Heilige Bastarde, Kapitel 30

in #deutsch5 years ago

Roy Snyder Heilige Bastarde kürzer.png

"Heilige Bastarde" ist eine High-Fantasy Web Novel und wird Kapitel für Kapitel über das Netz veröffentlicht. Zum Inhalt:

Einstmals wandelte der Gottheld Cherus unter dem Volk der Merowa. Er sang mit ihnen, kämpfte mit ihnen, trank mit ihnen und wie jeder Mensch liebte er. Der menschgewordene Gott hatte viele Frauen und zeugte mehrere Töchter und Söhne. Einer dieser Söhne, Hartried, ist nun König und herrscht über das Reich, das sein göttlicher Vater geschaffen hatte. Doch nicht jedes Gotteskind und nicht jeder Füst ist zufrieden mit seiner Herrschaft. Und während das Reich droht, auseinanderzubrechen, zieht in der Ferne eine neue Gefahr heran. Können die heiligen Bastarde ihr Land retten oder werden sie es in einem Machtkampf zerstören?

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29

Heilige Bastarde, Kapitel 30, Simund

Piasus hockte vor dem dunklen Wasser, eine Angel in den Händen. Simund stand noch ein paar Meter entfernt, unschlüssig, wie er den Mann, der ihm noch immer ein Fremder war, ansprechen sollte.

„Hier auf dem Steinboden hört man jeden Schritt“, sprach plötzlich Piasus. „Barutz sagt uns immer, vorsichtig treten, leise gehen! Es dürfte nicht leicht sein, sich hier unten an jemanden anzuschleichen. Was gibt es?“

„Äh“, brachte Simund hervor. „Hedda meinte, wir sollten nicht alleine bleiben. Kann ich mich dazu setzen?“

„Natürlich. Alles ruhig hier, kein Fisch hat bisher angebissen. Ich zweifle sogar, ob in diesen Seen überhaupt etwas herumschwimmt. Abgesehen von Knochenschiffen.“

Simund setzte sich neben ihn und schaute sich Piasus kurz an. Dieser blickte müde auf das Wasser und gähnte.

„Ich weiß nicht“, sprach Piasus weiter, „wie die Zwerge das mit dem Schlafen hinbekommen. Es gibt hier keine Sonne, die einem sagt, wann es Zeit ist, die Augen zuzumachen. Stattdessen ewige Nacht. Wie wissen die überhaupt, wann sie aufstehen sollen?“

„Sie sind keine Menschen“, gab Simund zur Antwort.

„Sicherlich, sicherlich.“

Und damit trat Schweigen zwischen die beiden. Kurz zuckte Piasus zusammen, zog an der Angel. Dann schüttelte er den Kopf und hielt sie weiter lustlos fest.

Jetzt oder nie, dachte sich Simund.

„Ich wollte dich etwas fragen.“

„Klar, worum geht es?“

„Warum bist du hier?“

Piasus sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Das haben wir doch schon auf dem Weg hierher besprochen. Ich ließ den Vertrag prüfen, nun bitten wir die Verwandten von Tiuz um Unterstützung. Dann, wobei ich nicht weiß, ob ihr noch mitmachen wollt an unserem tollen Abenteuer, befreien wir den Zwerg aus den Fängen des Tyrannen von Tyon und erfahren, was die Schwachstelle von Hartried ist. Was für ein vertrackter Plan.“

„Das ist mir klar. Aber was ist deine Motivation?“

„Du willst wissen, was ich für ein Mensch bin, oder? Willst mich richtig einschätzen können, richtig? Kann ich dir nicht übelnehmen. Man muss ja wissen, mit wem man es zu tun hat. Also, wo fange ich an …“

„Ist das denn eine so lange Geschichte?“, fragte Simund. Das wäre eigentlich nicht anders zu erwarten bei diesem Schwätzer.

„Ich habe ein paar Tage in Tyon verbracht, verkleidet als ein berühmter Philosoph. Dazu musste ich diesem Philosophen, genannt Thodius, nur ein paar Tage lang folgen und ihm zuhören. Nachdem ich die grundlegenden Lehren verinnerlicht hatte – fiel mir nicht schwer, war nichts Kompliziertes – machte ich den guten Thodius betrunken und brachte ihn auf das falsche Schiff. Mittlerweile dürfte er in Tyon schon lange angekommen sein und erfreut sein zu hören, dass ich ihn gut vertreten habe.“

„Was für ein gemeiner Plan“, fand Simund, doch musste er Piasus zugestehen, dass er schlau vorgegangen war.

