Adolf Hitler / Mein Kampf (Band 2, Kapitel 7.)
7 . Kapitel
Das Ringen mit der roten Front
Ich habe 1919/20 und auch 1921 persönlich sogenannte bürgerliche Versammlungen besucht. Sie übten auf mich immer denselben Eindruck aus wie in meiner Jugend der befohlene Löffel Lebertran. Man soll ihn nehmen, und er soll sehr gut sein, aber er schmeckt scheußlich! Würde man das deutsche Volk mit Stricken zusammenbinden und es mit Gewalt in diese bürgerlichen „Kundgebungen“ hineinziehen und bis nach Schluß jeder Vorstellung die Türen absperren und keinen herauslassen, so könnte das vielleicht in einigen Jahrhunderten auch zum Erfolge führen. Allerdings muß ich offen gestehen, daß mich dann wahrscheinlich das Leben nicht mehr freuen würde und ich dann lieber auch gar kein Deutscher mehr sein wollte. Nachdem man aber das, Gott sei Lob und Dank, nicht kann, soll man sich nur nicht wun-dern, wenn das gesunde unverdorbene Volk „bürgerliche Massenversammlungen“ meidet wie der Teufel das Weih-wasser.
Ich habe sie kennengelernt, diese Propheten einer bürger-lichen Weltanschauung, und wundere mich wirklich nicht, sondern verstehe, warum sie dem gesprochenen Wort keiner-lei Bedeutung beimessen. Ich besuchte damals Versamm-lungen der Demokraten, der Deutschnationalen, der Deutsch-Volksparteiler und auch der Bayerischen Volksparteiler (bayer. Zentrum). Was einem dabei sofort auffiel, war die homogene Geschlossenheit der Zuhörer. Es waren fast immer nur Parteiangehörige, die an einer solchen Kundgebung teilnahmen. Das Ganze, ohne jede Disziplin, glich mehr einem gähnenden Kartenspielklub als einer Versammlung des Volkes, das soeben seine größte Revolution durchgemacht.
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Um diese friedliche Stimmung zu erhalten, geschah denn auch von seiten der Referenten alles, was nur geschehen konnte. Sie redeten, oder besser, sie lasen meist Reden vor im Stil eines geistreichen Zeitungsartikels oder einer wis-senschaftlichen Abhandlung, mieden alle Kraftwörter und brachten hie und da einen schwächlichen professoralen Witz dazwischen, bei dem der ehrenwerte Vorstandstisch pflicht-gemäß zu lachen begann; wenn auch nicht laut, also aufrei-zend zu lachen, so doch vornehm gedämpft und zurückhaltend.
Und überhaupt schon dieser Vorstandstisch!
Ich sah einmal eine Versammlung im Wagnersaal zu München; es war eine Kundgebung anläßlich der Wieder-kehr des Tages der Völkerschlacht bei Leipzig. Die Rede hielt oder las ein würdiger alter Herr, Professor an irgend-einer Universität. Auf dem Podium saß der Vorstand. Links ein Monokel, rechts ein Monokel und zwischendrin einer ohne Monokel. Alle drei im Gehrock, so daß man den Ein-druck erhielt entweder eines Gerichtshofes, der soeben eine Hinrichtung vorhat, oder einer feierlichen Kindstaufe, jedenfalls also eines mehr religiösen Weiheaktes. Die soge-nannte Rede, die sich gedruckt vielleicht ganz schön ausge-nommen hätte, war in ihrer Wirkung einfach fürchterlich. Schon nach dreiviertel Stunden döste die ganze Versamm-lung in einem Trancezustand dahin, der nur unterbrochen wurde von dem Hinausgehen einzelner Männlein und Weiblein, dem Geklapper der Kellnerinnen und dem Gäh- nen immer zahlreicherer Zuhörer. Drei Arbeiter, die, sei es aus Neugierde oder als beauftragte Posten, in der Versammlung anwesend waren, und hinter denen ich mich postierte, blickten sich von Zeit zu Zeit mit schlecht verhehl-tem Grinsen an und stießen sich endlich gegenseitig mit dem Ellbogen, worauf sie ganz leise den Saal verließen. Man sah es ihnen an, daß sie um keinen Preis stören wollten. Es war dies bei dieser Gesellschaft auch wirklich nicht not-wendig. Endlich schien sich die Versammlung dem Ende zu-zuneigen. Nachdem der Professor, dessen Stimme unterdes-sen immer leiser und leiser geworden war, seinen Vortrag beschlossen hatte, erhob sich der zwischen beiden Monokel-
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trägern sitzende Versammlungsleiter und schmetterte die anwesenden „deutschen Schwestern“ und „Brüder“ an, wie groß sein Dankgefühl sei und ihre Empfindung in dieser Richtung sein müsse für den einzigartigen und herrlichen Vortrag, den ihnen Herr Professor X. in ebenso genußreicher wie gründlicher und tiefschürfender Art hier gegeben habe, und der im wahrsten Sinne des Wortes ein „inneres Er-leben“, ja eine „Tat“ gewesen sei. Es würde eine Profa-nierung dieser weihevollen Stunde bedeuten, wollte man an diese lichten Ausführungen noch eine Diskussion anfügen, so daß er deshalb im Sinne aller Anwesenden von einer solchen Aussprache absehe und statt dessen alle ersuche, sich von den Sitzen zu erheben, um einzustimmen in den Ruf: „Wir sind ein einig Volk von Brüdern“ usw. Endlich forderte er als Abschluß zum Gesange des Deutschland-liedes auf.
Und dann sangen sie, und mir kam es vor, als ob schon bei der zweiten Strophe die Stimmen etwas weniger würden und nur beim Refrain wieder mächtig anschwollen, und bei der dritten verstärkte sich diese Empfindung, so daß ich glaubte, daß nicht alle ganz sicher im Text gewesen sein mögen.
Allein was tut dies zur Sache, wenn ein solches Lied in voller Inbrunst aus dem Herzen einer deutschnationalen Seele zum Himmel tönt!
Daraufhin verlor sich die Versammlung, d.h. es eilte jeder, daß er schnell hinauskam, die einen zum Bier, die anderen in ein Café und wieder andere in die frische Luft.
Jawohl, hinaus in die frische Luft, nur hinaus! Das war auch meine einzige Empfindung. Und das soll zur Ver-herrlichung eines heldenmütigen Ringens von Hundert-tausenden von Preußen und Deutschen dienen? Pfui Teufel und wieder Pfui Teufel!
So etwas mag die Regierung freilich lieben. Das ist natürlich eine „friedliche“ Versammlung. Da braucht der Minister für Ruhe und Ordnung wirklich keine Angst zu haben, daß die Wogen der Begeisterung plötzlich das behörd-liche Maß bürgerlicher Anständigkeit sprengen könnten; daß plötzlich im Rausche der Begeisterung die Menschen aus
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dem Saale strömen, nicht um ins Cafè oder Wirtshaus zu eilen, sondern um in Viererreihen im gleichen Schritt und Tritt mit „Deutschland hoch in Ehren“ durch die Straßen der Stadt zu marschieren und einer ruhebedürftigen Polizei dadurch Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Nein, mit solchen Staatsbürgern kann man zufrieden sein.
Dagegen waren die nationalsozialistischen Versamm-lungen allerdings keine „friedlichen“ Versammlungen. Da prallten ja die Wogen zweier Weltanschauungen gegen-einander, und sie schlossen nicht mit dem faden Her-unterleiern irgendeines patriotischen Liedes, sondern mit dem fanatischen Ausbruch völkischer und nationaler Lei-denschaft.
Es war gleich von Beginn an wichtig, in unseren Ver-sammlungen blinde Disziplin einzuführen und die Autori- tät der Versammlungsleitung unbedingt sicherzustellen. Denn was wir redeten, war nicht das kraftlose Gewäsch eines bürgerlichen „Referenten“, sondern war durch Inhalt und Form immer geeignet, den Gegner zur Entgegnung zu reizen! Und Gegner waren in unseren Versammlungen! Wie oft kamen sie herein in dicken Mengen, einzelne Hetzer zwischen ihnen und auf allen Gesichtern die Überzeugung widerspiegelnd: Heute machen wir Schluß mit euch!
Ja, wie oft sind sie damals buchstäblich in Kolonnen hereingeführt worden, unsere Freunde von der roten Farbe, mit der vorher genau eingetrichterten Aufgabe, heute abend den ganzen Kram auseinanderzuhauen und der Geschichte ein Ende zu machen! Und wie oft stand dann alles auf Spitz und Kopf, und nur die rücksichtslose Energie unserer Ver-sammlungsleitung und das brutale Draufgängertum unseres Saalschutzes konnte immer wieder die gegnerische Absicht vereiteln.
