"Political Correctness" oder George Orwells "Neusprech"

in #deutsch7 years ago (edited)

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Quelle Bild: http://thedailychrenk.com

Da mir der immer stärker werdende Zwang zur "Political Correctness" in Wort und Schrift übel aufstößt, möchte ich dies einmal hier auf Steemit thematisieren und würde mich über eine Diskussion und Eure Meinung darüber freuen:

Die Liste der Wörter und Formulierungen die man als sogenannter "politisch korrekter Mensch" nicht mehr sagen darf, wird von Tag zu Tag länger und reicht von skurril über lächerlich bis hin zu unerträglich..

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Quelle Bild: https://bullshit.ist

Und ich spreche jetzt nicht über die berechtigten, weil diskriminierenden sprachlichen "No go´s", über die wohl unter vernünftigen Menschen absolute Einigkeit herrscht: das man einen Farbigen (oder heißt das jetzt korrekt "Schwarzen" oder doch "Maximalpigmentierten"?) nicht als "Nigger" bezeichnet, wussten wir schon in meiner Jugend in den 80´er Jahren, noch bevor es diese Diskussionen überhaupt gab.
Das man nun nicht mehr "Negerkuss" oder "Mohrenkopf" sagen darf, geht schon ein bisschen weiter, ist für mich aber auch noch nicht der große Aufreger.

Krasser ist schon, dass jetzt "Mohren-Apotheken" gezwungen werden sollen sich umzubenennen, weil die Bezeichnung "rassistisch" sei.
https://www.focus.de/politik/deutschland/rassistische-namen-sollen-verschwinden-streit-um-die-mohren-apotheken-inhaberin-wehrt-sich-gegen-umbenennung_id_8413856.html

Die Beispiele ließen sich beliebig fortführen, aber ich denke Ihr versteht bereits wovon ich spreche..

Richtig sauer wurde ich als ich las (und realisierte, dass das nicht als schlechter Witz gemeint war), man solle Vergewaltigungsopfer doch ab sofort als "Erlebende sexualisierter Gewalt" bezeichnen! http://www.taz.de/!5379541/

In die gleiche Kerbe schlagen für mich die sogenannten "Unworte des Jahres", die uns erziehen sollen, was man "nicht sagen darf" sei es "Lügenpresse", "Gutmensch" oder "Volksverräter".

Nun mag manch einer sagen: was soll die Aufregung? aber Sprache beeinflusst das Denken und Sprechverbote führen zu Denkverboten, dass wusste bereits George Orwell und hat in seinem Roman "1984" auf die Gefahren hingewiesen:

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Quelle Foto: www.flickr.com

"Don't you see that the whole aim of Newspeak is to narrow the range of thought? In the end we shall make thought crime literally impossible, because there will be no words in which to express it."

"Verstehst Du nicht, dass das ganze Ziel des "Neusprechs" darin besteht, die Reichweite des Denkens einzuschränken? Am Ende werden wir Gedankenverbrechen buchstäblich unmöglich gemacht haben, weil es keine Worte mehr geben wird, um sie auszudrücken."

Ich freue mich auf Eure Meinungen und Gedanken zum Thema!

Euer Markus

Sort:  

Du siehst das schon richtig, @prophetie. In Frankfurt soll das Wort Mohren–Apotheke aus einer denkmalgeschützen Front heraus gestemmt werden. Bekloppter geht es nimmer! Neuauflagen des Strubbelpeter's haben sie dahingehend sicher schon verhunzt.

Was die „Unwörter“ betrifft und ganz besonders das Pauschalurteil Lügenpresse und die raffinierte Sinnumkehrung im Begriff Gutmensch, das sind klare Grenzüberschreitungen, bitterböse Vorsätze zu polarisieren und zu verletzen. Es sind eben keine Worte, die aus dem alltäglichen Sprachgebrauch heraus gewachsen sind, sondern es handelt sich um zwei ganz üble, rhetorische Werkzeuge, die aus Kaderschmieden ausgefuchster Nazi–Dialektik zum Zweck der Pauschalisierung und Diffamierung stammen. Gerade der „Gutmensch“ ist besonders perfide, weil ein guter Mensch ja durchaus positiv besetzt ist. Von der Wirkung her, war war das Wort in seiner neuen Bedeutung, rhetorisch betrachtet, ein genialer Wurf. Es steht zurecht in der Liste der Unwörter des Jahres, weil sein Zweck ist, tatsächlich Gutes tuende Menschen, bösartig als dumm zu diffamieren.

