Heilige Bastarde, Kapitel 27
"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:
Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Heilige Bastarde, Kapitel 27, Gunlaug
Noch bevor das Ritual begann, flößten sich die Opferpriester ein Gebräu ein. Angeblich gewannen sie die Substanz aus den umliegenden Pilzen. Aus kleinen, hölzernen Schalen berauschten sie sich an dem Saft und nachdem sie fertig waren, stimmten die Feuerpriester einen Singsang an. Eine monotone Melodie, ein Gesang ohne Worte. Das Brummen und Summen der Priester mischte sich unter das Knistern der Feuer.
Die Zuschauer standen etwas Abseits. Pattmar mit geschwellter Brust, seine Frau schmiegte sich an seinen Arm und starrte gebannt auf die vielen Feuer. Hartried versuchte merklich, eine würdevolle Haltung einzunehmen. Auf Gunlaug wirkte er etwas gezwungen, aber vielleicht präsentierte er sich für die anderen wesentlich besser. Hedwinna hatte sich zu ihrem Sohn hinuntergebeugt, der mit offenem Mund auf die Feuer starrte. Nicht ganz schicklich, aber man durfte es dem Kleinen auch nicht übelnehmen.
Der Singsang wurde lauter, die Klingen gezückt. Die Priester holten kurze, bronzene Messer hinter den Altären hervor. Das Metall leuchtete grünlich im Schein der Flammen auf. Eine Unruhe schien die Tiere zu ergreifen, als verstünden sie, wozu sie hierherauf gebracht wurden.
Dann hob einer der Feuerpriester an: „Bote! Gesandter der Götter, mögest du auch heute Nacht zwischen den Altären und dem Himmel hin und her reisen und den Göttern unsere Gaben überbringen!“
Das erste Opfer war eine Ziege. Sie zerrten das meckernde und zappelnde Tier an den Hörnern und hoben es über einen der Altäre. Einer der Priester setzte die Klinge am Halse der Ziege an. Zuerst mähte das Tier noch, dann füllte sich der Hals mit Blut, es floss in den Altar und das Tier röchelte seinen letzten Lebensatem aus. Die Feuerpriester wrangen ihm den letzten Rest Blut aus dem Körper, rissen die Kehle auseinander und schüttelten den Körper des Tieres.
„Kraft des Lebens!“, rief der Feuerpriester erneut. „Dies Blut soll euch Nahrung sein, oh Lichtgestalten, ihr Himmlischen, ihr Obersten.“
Und andere Priester stimmten mit ein: „Götterbote, verehre das Blut, das Feuer des Lebens!“
Manche der Priester lachten auf, während andere ihren monotonen Gesang lauter summten. Ein Schaf konnte noch so sehr blöken, wie es wollte, die Priester zogen es am Strick zu einem der Altäre und setzten das Messer an. Dann folgten weitere Ziegen, Schafe und die Hühner. Die Feuerpriester gingen mit immer mehr Eifer und auch Freude – anders konnte Gunlaug das Schauspiel nicht beschreiben – an ihr Ritual heran. Es brannten genug Altäre, um dutzende Tiere auf einmal die Kehlen und Adern aufzuschlitzen und das Blut in sie hineinfließen zu lassen. Gunlaug erschauderte. Die Priester verkamen zu Grimassen tragenden Schatten mit blutigen Klingen. Das Rot liefen ihnen die Arme herab und besprenkelte ihre rußschwaren Gesichter. Manche von ihnen vergaßen die Opfer, stattdessen warfen sie sich vor die Altäre und beteten sie mit bebenden Lippen und flehenden Händen an.
„Licht und Wachstum!“, wünschte einer der Priester, „und gute Ernte auch dieses Jahr! Dafür sende, oh Götterbote, den Göttern die Kraft, die durch diese Tiere fließt. Gutes Wetter und volle Ähren wünschen sich die Merowa. Sende den Göttern ausreichend, oh feuriger Bote, damit sie die Kraft haben, die Gebete zu erhören!“
Einer der Priester trat an Pattmar heran, im Arm eine kleine Ziege. „Auch Euch gebührt die Ehre“, sprach er.
Pattmar nahm das Tier ehrfürchtig an und führte es zu einem der Altäre. Dort überreichte ihm ein Priester ein Messer und half ihm dabei, das Tier richtig über das Feuer zu halten. Das Messer schnitt durch die Kehle, das Blut floss.