Und sie hatten allen Grund, gereizt zu sein.
Schon die rote Farbe unserer Plakate zog sie in unsere Versammlungssäle. Das normale Bürgertum war ja ganz
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entsetzt darüber, daß auch wir zum Rot der Bolschewiken gegriffen hatten, und man sah darin eine sehr zweideutige Sache. die deutschnationalen Geister flüsterten sich im stil-len immer wieder den Verdacht zu, daß wir im Grunde ge-nommen auch nur eine Spielart des Marxismus wären, vielleicht überhaupt nur verkappte Marxisten oder besser Sozialisten. Denn den Unterschied zwischen Sozialismus und Marxismus haben diese Köpfe bis heute noch nicht be-griffen. Besonders als man auch noch entdeckte, daß wir in unseren Versammlungen grundsätzlich keine „Damen und Herren“, sondern nur „Volksgenossen und –genossinnen“ begrüßten und unter uns nur von Parteigenossen sprachen, da schien das marxistische Gespenst für viele unserer Gegner erwiesen. Wie oft haben wir uns geschüttelt vor Lachen über diese einfältigen bürgerlichen Angsthasen angesichts des geistvollen Rätselratens über unsere Herkunft, unsere Absichten und unser Ziel.
Wir haben die rote Farbe unserer Plakate nach genauem und gründlichem Überlegen gewählt, um dadurch die linke Seite zu reizen, zur Empörung zu bringen und sie zu ver-leiten, in unsere Versammlungen zu kommen, wenn auch nur, um sie zu sprengen, damit wir auf diese Weise über-haupt mit den Leuten reden konnten.
Es war nun köstlich, in diesen Jahren die Ratlosigkeit und auch Hilflosigkeit unserer Gegner an ihrer ewig schwan-kenden Taktik zu verfolgen. Erst forderten sie ihre An-hänger auf, von uns keine Notiz zu nehmen und unsere Versammlungen zu meiden.
Dies wurde auch im allgemeinen befolgt.
Da aber im Laufe der Zeit einzelne dennoch kamen und diese Zahl sich langsam, aber immer mehr vermehrte und der Eindruck unserer Lehre ersichtlich war, wurden die Füh-rer allmählich nervös und unruhig und verbohrten sich in die Überzeugung, daß man dieser Entwicklung nicht ewig zusehen dürfe, sondern mit Terror ein Ende bereiten müsse.
Daraufhin kamen nun die Aufforderungen an die „klas-senbewußten Proletarier“, in Massen in unsere Versamm-lungen zu gehen, um die „monarchistische, reaktionäre
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Hetze“ in ihren Vertretern mit den Fäusten des Proleta- riats zu treffen.
Da waren auf einmal unsere Versammlungen schon drei-viertel Stunden vor der Zeit gefüllt mit Arbeitern. Sie glichen einem Pulverfaß, daß jeden Augenblick in die Luft gehen konnte und an dem schon die brennende Lunte lag. Doch kam es immer anders. Die Menschen kamen herein als unsere Feinde und gingen hinaus, wenn schon nicht als unsere Anhänger, so doch als nachdenklich, ja kritisch ge-wordene Prüfer der Richtigkeit ihrer eigenen Lehre. All-mählich aber wurde es so, daß nach meinem dreistündigen Vortrag Anhänger und Gegner in eine einzige begeisterte Masse zusammenschmolzen. Da war dann jedes Signal zum Sprengen vergeblich. Und da bekamen es die Führer erst recht mit der Angst zu tun, und man wendete sich wieder denen zu, die gegen diese Taktik schon früher Stellung ge-nommen hatten und die jetzt mit einem gewissen Schein von Recht auf ihre Ansicht hinwiesen, das allein Richtige sei es, dem Arbeiter grundsätzlich den Besuch unserer Ver-sammlungen zu verbieten.
Da kamen sie nicht mehr oder doch weniger. Allein schon nach kurzer Zeit begann das ganze Spiel erneut von vorne.
Das Verbot wurde doch nicht gehalten, die Genossen kamen immer mehr, und endlich siegten wieder die An-hänger der radikalen Taktik. Wir sollten gesprengt werden.
Wenn sich dann nach zwei, drei, oft auch acht und zehn Versammlungen herausstellte, daß das Sprengen leichter gesagt als getan war und das Ergebnis jeder einzelnen Ver-sammlung ein Abbröckeln der roten Kampftruppen bedeu-tete, dann kam plötzlich wieder die andere Parole: „Prole-tarier, Genossen und Genossinnen! Meidet die Versamm-lungen der nationalsozialistischen Hetzer!"
Die gleiche, ewig schwankende Taktik fand man übrigens auch in der roten Presse. Bald versuchte man uns totzu-schweigen, um sich dann von der Zwecklosigkeit dieses Ver-suchs zu überzeugen und wieder zum Gegenteil zu greifen. Wir wurden jeden Tag irgendwie „erwähnt“, und zwar meistens, um dem Arbeiter die unbedingte Lächerlichkeit
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unserer ganzen Existenz klarzumachen. Nach einiger Zeit mußten die Herren aber doch fühlen, daß uns das nicht nur nicht schadete, sondern im Gegenteil insofern nützte, als natürlich viele einzelne sich doch die Frage vorlegen muß-ten, warum man denn einer Erscheinung soviel Worte widme, wenn sie eine so lächerliche war. Die Leute wurden neugierig. Darauf schwenkte man plötzlich und begann, uns eine Zeitlang als wahre Generalverbrecher der Menschheit zu behandeln. Artikel über Artikel, in denen unser Ver-brechertum erläutert und immer wieder aufs neue bewiesen wurde, Skandalgeschichten, wenn auch von A bis Z aus den Fingern gesogen, sollten dann noch ein übriges tun. Allein von der Wirkungslosigkeit auch dieser Angriffe schien man sich nach kurzer Zeit überzeugt zu haben; im Grunde ge-nommen half dies alles ja nur mit, die allgemeine Auf-merksamkeit erst recht auf uns zu konzentrieren.
Ich habe damals den Standpunkt eingenommen: Ganz gleich, ob sie über uns lachen oder schimpfen, ob sie uns als Hanswurste oder als Verbrecher hinstellen; die Haupt-sache ist, daß sie uns erwähnen, daß sie sich immer wieder mit uns beschäftigen, und daß wir allmählich in den Augen der Arbeiter selber wirklich als die Macht erscheinen, mit der zur Zeit allein noch eine Auseinandersetzung stattfindet. Was wir wirklich sind und was wir wirklich wollen, das werden wir eines schönen Tages der jüdischen Pressemeute schon zeigen.
Ein Grund, warum es damals meist nicht zu direkten Sprengungen unserer Versammlungen kam, war allerdings auch die ganz unglaubliche Feigheit der Führer unserer Gegner. In allen kritischen Fällen haben sie kleine Häns-chen vorgeschickt, höchstens außerhalb der Säle auf das Resultat der Sprengung gewartet.
Wir waren über die Absichten der Herrschaften fast im- mer sehr gut unterrichtet. Nicht nur, weil wir aus Zweck-mäßigkeitsgründen selbst viele Parteigenossen innerhalb der roten Formationen stecken ließen, sondern weil die roten Drahtzieher selbst von einer, in diesem Falle uns sehr nütz-lichen Geschwätzigkeit ergriffen waren, wie man sie in un-
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serem deutschen Volke leider überhaupt sehr häufig findet. Sie konnten nicht dicht halten, wenn sie so etwas ausgebrütet hatten, und zwar pflegten sie meistens schon zu gackern, ehe noch das Ei gelegt war. So hatten wir oft und oft die umfassendsten Vorbereitungen getroffen, ohne daß die roten Sprengkommandos selbst auch nur eine Ahnung be-saßen, wie nahe ihnen der Hinauswurf bevorstand.
Diese Zeit zwang uns, den Schutz unserer Versammlun- gen selbst in die Hand zu nehmen; auf den behördlichen Schutz kann man nie rechnen; im Gegenteil, er kommt er-fahrungsgemäß immer nur den Störern zugute. Denn der einzige tatsächliche Erfolg eines behördlichen Eingreifens, und zwar durch Polizei, war höchstens die Auflösung der Versammlung, also ihre Schließung. Und das war ja auch einzig das Ziel und die Absicht der gegnerischen Störer.