„Ah, das habe ich schon bei euch Merowa festgestellt: Ihr versucht immer so ehrlich zu sein und euch ehrenhaft zu geben. Dabei kann so ein ,gemeines‛ Vorgehen die beste Lösung sein und auch die wenigsten Opfer kosten. Ich wette, du würdest eher den Tyrann im Zweikampf bekämpfen wollen, um Tyon zu befreien. So macht ihr das doch, oder? Aber ihr habt auch eure Geheimnisse, eure Ränkespiele. Nur könnt ihr sie schlechter verstecken. Ich sehe es doch.“ Piasus zeigte mit dem Finger auf Simund. „Du verheimlichst auch etwas. Das sehe ich ganz genau!“

Simund wusste nicht, ob er empört aufstehen oder es lieber zugeben sollte.

Piasus nahm den Finger aus seinem Gesicht und wandte sich wieder dem See zu. „Jedenfalls verbrachte ich ein paar Tage in der Stadt. In der Öffentlichkeit versuchten die meisten Bürger sich nichts anmerken zu lassen. Aber im Privaten … wenn die Weinfässer erst einmal rollten, dann erfuhr man von Ängsten und Sorgen. Der König ist ein Tyrann und unterdrückt sein Volk, wo er nur konnte. Seine Herrschaft besteht aus immer neuen Feldzügen und drastischen Strafen, selbst bei den kleinsten Vergehen. Und als das Volk begann, aufzubegehren, beschnitt er ihre Redefreiheit. Doch leider ist er auch ein hervorragender Heerführer. Oh, jetzt habe ich bestimmt schon wieder zu weit ausgeholt.“

„Das macht nichts“, meinte Simund. Dieses Mal machte es wirklich nichts, er konnte mit dem Volk von Tyon mitfühlen. Sich vorzustellen, dass Hartried ebenfalls jede Kritik an ihm verböte und grausame Strafen einführte …

„Und dann traf ich dort diesen Zwerg. Das hatten wir schon. Er war ein Sklave dieses Tyrannen. Und ja … ich hatte Mitleid. Du musst wissen, ich war ebenfalls mal Sklave. Mein Herr hatte mich gekauft.“

„Ich hatte keine Ahnung. Das äh, das tut mir leid.“ Vielleicht hatte er Piasus falsch eingeschätzt. Als was eigentlich? Er hielt ihn für zu schlau, vielleicht hinterhältig und für einen Schwätzer. Eigentlich traf das alles noch immer zu. Aber die Beweggründe hinter den Taten dieses Mannes und seine Geschichte zu hören, ließen ihn für Simund in einem neuen Licht erscheinen. Er sollte in Zukunft vorsichtiger mit seinem Urteil sein.

„Hier in Merow sind mir keine Sklaven aufgefallen. Nennt ihr sie anders? Sie haben Tiuz als Sklaven verkauft, also ist das Konzept hier nicht unbekannt.“

„Cherus verbot die Sklaverei“, antwortete Simund. „Freie Menschen sollten das anderen nicht antun, meinte er.“

Piasus nickte. „Nichts für Ungut, aber das ist eine der ersten weisen Taten, die ich von diesem Gott höre. Jedenfalls bin ich auch im Auftrag meines Herrn hier, der früher mein Käufer war. Das war mein Glück. Ein anderer Käufer hätte mich in einen Steinbruch zu Tode schuften lassen oder ich wäre in einer Arena umgekommen. Nicht, dass ich die Sklaverei schönreden will, aber von ihm wurde ich wenigstens anständig behandelt, musste nur einen Teil meines Gehaltes abgeben. Und als ich mich frei gekauft hatte, entschloss ich, ihm weiter zu dienen. Tiuz hat in der Hinsicht auch etwas Glück. Solange er seine Arbeit macht, wird der Tyrann ihm kein Leid antun. Hoffe ich. Aber ich kann seine Sorgen nachvollziehen. Zwar bin ich nicht in der Lage, jeden Sklaven der Welt zu befreien. Aber vielleicht gelingt es uns ja bei diesem einen. Und wir haben auch noch was davon.“

Als Piasus vorhin noch von der Treue zu seinem Herrn sprach, gefiel ihm das sehr. Jedem Merowa hätte das gefallen. Dass die Mykerios, dieses Volk aus dem Süden, möglicherweise auch viel auf die Treue gab, das hatte Simund nicht erwartet. Vielleicht hatten beide Völker doch mehr gemein, als er zuvor vermutete. Eigentlich wusste er nichts über Piasus und die Menschen aus seiner Heimat. Er sollte sich schämen, unwissend ein Urteil zu fällen.

„Nun bin ich an der Reihe“, riss Piasus ihn aus den Gedanken. „Ich will auch mal was fragen.“

„Äh, natürlich.“

Piasus drehte den Kopf zu ihm. „Wenn es nicht zu viel verlangt ist. Wie ist das abgelaufen, damals mit deiner Sippe und Hartried. Deine Familie wurde ja ausgelöscht, bis auf Melinde.“

Simund legte sich auf den harten Stein und schloss die Augen. Im Geiste sah er wieder das brennende Fürstenhaus, das ihn und Melinde zu begraben drohte. Er hörte die Schreie seiner Verwandten, allen voran seiner Mutter, draußen auf dem Hof. Bis sie verstummten.