Nun trat einer der Priester auch an Hartried, diesmal war es ein Schaf. Gartmund schaute seinen Vater mit großen Augen von unten an, ob erwartete er mit Spannung, wie sein Vater sich verhalten würde. Ohne zu zögern vollführte Hartried das Ritual, ging mit dem Schaf zu einem der Altäre und zerschnitt mit der Klinge die weiche Haut des Tieres.
„Ah, das erfreut uns und die Götter!“, sprach einer der Priester. „Lasst mich Euch raten, werter König, die alten Bräuche und Himmlischen stets zu ehren, ganz gleich, welche neue Götter über die Erde wandeln sollten. Oder wie viele Sterbliche auch plötzlich von sich behaupten, von himmlischer Abstammung zu sein.“
Hartried hatte sich indessen wieder neben seine Frau gestellt und schaute den Priester stirnrunzelnd an. „Was meint Ihr damit? Ich respektiere die Traditionen der Merowa sehr wohl.“
Gunlaug blickte zu Pattmar. Der ließ sich nichts anmerken. Dabei war sich Gunlaug sicher, dass hier ein abgekartetes Spiel lief. Die hatten doch etwas geplant oder wieso sonst sollte der Priester darauf zu sprechen kommen?
Gunlaug wollte schon näher an seinen Bruder heranrücken, um ihn warnen, doch Hartried schien seine Befürchtungen erraten zu haben und machte eine kurze Handbewegung, die Gunlaug einhalten ließ.
„Sprecht, Priester. Ich achte eure Bräuche und die der Stämme von Bärenschlucht. Nie habe ich einen Merowa davon abgehalten, zu beten, wie er beten wollte oder habe ihm vorgeschrieben, wie er seinen Göttern opfern sollte. Also, was meint Ihr?“
Das schwarze Gesicht des Priesters öffnete sich zu einem Lächeln. Hedwinna griff ihrem Mann an den Arm und sah ihn flehend an. Hartried jedoch löste sich aus ihrem Blick. Da war Wut in seinen Augen, welche jedoch nicht seiner Frau galt.
„Wie ist Euer Name, Priester?“, fragte Hartried.
„Augnar.“
„Dann sprich endlich, was Ihr meint, Augnar.“
Der Priester zeigte auf einen der brennenden Altäre. „Das ist göttlich. Das Feuer, welches die Gaben an den Himmel sendet, das ist ein Gott, welcher der Anbetung würdig ist. Das Materielle, das Fleischliche ist Teil dieser Welt. Dieser unfertigen, versündeteten, unreinen Welt. Doch da oben, in den Gefilden, die uns Sterblichen verschlossen bleiben, da gibt es nichts Fleischliches, nur Licht und Geist.“
Scheiße, dachte sich Gunlaug. Er will darauf hinaus, dass Cherus kein Gott war, weil er aus Fleisch bestand! Das wird Hartried gar nicht gefallen, ganz und gar nicht. Ich sollte beten, dass es nur bei einer spirituellen Debatte bleibt.
„Worauf wollt Ihr hinaus?“, fragte Hartried. Der König hatte es gewiss schon erkannt, doch wollte er den Priester herausfordern.
Der Priester grinste breit und sprach: „Wie kann Cherus von sich behaupten, ein Gott zu sein, wenn er aus Fleisch bestand? Wie kann er geboren worden sein aus dem Samen seines Vaters und dem Schoß seiner Mutter? Wie kann ein Gott so verfangen sein in dieser unreinen Welt und trotzdem sich seine Göttlichkeit erhalten?“
Hartried senkte das Kinn und fixierte Augnar. „Du sprichst Cherus seine Göttlichkeit ab? Ist es das? Heute, an diesem Ort und zum Zeitpunkt dieses Rituals sprichst du meinem Vater, dem Vereiniger der Stämme und Helden unseres Volkes, die Göttlichkeit ab?“
Augnar hob einen Finger. „Seines Fleisches. Wenn dort oben ein Cherus gerade von diesen Opferungen gestärkt wird, dann hat das seine Richtigkeit. Aber was seine materielle, weltliche Form angeht … da sind sich so einige nicht sicher.“
Ein Moment der Stille. Hartried hatte die Augen geschlossen. Gunlaug wusste, dass es darunter brodelte. Er sprang fast schon neben ihn.