Überhaupt hat sich hier bei der Polizei eine Praxis her-ausgebildet, die das Ungeheuerlichste an Rechtswidrigkeit darstellt, das man sich vorstellen kann. Wenn nämlich durch irgendwelche Drohungen der Behörde bekannt wird, daß die Gefahr einer Versammlungssprengung besteht, dann verhaftet diese nicht die Droher, sondern verbietet den anderen, Unschuldigen, die Versammlung, auf welche Weis-heit sich ein normaler Polizeigeist noch kolossal viel ein-bildet. Sie nennen es eine „vorbeugende Maßnahme zur Verhinderung einer Gesetzwidrigkeit“.
Der entschlossene Bandit hat es also jederzeit in der Hand, dem anständigen Menschen seine politische Tätigkeit und Betätigung unmöglich zu machen. Im Namen der Ruhe und Ordnung beugt sich die Staatsautorität vor dem Ban-diten und ersucht den anderen, diesen gefälligst nicht zu provozieren. Wenn also Nationalsozialisten an gewissen Stellen Versammlungen abhalten wollten und die Gewerk-schaften erklärten, daß dies zu einem Widerstand seitens ihrer Mitglieder führen würde, dann setzte die Polizei bei-leibe nicht die erpresserischen Burschen hinter Schloß und Riegel, sondern verbot uns die Versammlung. Ja, diese Organe des Gesetzes besaßen sogar die unglaubliche Scham-losigkeit, uns dies unzählige Male schriftlich mitzuteilen.
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Wollte man sich vor solchen Eventualitäten schützen, mußte man also dafür sorgen, daß jeder Versuch einer Störung schon im Keim unmöglich wurde.
Hierbei kam aber noch folgendes in Betracht: Jede Versammlung, die ihren Schutz aus-schließlich durch die Polizei erhält, diskre-ditiert die Veranstalter in den Augen der breiten Masse. Versammlungen, deren Abhaltung nur durch die Abstellung eines großen Polizeiaufgebotes ga-rantiert werden, wirken nicht werbend, insofern die Vor-aussetzung zum Gewinnen der unteren Schichten eines Vol-kes immer eine ersichtlich vorhandene Kraft ist.
So wie ein mutiger Mann Frauenherzen leichter erobern wird als ein Feigling, so gewinnt eine heldenhafte Bewe-gung auch eher das Herz eines Volkes als eine feige, die nur durch polizeilichen Schutz am Leben erhalten wird.
Besonders aus diesem letzteren Grunde mußte die junge Partei dafür sorgen, ihre Existenz selbst zu vertreten, sich selbst zu schützen und den gegnerischen Terror selbst zu brechen.
Der Versammlungsschutz wurde aufgebaut:
- auf einer energischen und psycholo-gisch richtigen Leitung der Versammlung;
- auf einem organisierten Ordnertrupp.
Wenn wir Nationalsozialisten damals eine Versammlung abhielten, waren wir Herren derselben und nicht ein anderer. Und wir haben dieses Herrenrecht ununterbrochen in jeder Minute schärfstens betont. Unsere Gegner wußten ganz genau, daß, wer damals provozierte, unnachsichtlich hinausflog, und wären wir selbst nur ein Dutzend gewesen unter einem halben Tausend. In den damaligen Versamm-lungen, besonders außerhalb Münchens, trafen auf fünf- zehn, sechzehn Nationalsozialisten fünf-, sechs-, sieben- und achthundert Gegner. Allein wir hätten dennoch keine Pro-vokation geduldet, und unsere Versammlungsbesucher wuß-ten sehr gut, daß wir uns lieber hätten totschlagen lassen, als zu kapitulieren. Es war auf öfter als einmal, daß
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sich eine Handvoll Parteigenossen gegen eine brüllende und schlagende rote Übermacht heldenmütig durch- gesetzt hat.
Sicherlich wären in solchen Fällen diese fünfzehn oder zwanzig Mann zum Schlusse überwältigt worden. Allein die anderen wußten, daß vorher mindestens der doppelten oder dreifachen Zahl von ihnen der Schädel eingeschlagen wor-den wäre, und das riskierten sie nicht gerne.
Wir haben hier aus dem Studium marxistischer und bürgerlicher Versammlungstechnik zu lernen versucht und haben auch gelernt.
Die Marxisten hatten von jeher eine blinde Disziplin, so daß der Gedanke der Sprengung einer marxistischen Ver-sammlung wenigstens von bürgerlicher Seite gar nicht kom-men konnte. Um so mehr beschäftigten sich immer die Roten selbst mit derlei Absichten. Sie hatten es allmählich nicht nur zu einer bestimmten Virtuosität auf diesem Gebiete ge-bracht, sondern gingen endlich so weit, in großen Gebieten des Reiches eine nichtmarxistische Versammlung an sich schon als Provokation des Proletariats zu bezeichnen; be-sonders dann, wenn die Drahtzieher witterten, daß bei der Versammlung ihr eigenes Sündenregister vielleicht auf-gezählt werden könnte, um die Niedertracht ihrer volks-belügenden und volksbetrügerischen Tätigkeit zu enthüllen. Sowie dann auch eine solche Versammlung angekündigt wurde, erhob die gesamte rote Presse ein wütendes Ge-schrei, wobei sich diese prinzipiellen Gesetzesverächter nicht selten als erste an die Behörden wandten mit der ebenso dringenden als drohenden Bitte, diese „Provokation des Proletariats“, „auf daß Ärgeres verhütet werde“, sofort zu verhindern. Je nach der Größe des beamteten Kalbskopfes wählten sie ihre Sprache und erzielten ihren Erfolg. Befand sich aber auf einem solchen Posten ausnahmsweise wirklich ein deutscher Beamter, nicht eine beamtete Kreatur, und lehnte die unverschämte Zumutung ab, dann folgte die be-kannte Aufforderung, eine solche „Provokation des Prole-tariats“ nicht zu dulden, sondern sich am Soundsovielten in Massen in der Versammlung einzufinden, um „den bürger-
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lichen Kreaturen mit Hilfe der schwieligen Faust des Prole-tariats das schandvolle Handwerk zu legen".
Nun muß man so eine bürgerliche Versammlung gesehen, muß ihre Versammlungsleitung in ihrem ganzen Jammer und in ihrer Angst einmal miterlebt haben! Gar oft wurde ja auf solche Drohungen hin eine Versammlung glatt ab-gesagt. Immer war aber die Furcht so groß, daß man statt um acht Uhr selten vor drei Viertel neun Uhr oder neun Uhr zur Eröffnung kam. Der Vorsitzende bemühte sich dann durch neunundneunzig Komplimente, den anwesenden „Herren der Opposition“ klarzumachen, wie sehr er und auch alle anderen Anwesenden sich innerlich freuten (glatte Lüge!) über den Besuch von Männern, die noch nicht auf ihrem Boden stünden, weil ja nur durch gegenseitige Aus-sprache (die er damit gleich von vornherein feierlichst zu-sagte) die Auffassungen einander nähergebracht, das gegen-seitige Verständnis geweckt und eine Brücke geschlagen werden könnte. Wobei er nebenbei noch versicherte, daß es keineswegs die Absicht der Versammlung wäre, Leute ihrer bisherigen Auffassung etwa abspenstig zu machen. Beileibe nein, es solle nur jeder nach seiner Fasson selig werden, aber auch den anderen selig werden lassen, und darum bitte er, daß man den Referenten seine Ausführun-gen, die ohnedies nicht sehr lang sein würden, zu Ende führen lasse und der Welt nicht auch in dieser Versamm- lung das beschämende Schauspiel des inneren deutschen Bruderhaders biete… Brrr.
Das Brudervolk von links hatte dafür allerdings meist kein Verständnis; sondern ehe der Referent noch begonnen hatte, mußte er unter den wüstesten Beschimpfungen auch schon zusammenpacken, und man erhielt nicht selten den Eindruck, als ob er dem Schicksal noch dankbar wäre für die schnelle Abkürzung der martervollen Prozedur. Unter ungeheurem Spektakel verließen solche bürgerlichen Ver-sammlungstoreadore die Arena, sofern sie nicht mit zer-beulten Köpfen die Treppen hinunterflogen, was sogar oft der Fall war.
So bedeutete es für die Marxisten allerdings etwas Neues,
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als wir Nationalsozialisten unsere ersten Versammlungen aufzogen, und besonders wie wir sie aufzogen. Sie kamen herein in der Überzeugung, das Spielchen, das sie so oft gespielt, selbstverständlich auch bei uns wiederholen zu können. „Heute machen wir Schluß!“ Wie so mancher hat nicht diesen Satz beim Hereingehen in unsere Versammlung großmäulig einem anderen zugerufen, um blitzschnell, ehe er noch zum zweiten Zwischenruf kam, schon vor dem Saaleingang zu sitzen.
