnis bezüglich der Thematik weitergeben zu können. Davon würden Politik und Finanzinstitutionen sicher profitieren. Dies würde ihnen helfen, Gelegenheiten erkennen und verstehen zu können, aber auch Risiken und Konsequenzen einzusehen, die bestehen, wenn wir es verpassen, auf diesen Zug aufzuspringen. Die Regierung müsste sich aktiv für die Schaffung einer neuen Behörde spezifisch für dieses Gebiet einsetzen.

Kann der neu gegründete Blockchain-Verband „LëtzBlock“ hierzu einen Beitrag leisten?

CRISTESCU Es ist noch zu früh, um dies beurteilen zu können. Aber es ist auf jeden Fall eine sehr gute Initiative. Es wird sich in der Zukunft zeigen, ob „LëtzBlock“ Einfluss auf das Geschehen hierzulande haben wird, Potential ist aber auf jeden Fall vorhanden.

Welche Rolle müsste die CSSF in Bezug auf die Kryptowährungen einnehmen?

CRISTESCU Ehrlich gesagt denke ich, dass die CSSF sich hier raushalten sollte. Ich habe aufgehört verstehen zu wollen, wie sich die Behörde überhaupt positionieren will. Ihre zurückhaltenden und teilweise widersprüchlichen Reaktionen lassen den Anschein entstehen, als würde die Kryptothematik ihnen derart Angst machen, dass sie im Schockzustand verharren.
Die Finanzaufsicht sollte sich weiterhin auf die wichtige Überwachung des Finanzsektors konzentrieren, eine Aufgabe, der sie bestens nachkommt. Es wäre an einer neuen Behörde, die CSSF in diesem ihr noch unbekannten Bereich abzulösen und sich der Regulation von Kryptowährungen zu widmen.

Ist es möglich, Kryptowährungen zu regulieren?

CRISTESCU Ja, und wir sollten Kryptowährungen hier in Luxemburg regulieren. Wichtiger wäre es allerdings, spezifische Aktivitäten von beteiligten Leuten zu fördern und zu regulieren. Dies ist ein zu großes und komplexes Thema, um es der bestehenden Regulationsbehörde zu überlassen. Wir müssen einen Rahmen schaffen, in dem es möglich wird, dass Leute sich registrieren und eine wechselseitige Lerncommunity gründen. Hierin besteht nämlich der wahre Bedarf: Ein Mehr an Verständnis und an praktikablen Anwendungsmöglichkeiten zu schaffen. Wir haben seitens der Universität und dem „Interdisciplinary Center for Security, Reliability and Trust“ (SnT) brillante Grundlagenforschung zu dem Thema, daran mangelt es sicher nicht. Es fehlt aber noch an einer Möglichkeit, die theoretische Forschung mit der realen Industrie zu verbinden. Letztere braucht noch Mittel, um die theoretischen Erkenntnisse für sich nutzbar zu machen.

Wie kann dies gelöst werden?

CRISTESCU Indem man angewandte Forschung effizient fördert. Vielleicht ist der nun eingeschlagene Weg der richtige, Forscher mit Inkubatoren in Verbindung zu setzen, wie dies im „Luxembourg House of Financial Technology“ (LHoFT) gemacht wird. Das wird sich in Zukunft vielleicht als richtige Antwort erweisen. Amerika hat mit dem Silicon Valley schon bewiesen, dass es weiß, wie man so etwas angeht. In Europa ist London diesbezüglich bereits gut aufgestellt, Berlin zieht auch mit, aber mehr gibt es noch nicht wirklich. Luxemburg wird sich deshalb hier gewinnbringend positionieren können. Wahrscheinlich sogar besser und realer, als dies anhand des Space Mining Unterfangens gelingen wird. Ich freue mich auf jeden Fall auf eine fruchtvolle Zukunft hierzulande.

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