„Bruder, das ist eine Falle. Tue bitte nichts Unüberlegtes.“
„Ich weiß …“, antwortete Hartried mit gepresster Stimme. „Ich weiß genau, was die vorhaben.“
Hartried drückte seinen Bruder beiseite und rief aus: „Cherus wandelte auf Erden, ein Gott in Menschengestalt. Das ist eine unumstößliche Wahrheit. Seine Heldentaten sind Wahrheit und sein Aufstieg in den Himmel ist eine Wahrheit. Jeder, der dabei war, als er auf der Ebene der Tausend Gebrochenen Lanzen den Nekromanten besiegte, kann das bezeugen. Ich war da. Mein Bruder Gunlaug war da. Und Pattmar auch. Wollt Ihr, Fürst von Bärenschlucht, Cherus seine Göttlichkeit absprechen? Seid Ihr gewillt, darauf zu schwören, dass er nicht zu diesen Himmlischen, die Ihr gerade noch angebetet habt, gehören soll?“
„Nein“, antwortete Pattmar und hob seine Hände unschuldsbeteuernd. „Ich habe es gesehen und weiß, dass Cherus ein Gott war. Doch vielleicht hat dieser Priester hier recht und an seinem Fleisch war nichts Göttliches.“
„Ich weiß, worauf das hinausläuft.“ Hartried starrte wieder den Priester an. „Ich bin kein Halbgott, das ist es doch, was Ihr sagen wollt, oder? Nicht ich und auch nicht Gunlaug und keines der anderen Kinder des Cherus. Denn selbst wenn Cherus ein Gott war, so war sein Fleisch nur ein Mensch.“
Augnar klatschte in die Hände. „Das Reich der Merowa ist gesegnet, einen so klugen Kopf als Herrscher zu haben! Wenn alles Fleisch fehlerhaft, sündhaft und vergänglich ist, wie kann es dann zu einem unfehlbaren, heiligen und ewigen Gott gehören? Hat nicht einfach nur ein Mensch einen Menschen gezeugt?“
Hartried zeigte auf den nächsten Altar: „Das Feuer ist heilig, das sagtet Ihr doch, oder?“
„Ja, natürlich“, antwortete Augnar.
„Was, wenn ein Gott dort hineinsteigen würde?“
Der Priester stockte. „Wie … wie meint Ihr?“
Hartried ging nahe an den Altar und hielt die Hand über die Flammen. „Dieses Feuer. Würde es einen Gott verbrennen? Was denkt Ihr? Ihr alle, ihr Priester? Was würde mit mir geschehen, stiege ich dort hinein?“
Ruhe. Ungläubige Blicke waren auf den König gerichtet. Gunlaug wagte einen verstohlenen Blick zu Pattmar hinüber. Der Fürst von Bärenschlucht hielt sich die Hand vor das Gesicht, schaffte es dennoch nicht, seine Überraschung zu verbergen. Gunlaug konnte sich nicht entsinnen, jemals diesen Gesichtsausdruck beim Fürst von Bärenschlucht gesehen zu haben.
Plötzlich fragte Gartmund: „Was wird Vater tun?“
Hedwinna legte den Zeigefinger auf die Lippen des Kindes.
Hartried trat hinter den Altar und zog seinen Mantel aus. „Hm, Priester? Was wird mit meinem Fleisch geschehen, das doch so sterblich ist.“ Es folgte das Hemd. „Wird es meine weltlichen Haare fressen, meine materielle Haut verzehren? Bis auf die Knochen?“ Danach die Hose. „Es ist sicherlich heiß hier, ich spüre das Feuer deutlich. Aber was wird es mit meinem Körper machen, dieses heilige Feuer?“ Hartried hatte sich bis auf das letzte Stück entkleidet – und sprang in das Feuer. Die Priester, die Freien, Pattmar, Hermann und Fryda machten einen Satz nach vorne und stießen einen kurzen Schrei aus.
„Ja, es ist heiß“, sprach Hartried. Ohne eine Spur von Schmerzen stand er direkt im Feuer und breitete die Arme aus. „Ein sehr heißes Feuer. Mein Körper jedoch – unversehrt, wie ihr sicherlich alle sehen könnt. Was ist? Ist das Feuer schon satt? Hat es keine Lust mehr, mich zu verspeisen?“
Hartried schien die Szene sehr zu genießen: Er stemmte die Hände in die Hüfte und drehte sich zu allen um, damit sie auch ja sehen konnten, dass mit ihm alles in Ordnung war.
Gunlaug hielt sich die Hand vor dem Mund, damit es nicht zu offensichtlich wurde, dass er am Lachen war. Doch dann bemerkte er den Ring an Hartrieds Finger, den er als einziges anbehielt. Und sein Lachen verschwand langsam.
Vielen Dank fürs Lesen!
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