Erstens war schon die Leitung der Versammlung bei uns eine andere. Es wurde nicht darum gebettelt, unseren Vor-trag gnädigst zu gestatten, auch nicht von vornherein jedem eine endlose Aussprache zugesichert, sondern kurzerhand festgestellt, daß die Herren der Versammlung wir seien, daß wir infolgedessen das Hausrecht besäßen, und daß jeder, der es wagen sollte, auch nur einen Zwischenruf zu machen, unbarmherzig dort hinausflöge, von wo er herein-gekommen sei. Daß wir weiter jede Verantwortung für einen solchen Burschen ablehnen müßten; wenn Zeit bleibe und es uns paßte, so würden wir eine Diskussion stattfinden lassen, wenn nicht, dann keine, und der Herr Referent, Pg. Soundso, habe jetzt das Wort.
Schon darüber staunten sie.
Zweitens verfügten wir über einen straff organisierten Saalschutz. Bei den bürgerlichen Parteien pflegte dieser Saalschutz oder besser Ordnerdienst meistens aus Herren zu bestehen, die in der Würde ihres Alters ein gewisses Anrecht auf Autorität und Respekt zu besitzen glaubten. Da sich nun die marxistisch verhetzten Massen um Alter, Auto-rität und Respekt nicht im geringsten kümmerten, war die Existenz dieses bürgerlichen Saalschutzes praktisch sozusagen aufgehoben.
Ich habe gleich zu Beginn unserer großen Versammlungs-tätigkeit die Organisation eines Saalschutzes eingeleitet als einen Ordnerdienst, der grundsätzlich lauter junge Burschen umfaßte. Es waren zum Teil Kameraden, die ich vom Militärdienst her kannte, andere erst gewonnene junge Parteigenossen, die von allem Anbeginn darüber belehrt
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und daraufhin erzogen wurden, daß Terror nur durch Terror zu brechen sei, daß auf dieser Erde der Mutige und Entschlossene noch stets den Erfolg für sich gehabt habe; daß wir für eine gewaltige Idee fechten, so groß und erhaben, daß sie sehr wohl verdiene, mit dem letzten Trop-fen Blut beschirmt und beschützt zu werden. Sie waren durchdrungen von der Lehre, daß, wenn einmal die Ver- nunft schweige und die Gewalt die letzte Entscheidung habe, die beste Waffe der Verteidigung im Angriff liege, und daß unserer Ordnertruppe der Ruf schon vorangehen müsse, kein Debattierklub, sondern eine zum äußersten entschlossene Kampfgemeinschaft zu sein.
Und wie hatte sich diese Jugend nicht nach einer solchen Parole gesehnt!
Wie ist diese Feldzugsgeneration enttäuscht und ent- rüstet gewesen, voll Ekel und Abscheu über die bürgerliche Schlappschwänzigkeit!
Da wurde es einem so recht klar, wie die Revolution wirklich nur dank der verheerenden bürgerlichen Führung unseres Volkes möglich war. Die Fäuste, das deutsche Volk zu beschützen, sie wären selbst damals noch dagewesen, nur die Schädel für den Einsatz hatten gefehlt. Wie haben mich die Augen meiner Jungens damals oft angeleuchtet, wenn ich ihnen die Notwendigkeit ihrer Mission auseinandersetzte, ihnen immer und immer wieder versicherte, daß alle Weis-heit auf dieser Erde erfolglos bleibt, wenn nicht die Kraft in ihre Dienste tritt, sie beschirmt und schützt, daß die milde Göttin des Friedens nur an der Seite des Kriegsgottes wandeln kann, und daß jegliche große Tat dieses Friedens des Schutzes und der Hilfe der Kraft bedarf! Wie ist ihnen der Gedanke der Wehrpflicht nun in einer viel lebendigeren Form aufgegangen! Nicht in dem verkalkten Sinn alter, verknöcherter Beamtenseelen, im Dienste der toten Autori-tät eines toten Staates, sondern in der lebendigen Erkennt- nis der Pflicht, durch Hingabe des Lebens des einzelnen für das Dasein seines Volkes im gesamten einzutreten, immer und jederzeit, an jeder Stelle und an jedem Orte.
Und wie sind diese Jungen dann eingetreten!
Bedeutung des einheitlichen Systems 551
Gleich einem Schwarm von Hornissen flogen sie auf die Störer unserer Versammlungen los, ohne Rücksicht auf deren Übermacht, und mochte sie eine noch so große sein, ohne Rücksicht auf Wunden und blutige Opfer, ganz erfüllt von dem großen Gedanken, der heiligen Mission unserer Be-wegung freie Bahn zu schaffen.
Schon im Hochsommer 1920 nahm die Organisation der Ordnertruppe allmählich bestimmte Formen an, um sich im Frühjahr 1921 nach und nach in Hundertschaften zu glie-dern, die sich selbst wieder in Gruppen teilten.
Und dies war dringend notwendig, denn unterdessen war die Versammlungstätigkeit dauernd gestiegen. Wohl kamen wir auch jetzt noch oft im Münchener Hofbräuhaus-festsaal zusammen, allein noch öfter in den größeren Sälen der Stadt. Der Bürgerbräufestsaal und der Münchner- Kindl-Keller erlebten im Herbst und Winter 1920/21 im- mer gewaltigere Massenversammlungen, und das Bild war immer dasselbe: Kundgebungen der NSDAP. mußten schon damals meist vor Beginn wegen Überfüllung polizeilich gesperrt werden.
Die Organisation unserer Ordnertruppe brachte eine sehr wichtige Frage zur Klärung. Die Bewegung besaß bis dort-hin kein Parteizeichen und auch keine Parteiflagge. Das Fehlen solcher Symbole hatte nicht nur augenblicklich Nach-teile, sondern war für die Zukunft unerträglich. Die Nach-teile bestanden vor allem darin, daß den Parteigenossen jedes äußere Kennzeichen ihrer Zusammengehörigkeit fehlte, während es für die Zukunft nicht zu ertragen war, eines Zeichens entbehren zu müssen, daß den Charakter eines Symbols der Bewegung besaß und als solches der Inter-nationale entgegengesetzt werden konnte.
Welche Bedeutung aber einem solchen Symbol psycho-logisch zukommt, hatte ich schon in meiner Jugend öfter als einmal Gelegenheit zu erkennen und auch gefühlsmäßig zu
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verstehen. Nach dem Krieg erlebte ich dann in Berlin eine Massenkundgebung des Marxismus vor dem Kgl. Schloß und Lustgarten. Ein Meer von roten Fahnen, roten Binden und roten Blumen gab dieser Kundgebung, an der schät-zungsweise hundertzwanzigtausend Personen teilnahmen, ein schon rein äußerlich gewaltiges Ansehen. Ich konnte selbst fühlen und verstehen, wie leicht der Mann aus dem Volke dem suggestiven Zauber eines solchen grandios wir-kenden Schauspiels unterliegt.
Das Bürgertum, das parteipolitisch überhaupt keine Welt-anschauung vorstellt oder vertritt, hatte darum auch keine eigene Fahne. Es bestand aus „Patrioten“ und lief demnach in den Farben des Reiches herum. Wären diese selbst das Symbol einer bestimmten Weltanschauung gewesen, dann hätte man es verstehen können, daß die Inhaber des Staates in dessen Flagge auch die Repräsentantin ihrer Weltanschauung erblickten, da ja das Symbol ihrer Welt-anschauung durch ihre eigene Tätigkeit Staats- und Reichs-flagge geworden war.
So verhielten sich die Dinge aber nicht.
Das Reich war ohne Zutun des deutschen Bürgertums gezimmert und die Flagge selbst aus dem Schoße des Krie-ges geboren worden. Somit war sie aber wirklich nur eine Staatsflagge und besaß keinerlei Bedeutung im Sinne einer besonderen weltanschaulichen Mission.