„Ein bisschen kompliziert“, bemerkte Simund.

„Wir haben Zeit.“ Piasus wippte mit der Angel. „Das dauert noch etwas, schätze ich.“

„Nachdem Cherus das Land von den Untoten befreit hatte, ließ er die versammelten Fürsten seinen Nachfolger wählen. Es sollte Doderried, vom Stamme der Haldever sein. Sein treuester Freund. Dann verschwand er.“

„Einfach so?“, unterbrach ihn Piasus. „Hat er sich auch richtig verabschiedet?“

„Nicht wirklich. Aber er soll den Anwesenden seine göttliche Gestalt offenbart haben.“

„Warst du dabei?“

„… Nein“

„Wie ist das abgelaufen?“

„Ich weiß es nicht. Doch alle waren davon überzeugt, dass Cherus ein Gott war. Sie haben etwas … gesehen. Etwas, dass sie nicht beschreiben konnten. Doch alle erzählten von einem gleißenden Licht, welches es ihnen schwer machte, den Gott auch nur anzuschauen. Und das Gefühl, etwas Großem gegenüberzustehen, bei dem man sich nur klein und … sterblich fühlen kann.“

Piasus nickte bedeutungsvoll. „Trotzdem, schwer zu glauben. Und was geschah danach?“

„Doderried herrschte ein paar Jahre lang. Dann wurde er krank und verstarb. Und wieder ging es darum, einen neuen König zu wählen. Die Haldever stellten einen der Ihren zur Wahl. Meine Sippe wollte mich vorschlagen, weil ich der einzige Sohn von Cherus war, der aus der Ehe mit einer Fürstentochter stammte. Jedoch war ich gerade mal fünf. Dann kam Hartrieds Sippe. Man kannte Hartried, neu war aber, dass er auch eine Fürstentochter geheiratet hatte. Manche glaubten, dass sei nicht rechtens gewesen.“

„Ha! Er hat sich einfach in eine feine Gesellschaft eingeheiratet!“

Simund ignorierte diese Bemerkung. „Es kam zu keiner Wahl. Stattdessen begann das Morden. Die Fürsten waren sich uneins, Dispute wurden mit blutiger Klinge beigelegt. Zuerst waren die Haldever dran. Dann unser Geschlecht. Wir beide sind die einzigen, die übrig geblieben sind. Der Fürst von Spatzensturz war ein Verbündeter unseres Geschlechts und versteckte uns.“

„Bis die Zeit reif war.“

Simund richtete sich auf und sah Piasus fragend an. „Was?“

„Darum bist du doch jetzt hier, oder? Du bist alt genug, um selber König zu werden. Oder worum geht es dir? Um Rache? Ist es das?“

„Ich … ich weiß es selber nicht.“

„Nun, du hast mich nach meiner Motivation gefragt, also darf ich jetzt wohl erfahren, wie es um deine bestellt ist?“

„Ich weiß es wirklich nicht.“

„Hast du Angst, gegen Hartried zu kämpfen?“

Ja, das hatte er. Simund nahm den Blick von Piasus und starrte lieber auf das Wasser hinaus. Er wollte es nicht aussprechen, aber er fürchtete sich tatsächlich davor, Hartried direkt gegenüberzustehen.

„Kann ich dir nicht übelnehmen. Ich habe ihn auf dem Schlachtfeld erlebt, als ein Bund von Stadtstaaten vom Goldmeer gegen die Stämme der Merowa Krieg führte. Hartried brach mit seinem Hirsch in unsere Reihen. Sein Hirsch spießte Männer auf, deren Namen ich kannte, während er seinen Speer warf, der Schilde und Rüstungen durchbrach und wie durch Zauberhand wieder zu ihm zurückfand. Unsere Klingen prallten an ihm ab, als wäre sein Körper aus Eisen. Ich war ja nicht weit entfernt, habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.“ Piasus schüttelte mit dem Kopf. „Das klingt vielleicht wie eine schwache Ausrede. Aber als alle anderen die Beine in die Hand nahmen, musste ich einfach auch fliehen. Was hätte ich alleine ausrichten können?“, sprach er mit einem müden Lächeln.

Piasus erschrak, die Angel begann zu zucken.

„Ich glaube es nicht, da beißt ja wirklich einer an!“

„Ist es ein großer?“

Piasus stand auf und stemmte sich gegen die Angel. „Fühlt sich groß an, der gibt sich ja richtig Mühe!“

Simund packte mit an und gemeinsam zogen sie einen Fisch aus dem dunklen Wasser, von einer Größe, die Simund nicht erwartet hätte.

Vielen Dank fürs Lesen!
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