Es gibt Neusprech im Orwellschen Sinne und Nazi Neusprech. Da sollte man tatsächlich differnzieren.

Vielen Dank, afrog, für Dein Statement und Dein upvote meines Beitrags, beides hat mich sehr gefreut! Da Du den Fall der Mohren-Apotheken explizit erwähnst, wohnst Du im Raum Frankfurt? ..weißt Du da was genaueres, ich meine: ziehen die das im Ernst durch? LG Markus

Mohren–Apotheke ist eine Namensgebung, hinter der ehrliche Bewunderung für die Heilkünste der Mauren steckt. Man nannte Apotheken so, weil Heiler aus Mauretanien bekanntermaßen hervorragende Ergebnisse erzielt haben. Das Wort transportiert also, gerade in Verbindung mit der Apotheke, den höchsten Respekt und damit das Gegenteil von dem, was die orwell'sche Sprachpolizei den Apothekern vorwirft.

Mohr kommt aus dem Alt– und Mittelhochdeutschen. Das Wort ist abgeleitet von Mauretania, adressiert tatsächlich ausschließlich die dunkelhäutigen Menschen in Nordafrika. Im Zusammenhang mit der Apotheke hat es der Mohr nicht mit Diskriminierung zu tun, sondern mit dem Gegenteil. Was eine Teilnehmerin am Kreuzzug gegen Wörter dazu zu sagen hat? „Wenn People of Color sagen, das Wort ist rassistisch, dann ist es rassistisch.“ Ich persönlich bin der Ansicht: So wird die falsche Auseinandersetzung am falschen Ort ausgefochten.

Was deine Frage betrifft: eine der zwei Frankfurter Mohrenapotheken hat nach Jahrzehnten der Anfeindung ihren Namen geändert, wie so ziemlich alle Mohren–Apotheken in Deutschland. Das ist essentiell für Geschäftsleute, weil vom Guten überzeugte Lingualfaschisten dich sonst fertig machen. Änderst du den Namen nicht, werden sie persönlich und stellen dich auch gerne mal in die Ecke kaiserlich–deutscher Kolonialherren, die schwarze Völker ausrotten. Dem Besitzer der „Zeil–Apotheke zum Mohren“ dürfte es nicht so einfach fallen, sich der allgegenwärtigen Hetze zu entziehen. Da hat sich der Mohr als unverzichtbares Element in den deutschen Kulturschatz hinein gemauert. Er ist Bestandteil einer denkmalgeschützten Fassade und wird dadurch vielleicht zum großartigsten, dem allerletzten deutschen Mohren.

Ausgehend von agitierten Gesinnungs-Nazis, die ihre Art Kreuzzug zügellos ausleben dürfen, müssen sich nun im Rahmen kommunaler Institutionen auch unbeteiligte Menschen mit diesem Luxusproblem befassen, die bisher damit gar nichts am Hut hatten. Es ist im Integrationsausschuss des Frankfurter Stadtparlamentes gelandet. Die Hoffnung, dass die Kreuzzügler dort zur Mäßigung aufgerufen werden ist aber derart unrealistisch, so dass ich jetzt trotzig in meine Mohrrübe hinein beiße und das politisch unverfängliche Wort Karotte nie mehr verwende. Als Ausdruck meines Protestes hebe ich auch gerne die Worte Negerkuss und Zigeunerschnitzel in der Öffentlichkeit hervor. Orwell's Sprachfaschisten ärgert das. Da bin ich mit vollkommen sicher.

Dankeschön, afrog, für Deine ausführliche und informative Antwort, besonders auch für die amüsanten letzten Sätze, über die ich herzhaft gelacht habe.. :-)
Apropos "Zigeuner", für mich war dieses Wort früher nie negativ konnotiert. Als Kind/Jugendlicher verband ich damit eher "Fernweh", "Reisen, die große, weite Welt" und "geheimnisvoll", manchmal frage ich mich, ob die die anderen rassistischen Sprachgebrauch vorwerfen, nicht ihre unbewussten Gedanken/Gefühle auf andere projizieren.. und "Zigeunerschnitzel" klingt ja auch irgendwie griffiger wie "Mobile ethnische Minderheiten Schnitzel".. ;-)

Nach einigem Hin und Her habe ich meinen Weg gefunden:

Ich denke, schreibe und rede politisch unkorrekt und amüsiere mich über die Versuche in meinem Umfeld, sich diesen "Regelwerken" anzuschmiegen...

..habe ich schon gemerkt, lieber argalf, und das schätze ich auch an Dir und jedem anderen Freigeist hier und anderswo! ;-) LG Markus