Nur an einer Stelle des deutschen Sprachgebietes war so etwas wie eine bürgerliche Parteifahne vorhanden, in Deutschösterreich. Indem ein Teil des dortigen nationalen Bürgertums die Farben der achtundvierziger Jahre, Schwarz-Rot-Gold, zu seiner Parteifahne erkoren hatte, schuf es ein Symbol, das, wenn auch weltanschaulich ohne jede Bedeutung, staatspolitisch dennoch revolutionären Cha-rakter trug. Die schärfsten Feinde dieser Fahne Schwarz-Rot-Gold waren damals – dies soll man heute nie vergessen – Sozial-demokraten und Christlich-Soziale bzw. Klerikale. Gerade sie haben damals diese Farben be-schimpft und besudelt und beschmutzt, genau so wie sie spä-
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ter, 1918, Schwarz-Weiß-Rot in die Gosse zogen. Allerdings war das Schwarz-Rot-Gold der deutschen Parteien des alten Österreichs die Farbe des Jahres 48, also einer Zeit, die phantastisch gewesen sein mochte, allein im einzelnen die ehrlichsten deutschen Seelen als Vertreter besaß, wenn auch unsichtbar im Hintergrunde der Jude als Drahtzieher stand. Mithin haben erst der Vaterlandsverrat und die schamlose Verschacherung von deutschem Volke und deut-schem Gute diese Fahne dem Marxismus und dem Zentrum so sympathisch gemacht, daß sie sie heute als höchstes Heiligtum verehren und eigene Banner zum Schutze der von ihnen einst bespienen Flagge gründen.
So stand bis zum Jahre 1920 tatsächlich dem Marxismus keine Fahne gegenüber, die weltanschaulich den polaren Gegensatz zu ihm verkörpert hätte. Denn wenn sich auch das deutsche Bürgertum in seinen besseren Parteien nach dem Jahre 1918 nicht mehr dazu bequemen wollte, die jetzt auf einmal entdeckte schwarzrotgoldene Reichsflagge als sein eigenes Symbol zu übernehmen, so hatte man selbst doch der neuen Entwicklung kein eigenes Programm für die Zukunft entgegenzusetzen, im besten Fall den Gedan- ken einer Rekonstruktion des vergangenen Reiches.
Und diesem Gedanken verdankt die schwarzweißrote Fahne des alten Reiches ihre Wiederauferstehung als Flagge unserer sogenannten nationalen bürgerlichen Par-teien.
Daß nun das Symbol eines Zustandes, der vom Marxismus unter wenig rühmlichen Umständen und Begleiterscheinungen überwunden werden konnte, schlecht zum Zeichen taugt, unter welchem dieser gleiche Marxismus wieder vernichtet wer-den soll, liegt auf der Hand. So heilig und teuer diese alten einzigschönen Farben in ihrer jugendfrischen Zusammenstellung jedem anständigen Deutschen sein müssen, der unter ihnen gekämpft und das Opfer von so vielen gesehen hat, so wenig gilt diese
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Fahne als Symbol für einen Kampf der Zu-kunft.
Ich habe immer, zum Unterschied von bürgerlichen Poli-tikern, in unserer Bewegung den Standpunkt vertreten, daß es für die deutsche Nation ein wahres Glück sei, die alte Fahne verloren zu haben. Was die Republik unter ihrer Flagge macht, kann uns gleichbleiben. Aus tiefstem Her- zen aber sollten wir dem Schicksal danken, daß es gnädig genug die ruhmvollste Kriegsflagge aller Zeiten davor be-wahrt hat, als Bettuch der schmachvollsten Prostitution ver-wendet zu werden. Das heutige Reich, das sich und seine Bürger verkauft, dürfte niemals die schwarzweißrote Ehren- und Heldenfahne führen.
Solange die Novemberschande währt, mag sie auch ihre äußere Hülle tragen und nicht auch diese noch einer red-licheren Vergangenheit zu stehlen versuchen. Unsere bür-gerlichen Politiker sollten es sich in das Gewissen rufen, daß, wer für den Staat die schwarzweißrote Flagge wünscht, einen Diebstahl an unserer Vergangenheit begeht. Die ein-stige Flagge paßte wirklich auch nur für das einstige Reich, genau so wie, Gott sei Lob und Dank, die Republik sich die für sie passende wählte.
Das war auch der Grund, weshalb wir Nationalsozia- listen im Aufziehen der alten Fahne kein ausdrucksvolles Symbol unserer eigenen Tätigkeit hätten erblicken können. Denn wir wollen ja nicht das alte, an seinen eigenen Feh- lern zugrunde gegangene Reich wieder vom Tode erwecken, sondern einen neuen Staat erbauen.
Die Bewegung, die heute in diesem Sinne mit dem Mar-xismus kämpft, muß damit auch in ihrer Fahne schon das Symbol des neuen Staates tragen.
Die Frage der neuen Flagge, d.h. ihr Aussehen, beschäf-tigte uns damals sehr stark. Es kamen von allen Seiten Vorschläge, die allerdings meist besser gemeint als gut ge-lungen waren. Denn die neue Fahne mußte ebensosehr ein Symbol unseres eigenen Kampfes sein, wie sie andererseits auch von großer plakatmäßiger Wirkung sein sollte. Wer sich selbst viel mit der Masse zu beschäftigen hat, wird in all
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diesen scheinbaren Kleinigkeiten doch sehr wichtige An-gelegenheiten erkennen. Ein wirkungsvolles Abzeichen kann in Hunderttausenden von Fällen den ersten Anstoß zum Interesse an einer Bewegung geben.
Aus diesem Grunde mußten wir alle Vorschläge zurück-weisen, unsere Bewegung durch eine weiße Fahne, wie dies von vielen Seiten vorgeschlagen wurde, mit dem alten Staat oder, richtiger, mit jenen schwächlichen Parteien zu identi-fizieren, deren einziges politisches Ziel die Wiederher-stellung vergangener Zustände ist. Außerdem ist Weiß keine mitreißende Farbe. Sie paßt für keusche Jungfrauen-vereinigungen, aber nicht für umwälzende Bewegungen einer revolutionären Zeit.
Auch Schwarz kam in Vorschlag: An sich passend für die heutige Zeit, war in ihr aber keine irgendwie zu deutende Darstellung des Wollens unserer Bewegung gegeben. End-lich wirkt diese Farbe auch nicht mitreißend genug.
Weiß-Blau schied aus, trotz der ästhetisch wundervollen Wirkung, als Farbe eines deutschen Einzelstaates und einer leider nicht im besten Rufe stehenden politischen Einstel-lung auf partikularistische Engherzigkeit. Im übrigen hätte man auch hier nur sehr schwer einen Hinweis auf unsere Bewegung finden können. Das gleiche galt für Schwarz-Weiß.
Schwarz-Rot-Gold kam an sich nicht in Frage.
Auch Schwarz-Weiß-Rot nicht, aus bereits erwähnten Gründen, jedenfalls nicht in der bisherigen Fassung. In der Wirkung steht diese Farbenzusammenstellung aller- dings hoch über allen anderen erhaben. Es ist der strah-lendste Akkord, den es gibt.
Ich selbst trat immer für die Beibehaltung der alten Farben ein, nicht nur weil sie mir als Soldat das Heiligste sind, das ich kenne, sondern weil sie auch in ihrer ästheti-schen Wirkung meinem Gefühl weitaus am meisten ent-sprechen. Dennoch mußte ich die zahllosen Entwürfe, die damals aus den Kreisen der jungen Bewegung einliefen, und die meistens das Hakenkreuz in die alte Fahne hin-eingezeichnet hatten, ausnahmslos ablehnen. Ich selbst – als Führer – wollte nicht sofort mit meinem eigenen
Die nationalsozialistische Flagge 556
Entwurf an die Öffentlichkeit treten, da es ja möglich war, daß ein anderer einen ebenso guten oder vielleicht auch besseren bringen würde. Tatsächlich hat ein Zahnarzt aus Starnberg auch einen gar nicht schlechten Entwurf gelie- fert, der übrigens dem meinen ziemlich nahekam, nur den einen Fehler hatte, daß das Hakenkreuz mit gebogenen Haken in eine weiße Scheibe hineinkomponiert war.
Ich selbst hatte unterdes nach unzähligen Versuchen eine endgültige Form niedergelegt; eine Fahne aus rotem Grundtuch mit einer weißen Scheibe und in deren Mitte ein schwarzes Hakenkreuz. Nach langen Versuchen fand ich auch ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Größe der Fahne und der Größe der weißen Scheibe sowie der Form und Stärke des Hakenkreuzes.
Und dabei ist es dann geblieben.
In gleichem Sinne wurden nun sofort Armbinden für die Ordnungsmannschaften in Auftrag gegeben, und zwar eine rote Binde, auf der sich ebenfalls die weiße Scheibe mit schwarzem Hakenkreuz befindet.
Auch das Parteiabzeichen wurde nach gleichen Richt- linien entworfen: eine weiße Scheibe auf rotem Felde und in der Mitte das Hakenkreuz. Ein Münchner Goldschmied, Füß, lieferte den ersten verwendbaren und dann auch bei-behaltenen Entwurf.
Im Hochsommer 1920 kam zum ersten Male die neue Flagge vor die Öffentlichkeit. Sie paßte vorzüglich zu un-serer jungen Bewegung. So wie diese jung und neu war, war sie es auch. Kein Mensch hatte sie vorher je gesehen; sie wirkte damals wie eine Brandfackel. Wir selber emp-fanden alle eine fast kindliche Freude, als eine treue Par-teigenossin den Entwurf zum ersten Male ausgeführt und die Fahne abgeliefert hatte. Schon einige Monate später besaßen wir in München ein halbes Dutzend davon, und die immer mehr und mehr um sich greifende Ordnertruppe besonders trug dazu bei, das neue Symbol der Bewegung zu verbreiten.
Und ein Symbol ist dies wahrlich! Nicht nur, daß durch die einzigen, von uns allen heißgeliebten Farben,
Deutung des nationalsozialistischen Symbols 557
die einst dem deutschen Volke soviel Ehre errungen hatten, unsere Ehrfurcht vor der Vergangenheit bezeugt wird, sie war auch die beste Verkörperung des Wollens der Bewe-gung. Als nationale Sozialisten sehen wir in unserer Flagge unser Programm. Im Rot sehen wir den sozialen Gedan- ken der Bewegung, im Weiß den nationalistischen, im Hakenkreuz die Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen und zugleich mit ihm auch den Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit, die selbst ewig anti-semitisch war und antisemitisch sein wird.
Zwei Jahre später, als aus der Ordnertruppe schon längst eine viel tausend Mann umfassende Sturmabteilung gewor-den war, schien es nötig, dieser Wehrorganisation der jun-gen Weltanschauung noch ein besonderes Symbol des Sieges zu geben: die Standarte. Auch sie habe ich selbst ent-worfen und dann einem alten, treuen Parteigenossen, dem Goldschmiedmeister Gahr, zur Ausführung übergeben. Seitdem gehört die Standarte zu den Wahr- und Feld- zeichen des nationalsozialistischen Kampfes.
Die Versammlungstätigkeit, die im Jahre 1920 sich immer mehr steigerte, führte endlich dazu, daß wir manche Woche sogar zwei Versammlungen abhielten. Vor unseren Plakaten stauten sich die Menschen, die größten Säle der Stadt waren immer gefüllt, und Zehntausende verführter Marxisten fanden den Weg zurück zu ihrer Volksgemein-schaft, um Kämpfer für ein kommendes, freies Deutsches Reich zu werden. Die Öffentlichkeit in München hatte uns kennengelernt. Man sprach von uns, und das Wort „Natio-nalsozialist“ wurde vielen geläufig und bedeutete schon ein Programm. Auch die Schar der Anhänger, ja selbst der Mitglieder begann ununterbrochen zu wachsen, so daß wir im Winter 1920/21 schon als starke Partei in München auf-treten konnten.
Es gab damals außer den marxistischen Parteien keine Partei, vor allem keine nationale, die auf solche Massenkundgebungen hätte hinweisen können wie wir. Der
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fünftausend Menschen fassende Münchner-Kindl-Keller war öfter als einmal zum Brechen voll gewesen, und nur einen einzigen Raum gab es, an den wir uns noch nicht heran-gewagt hatten, und dies war der Zirkus Krone.
Ende Januar 1921 stiegen für Deutschland wieder schwere Sorgen auf. Das Pariser Abkommen, auf Grund dessen sich Deutschland zur Zahlung der wahnwitzigen Summe von hun-dert Milliarden Goldmark verpflichtete, sollte in der Form des Londoner Diktats Wirklichkeit werden.
Eine in München seit langem bestehende Arbeitsgemein-schaft sogenannter völkischer Verbände wollte aus diesem Anlaß zu einem größeren gemeinsamen Protest einladen. Die Zeit drängte sehr, und ich selbst war angesichts des ewigen Zauderns und Zögerns, gefaßte Beschlüsse auch zur Durchführung zu bringen, nervös. Man redete zuerst von einer Kundgebung am Königsplatz, unterließ dies aber wie-der, da man Angst davor hatte, von den Roten ausein-andergehauen zu werden, und projektierte eine Protest-kundgebung vor der Feldherrnhalle. Allein auch davon kam man wieder ab und schlug endlich eine gemeinsame Ver-sammlung im Münchner-Kindl-Keller vor. Unterdes war Tag für Tag vergangen, die großen Parteien hatten von dem furchtbaren Ereignis überhaupt keine Notiz genom- men, und die Arbeitsgemeinschaft selber konnte sich nicht entschließen, endlich einen festen Termin für die beabsich-tigte Kundgebung zu bestimmen.
Dienstag, den 1. Februar 1921, forderte ich dringlichst einen endgültigen Entscheid. Ich wurde vertröstet auf Mitt-woch. Mittwoch verlangte ich nun unbedingt klare Aus-kunft, ob und wann die Versammlung stattfinden sollte. Die Auskunft war wieder unbestimmt und ausweichend; es hieß, man „beabsichtige“, die Arbeitsgemeinschaft für den Mittwoch in acht Tagen zu einer Kundgebung auf-zubieten.
Damit war mir der Geduldsfaden gerissen, und ich be-schloß, die Protestkundgebung nun allein durchzuführen. Mittwoch mittags diktierte ich in zehn Minuten das Pla- kat in die Schreibmaschine und ließ gleichzeitig den Zirkus
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Krone für den nächsten Tag, Donnerstag, den 3. Februar, mieten.
Damals war dies ein unendlich großes Wagnis. Nicht nur, daß es fraglich schien, den riesenhaften Raum füllen zu können, lief man auch Gefahr, gesprengt zu werden.
Unsere Ordnertruppe war für diesen kolossalen Raum noch lange nicht ausreichend. Ich hatte auch keine richtige Vorstellung über die Art des möglichen Vorgehens im Falle einer Sprengung. Ich hielt es damals für viel schwie-riger im Zirkusgebäude als in einem normalen Saal. Doch war dies, wie es sich dann herausstellte, gerade umgekehrt. In dem Riesenraum konnte man tatsächlich leichter einer Sprengtruppe Herr werden als in enggepferchten Sälen.
Sicher war nur eines: jeder Mißerfolg konnte uns auf sehr lange Zeit zurückwerfen. Denn eine einzige erfolg-reiche Sprengung hätte unseren Nimbus mit einem Schlage zerstört und die Gegner ermutigt, das einmal Gelungene immer wieder zu versuchen. Das hätte zu einer Sabotage unserer ganzen weiteren Versammlungstätigkeit führen können, was erst nach vielen Monaten und nach schwersten Kämpfen zu überwinden gewesen wäre.
Wir hatten nur einen Tag Zeit zu plakatieren, nämlich den Donnerstag selbst. Leider regnete es schon morgens, und die Befürchtung schien begründet, ob unter solchen Umständen nicht viele Leute lieber zu Hause bleiben wür-den, statt bei Regen und Schnee in eine Versammlung zu eilen, bei der es möglicherweise Mord und Totschlag geben konnte.
Überhaupt bekam ich Donnerstag vormittag auf einmal Angst, der Raum könnte doch nicht voll werden (ich wäre damit ja auch vor der Arbeitsgemeinschaft der Blamierte gewesen), so daß ich nun schleunigst einige Flugblätter dik-tierte und in Druck gab, um sie nachmittags verbreiten zu lassen. Die enthielten natürlich die Aufforderung zum Besuch der Versammlung.
Zwei Lastkraftwagen, die ich mieten ließ, wurden in möglichst viel Rot eingehüllt, darauf ein paar unserer Fahnen gepflanzt und jeder mit fünfzehn bis zwanzig
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Parteigenossen besetzt; sie erhielten den Befehl, fleißig durch die Straßen der Stadt zu fahren, Flugblätter abzuwerfen, kurz, Propaganda für die Massenkundgebung am Abend zu machen. Es war zum erstenmal, daß Lastkraftwagen mit Fahnen durch die Stadt fuhren, auf denen sich keine Mar-xisten befanden. Das Bürgertum starrte daher den rot dekorierten und mit flatternden Hakenkreuzfahnen ge-schmückten Wagen mit offenen Mäulern nach, während in den äußeren Vierteln sich auch zahllose geballte Fäuste er-hoben, deren Besitzer ersichtlich wutentbrannt schienen über die neueste „Provokation des Proletariats“. Denn Versamm-lungen abzuhalten, hatte nur der Marxismus das Recht, genau so wie auf Lastkraftwagen herumzufahren.
Um sieben Uhr abends war der Zirkus noch nicht gut be-setzt. Ich wurde alle zehn Minuten telephonisch verständigt und war selbst ziemlich unruhig; denn um sieben Uhr oder ein Viertel nach sieben Uhr waren die anderen Säle mei-stens schon halb, ja oft schon fast voll gewesen. Allerdings klärte sich dies bald auf. Ich hatte nicht mit den riesigen Dimensionen des neuen Raumes gerechnet: tausend Per-sonen ließen den Hofbräuhausfestsaal schon sehr schön be-setzt erscheinen, während sie vom Zirkus Krone einfach ver-schluckt wurden. Man sah sie kaum. Kurze Zeit darauf kamen jedoch günstigere Meldungen, und um drei Viertel acht Uhr hieß es, daß der Raum zu drei Vierteln gefüllt sei und sehr große Massen vor den Kassenschaltern stünden. Daraufhin fuhr ich los.
Zwei Minuten nach acht Uhr kam ich vor dem Zirkus an. Es war noch immer eine Menschenmenge vor ihm zu sehen, zum Teil bloß Neugierige, auch viele Gegner darunter, die die Ereignisse außen abwarten wollten.
Als ich die mächtige Halle betrat, erfaßte mich die gleiche Freude wie ein Jahr vordem in der ersten Versammlung im Münchener Hofbräuhausfestsaal. Aber erst nachdem ich mich durch die Menschenmauern hindurchgedrückt und das hochgelegene Podium erreicht hatte, sah ich den Erfolg in seiner ganzen Größe. Wie eine Riesenmuschel lag dieser Saal vor mir, angefüllt mit Tausenden und Tausenden
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von Menschen. Selbst die Manege war schwarz besetzt. Über fünftausendsechshundert Karten waren ausgegeben wor- den, und rechnete man die gesamte Zahl der Arbeitslosen, der armen Studenten und unsere Ordnungsmannschaften mit ein, so dürften etwa sechseinhalbtausend Personen da-gewesen sein.
„Zukunft oder Untergang“ lautete das Thema, und mir jubelte das Herz auf angesichts der Überzeugung, daß die Zukunft da unten vor mir lag.
Ich begann zu sprechen und redete gegen zweieinhalb Stunden, und das Gefühl sagte mir schon nach der ersten halben Stunde, daß die Versammlung ein großer Erfolg werden würde. Die Verbindung zu all diesen tausend ein-zelnen war hergestellt. Schon nach der ersten Stunde be- gann der Beifall in immer größeren spontanen Ausbrüchen mich zu unterbrechen, um nach zwei Stunden wieder ab-zuebben und in jene weihevolle Stille überzugehen, die ich später in diesem Raume so oft und oft erlebt habe und die jedem einzelnen wohl unvergeßlich bleiben wird. Man hörte dann kaum mehr als den Atemzug dieser Riesen-menge, und erst als ich das letzte Wort gesprochen, bran-dete es plötzlich auf, um in dem in höchster Inbrunst ge-sungenen „Deutschland“-Lied seinen erlösenden Abschluß zu finden.
Ich verfolgte es noch, wie sich langsam der Riesenraum zu leeren begann und ein ungeheueres Menschenmeer durch den gewaltigen mittleren Ausgang fast zwanzig Minuten lang hinausdrängte. Erst dann verließ ich selbst, überglück-lich, meinen Platz, um mich nach Hause zu begeben.
Von dieser ersten Versammlung im Zirkus Krone zu München wurden Aufnahmen gemacht. Sie zeigen besser als Worte die Größe der Kundgebung. Bürgerliche Blätter brachten Abbildungen und Notizen, erwähnten jedoch nur, daß es sich um eine „nationale“ Kundgebung gehandelt hätte, verschwiegen aber in üblich bescheidener Weise die Veranstalter.
Damit waren wir zum ersten Male aus dem Rahmen einer gewöhnlichen Tagespartei weit hinausgetreten. Man konnte
Versammlung folgt auf Versammlung 562
jetzt nicht mehr an uns vorbeigehen. Um nun ja nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als handle es sich bei diesem Versammlungserfolg nur um eine Eintagsfliege, setzte ich augenblicklich für die kommende Woche zum zweiten Male eine Kundgebung im Zirkus an, und der Erfolg war der-selbe. Wieder war der Riesenraum zum Brechen mit Men-schenmassen gefüllt, so daß ich mich entschloß, in der kom-menden Woche zum drittenmal eine Versammlung im glei-chen Stil abzuhalten. Und zum drittenmal war der Riesen-zirkus von unten bis oben gepreßt voll von Menschen.
Nach dieser Einleitung des Jahres 1921 steigerte ich die Versammlungstätigkeit in München noch mehr. Ich ging nun dazu über, nicht nur jede Woche eine, sondern manche Wochen zwei Massenversammlungen abzuhalten, ja, im Hochsommer und im Spätherbst wurden es manchmal drei. Wir versammelten uns nun immer im Zirkus und konnten zu unserer Genugtuung feststellen, daß alle unsere Abende den gleichen Erfolg brachten.
Das Ergebnis war eine immer steigende Anhängerzahl der Bewegung und eine große Zunahme der Mitglieder.
Solche Erfolge ließen natürlich auch unsere Gegner nicht ruhen. Nachdem sie in ihrer Taktik immer schwankend sich bald zum Terror und bald zum Totschweigen bekannten, konnten sie die Entwicklung der Bewegung, wie sie selbst erkennen mußten, weder mit dem einen noch mit dem an-deren irgendwie hemmen. So entschlossen sie sich in einer letzten Anstrengung zu einem Terrorakt, um unserer wei-teren Versammlungstätigkeit damit endgültig einen Riegel vorzuschieben.
Als äußeren Anlaß zu der Aktion benützte man ein höchst geheimnisvolles Attentat auf einen Landtagsabgeordneten namens Erhard Auer. Besagter Erhard Auer sollte abends von irgend jemand angeschossen worden sein. Das heißt, er war es nicht tatsächlich, aber es sei versucht worden, auf ihn zu schießen. Fabelhafte Geistesgegenwart sowie der
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sprichwörtliche Mut des sozialdemokratischen Parteiführers hätten aber den frevelhaften Angriff nicht nur vereitelt, sondern die verruchten Täter selbst in schmählichste Flucht geschlagen. Sie waren so eilig und so weit geflohen, daß die Polizei auch später von ihnen nicht mehr die leiseste Spur erwischen konnte. Dieser geheimnisvolle Vorgang wurde von dem Organ der sozialdemokratischen Partei in München nun benützt, um in maßlosester Weise gegen die Bewegung zu hetzen und darunter auch in altgewohnter Geschwätzigkeit anzudeuten, was demnächst kommen müsse. Es sei dafür gesorgt, daß unsere Bäume nicht in den Him- mel wüchsen, sondern daß von proletarischen Fäusten nun rechtzeitig eingegriffen würde.
Und wenige Tage später war schon der Tag des Ein- griffs da.
Eine Versammlung im Münchener Hofbräuhausfestsaal, in der ich selber sprechen sollte, war zur endgültigen Aus-einandersetzung gewählt worden.
Am 4. November 1921 erhielt ich nachmittags zwischen sechs und sieben Uhr die ersten positiven Nachrichten, daß die Versammlung unbedingt gesprengt werden würde, und daß man zu diesem Zweck besonders aus einigen roten Be-trieben große Arbeitermassen in die Versammlung zu schik-ken beabsichtige.
Einem unglücklichen Zufall war es zuzuschreiben, daß wir diese Verständigung nicht schon früher bekamen. Wir hatten am selben Tage unsere alte ehrwürdige Geschäfts-stelle in der Sterneckergasse in München aufgegeben und waren in eine neue übersiedelt, das heißt, wir waren aus der alten fort, konnten aber in die neue nicht hinein, weil in ihr noch gearbeitet wurde. Da auch das Telephon in der einen abgerissen und in der zweiten noch nicht eingebaut war, sind an diesem Tage eine ganze Anzahl telephonischer Versuche, die beabsichtigte Sprengung uns mitzuteilen, ver-geblich gewesen.
Dies hatte zur Folge, daß die Versammlung selbst nur durch sehr schwache Ordnertruppen geschützt war. Nur eine zahlenmäßig wenig starke Hundertschaft von sechs-
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undvierzig Köpfen war anwesend, der Alarmapparat aber noch nicht so ausgebaut, um abends im Verlauf von einer Stunde eine ausgiebige Verstärkung herbeizuholen. Dazu kam noch, daß ja derartige alarmierende Gerüchte schon unzählige Male uns zu Ohren gekommen waren, ohne daß dann irgend etwas Besonderes geschehen war. Der alte Spruch, daß angekündigte Revolutionen meist ausbleiben, hatte sich auch bei uns bis dahin noch immer als richtig erwiesen.
So geschah auch aus diesem Grunde vielleicht nicht alles, was an dem Tage hätte geschehen können, um mit brutal- ster Entschlossenheit einer Sprengung entgegenzutreten.
Endlich hielten wir den Münchener Hofbräuhausfestsaal für eine Sprengung als denkbar ungeeignet. Wir hatten sie mehr für die größten Säle befürchtet, besonders für den Zirkus. Insofern hat uns dieser Tag eine wertvolle Lehre gegeben. Wir haben später die ganzen Fragen, ich darf schon sagen, mit wissenschaftlicher Methodik studiert und sind zu Resultaten gekommen, die zum Teil ebenso un-glaublich wie interessant waren und in der Folgezeit für die organisatorische und taktische Leitung unserer Sturm-abteilungen von grundlegender Bedeutung waren.
Als ich um drei Viertel acht Uhr in die Vorhalle des Hof-bräuhauses kam, konnte allerdings ein Zweifel über die vorhandene Absicht nicht mehr bestehen. Der Saal war übervoll und deshalb polizeilich gesperrt worden. Die Geg-ner, die sehr früh erschienen waren, befanden sich im Saal und unsere Anhänger zum größten Teil draußen. Die kleine SA. erwartete mich in der Vorhalle. Ich ließ die Türen zum großen Saal schließen und hieß dann die fünfund-vierzig oder sechsundvierzig Mann antreten. Ich habe den Jungen vorgestellt, daß sie wahrscheinlich heute der Bewe-gung zum ersten Male auf Biegen und Brechen die Treue halten müßten, und daß keiner von uns den Saal verlassen dürfe, außer sie trügen uns als Tote hinaus; ich würde selbst im Saale bleiben, glaubte nicht, daß mich auch nur einer von ihnen verlassen würde; erblickte ich aber selber einen, der sich als Feigling erweise, so würde ich ihm
Der vergebliche Sprengungsversuch 565
persönlich die Binde herunterreißen und das Abzeichen fort-nehmen. Dann forderte ich sie auf, beim geringsten Ver- such zur Sprengung augenblicklich vorzugehen und dessen eingedenk zu sein, daß man sich am besten verteidigt, in-dem man selbst angreift.
Ein dreifaches Heil, das dieses Mal rauher und heiserer klang als sonst, war die Antwort.
Dann ging ich in den Saal hinein und konnte nun mit eigenen Augen die Lage überblicken. Sie saßen dick herin-nen und suchten mich schon mit Augen zu durchbohren. Zahllose Gesichter waren mit verbissenem Haß mir zuge-wandt, während andere wieder, unter höhnischen Grimas-sen, sehr eindeutige Zurufe losließen. Man würde heute „Schluß machen mit uns“, wir sollten auf unsere Gedärme achtgeben, man würde uns das Maul endgültig verstopfen, und was es solcher schönen Redensarten sonst noch gab. Sie waren sich ihrer Übermacht bewußt und fühlten sich danach.
Dennoch konnte die Versammlung eröffnet werden, und ich begann zu sprechen. Ich stand im Hofbräuhausfestsaal immer an einer der Längsfronten des Saales, und mein Podium war ein Biertisch. Ich befand mich also eigentlich mitten unter den Leuten. Vielleicht trug dieser Umstand dazu bei, um gerade in diesem Saale immer eine Stim- mung entstehen zu lassen, wie ich sie sonst an keiner Stelle ähnlich wieder gefunden habe.
Vor mir, besonders links vor mir, saßen und standen lauter Gegner. Es waren durchaus robuste Männer und Burschen, zu einem großen Teil aus der Maffei-Fabrik, von Kustermann, aus den Isariazählerwerken usw. Die linke Saalwand entlang hatten sie sich bereits ganz dicht bis an meinen Tisch vorgeschoben und begannen nun Maßkrüge zu sammeln, d.h. sie bestellten immer wieder Bier und stellten die ausgetrunkenen Krüge unter den Tisch. Ganze Batterien entstanden so, und es hätte mich wundergenom-men, wenn die Sache heute wieder gut ausgegangen wäre.
Nach ungefähr eineinhalb Stunden – solange konnte ich trotz aller Zwischenrufe sprechen – war es fast so, als ob ich Herr der Lage würde. Die Führer der Sprengtrupps
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schienen dies selbst auch zu fühlen; denn sie wurden immer unruhiger, gingen öfters hinaus, kamen wieder herein und redeten sichtlich nervös auf ihre Leute ein.
Ein psychologischer kleiner Fehler, den ich in der Abwehr eines Zwischenrufes beging und der mir, kaum, daß ich das Wort aus dem Munde hatte, selbst zum Bewußtsein kam, gab das Signal zum Losschlagen.
Ein paar zornige Zwischenrufe, und ein Mann sprang plötzlich auf einen Stuhl und brüllte in den Saal hinein: „Freiheit!“ Auf welches Signal hin die Freiheits- kämpfer mit ihrer Arbeit begannen.
In wenigen Sekunden war der ganze Raum erfüllt von einer brüllenden und schreienden Menschenmenge, über die, Haubitzenschüssen ähnlich, unzählige Maßkrüge flogen; da-zwischen das Krachen von Stuhlbeinen, das Zerplatschen der Krüge, Gröhlen und Johlen und Aufschreien.
Es war ein blödsinniger Spektakel.
Ich blieb auf meinem Platz stehen und konnte beobachten, wie restlos meine Jungen ihre Pflicht erfüllten.
Da hätte ich eine bürgerliche Versammlung sehen mögen!
Der Tanz hatte noch nicht begonnen, als auch schon meine Sturmtruppler, denn so hießen sie von diesem Tage an, an-griffen. Wie Wölfe stürzten sie in Rudeln von acht oder zehn immer wieder auf ihre Gegner los und begannen sie nach und nach tatsächlich aus dem Saale zu dreschen. Schon nach fünf Minuten sah ich kaum mehr einen von ihnen, der nicht schon blutüberströmt gewesen wäre. Wie viele habe ich damals erst so recht kennengelernt; an der Spitze meinen braven Maurice, meinen heutigen Privatsekretär Heß und viele andere, die, selbst schon schwer verletzt, immer wieder angriffen, solange sie sich nur auf den Beinen halten konn-ten. Zwanzig Minuten lang dauerte der Höllenlärm, dann aber waren die Gegner, die vielleicht sieben- und achthun-dert Mann zählen mochten, von meinen nicht einmal fünf- zig Mann zum größten Teil aus dem Saale geschlagen und die Treppen hinuntergejagt. Nur in der linken rückwärtigen Saalecke hielt sich noch ein großer Haufen und leistete er-bittertsten Widerstand. Da vielen plötzlich vom Saaleingang
„Die Versammlung geht weiter“ 567
zum Podium her zwei Pistolenschüsse, und nun ging eine wilde Knallerei los. Fast jubelte einem doch wieder das Herz angesichts solcher Auffrischung alter Kriegserlebnisse.
Wer schoß, ließ sich von da ab nicht mehr unterscheiden; nur das eine konnte man feststellen, daß von dem Augen-blick an sich die Wut meiner blutenden Jungen noch mäch-tig gesteigert hatte und endlich die letzten Störer, über-wältigt, aus dem Saal hinausgetrieben wurden.
Es waren ungefähr fünfundzwanzig Minuten vergangen; der Saal selbst sah aus, als ob eine Granate eingeschlagen hätte. Viele meiner Anhänger wurden gerade verbunden, andere mußten weggefahren werden, allein wir waren die Herren der Lage geblieben. Hermann Esser, der an diesem Abend die Versammlungsleitung übernommen hatte, er-klärte: „Die Versammlung geht weiter. Das Wort hat der Referent“, und ich sprach dann wieder.
Nachdem wir die Versammlung selbst schon geschlossen hatten, kam plötzlich ein aufgeregter Polizeileutnant herein-gestürzt und krähte mit wildfuchtelnden Armen in den Saal hinein: „Die Versammlung ist aufgelöst.“
Unwillkürlich mußte ich über diesen Nachzügler der Ereignisse lachen; echt polizeiliche Wichtigtuerei. Je kleiner sie sind, um so größer müssen sie wenigstens scheinen.
Wir hatten an dem Abend wirklich viel gelernt, und auch unsere Gegner haben die Lehre, die sie ihrerseits empfangen hatten, nicht mehr vergessen.
Bis zum Herbst 1923 hat uns seitdem die „Münchener Post“ keine Fäuste des Proletariats mehr angekündigt.
Richtig, ungeachtet jeder Wertung. Ist doch wichtig das auch dieses Werk Öffentlich zugänglich bleibt.