Supranationale Kartoffelspeise sui generis
Supranationale Kartoffelspeise sui generis, besser bekannt als Pommes Schranke (Fotoquelle: WDR).
Fragen über Fragen
Es gibt fiese, abwegige Aufgaben und Fragen, die sich bei einem bestimmten Personenkreis besonderer Beliebtheit erfreuen: Quizmaster, Personaler, Oberstudienräte. Gemeint ist die Art von Frage, die Günther Jauch ein diabolisches Grinsen ins Gesicht zaubert, das seine Eckzähne entblößt und ihn als Dracula von Potsdam zu erkennen gibt – ein lange überfälliger TV-Greis, der alsbald zu Staub zerfallen wird, gegen den jedoch bislang kein Knoblauch gewachsen ist. Es sind diese Momente von Wer wird Millionär?, in denen deutlich wird, dass Jauch sich biografisch auf halber Strecke zwischen Weylon Smithers und Monty Burns befindet.
Die Evolution eines RTL-Menschen, stark vereinfacht (Fotoquellen: Matt Groening, RTL).
Nun denn, was sind also diese Besserwisseraufgaben und -fragen, die deutsche Bürokraten mittleren Alters ein ganz kleines bisschen geil machen?
Da wäre zunächst der Klassiker: stumme Deutschlandkarte, Maßstab eins zu 2,6 Millionen. Zeichnen Sie die Mittelgebirge ein, Fehlertoleranz 20 Kilometer! WTF!? (Eckzahn Nummer Eins entblößt, ansonsten Pokerface)
Die stumme Deutschlandkarte: Standarddemütigungsinstrument in deutschen Schulen (Fotoquelle: Pinterest).
Zweitens: Wem gehört der Nordpol? (Eckzahn Nummer Zwei entblößt, Anflüge grunzenden Lachens)
Aber die Königin aller Arschlochfragen verdanken wir dem europäischen Einigungsprozess. Achtung, Trommelwirbel und Konzentration: Was ist die Europäische Union? (Augen zugekniffen vor Lachen, heftiges Schenkelklopfen; Bürokratenorgasmus)
Bevor sich meine geneigten Leser*innen unnötig den Kopf zerbrechen, hier die juristisch wasserdichte Antwort: ein supranationales Staatenbündnis sui generis. So wollen es die Juristen und vermutlich auch der eine oder andere Rahmenlehrplan. Wobei sui generis gewissermaßen eine juristische Jokerphrase ist, die nichts anderes bedeutet als „seinem/ihrem Wesen nach einzigartig“. In einem juristischen Staatexamen können diese beiden Worte den entscheidenden Schritt zum Richteramt bedeuten.
Dieser Brüsseler Lausbube (meine Leserinnen mögen mir verzeihen, dass ich dem bürokratischen Apparat spontan das grammatische Maskulinum verpasse) hat uns in dieser Woche eine interessante neue Verordnung beschert. Es geht um den Acrylamid-Gehalt in Lebensmitteln. Dieser Stoff entsteht bei der Erhitzung zahlreicher Speisen.
Naturwissenschaften, stark vereinfacht
Als unbedarfter Laie, der die Naturwissenschaften immer eine Armlänge von sich entfernt hält, vermute ich, dass es mit dieser Substanz so ist wie mit Aspartam, Zucker, UV-Strahlen und vielem anderem: Die Dosis macht das Gift. Grundsätzliche Faustregel: Wenn ein selbst aufgebackenes Brötchen schwarz ist und sich melierter Staub auf der Oberfläche gebildet hat, der sich durch Berührung wegwischen lässt, ist vom Konsum abzuraten. Bis dahin ist alles Geschmackssache und es gibt keinen Grund für Alarmismus.
Reporter in der Hood von Conny und Uschi
Die ARD hat diese Verordnung zum Anlass für eine Recherche im Trinkhallenmillieu des Ruhrgebiets genommen.
Wir treffen einen alteingesessenen Wirt und zwei weibliche Stammgäste mittleren Alters. Die Damen, nennen wir sie Conny Adamaschek und Uschi Kowalski, sind bienenartig gekleidet, nämlich in die Trikots von Borussia Dortmund. Auf beiden Schultern befindet sich das überdimensionierte Logo des italienischen Sportartikelherstellers Kappa. Das erinnert mich an einen alten Trick aus Gymnasialzeiten: Das Kappa-Symbol zeigt bekanntlich zwei Personen, die mit den Rücken aneinander lehnen. Wenn man jedoch mit dem Daumen die Oberkörper verdeckt, sieht es aus wie eine Frau, die ihre Beine spreizt. Das stimmt wirklich. Ich habe es ausprobiert, während die Lehrperson die geostrategische Bedeutung des Nordpols erläuterte oder Propaganda für die Europäische Union machte. Adenauer, de Gaulle und die europäische Nachkriegsordnung. Das muss man sich mal vorstellen: eine Frau mit gespreizten Beinen, millionenfach auf Sportswear gestickt.
Das Kappa-Logo: Projektionsfläche pubertärer und postpubertärer Fantasien (Fotoquelle: Kappa, logo ;-) ).
Während ich gedanklich meiner noch nicht vollständig überwundenen pubertären Versautheit nachhänge, erklären Conny und Uschi, wie sie ihre Pommes mögen.
„Schön kross, näch? Nich so labbrich. Nee, dat ja nu nich.“
Und während der sympathische Beitrag aus der Dortmunder Pommes-Gastronomie so vor sich hinplätschert, denke ich darüber nach, wie die Brüsseler Beamten in das Leben dieser Menschen eingreifen. Ich meine: Wem vertraut man in Pommesfragen mehr? Dem Spezialisten aus dem Stehimbiss oder den Generalisten aus Brüssel?
Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass Menschen, deren Familien seit Jahrhunderten einer bestimmten Beschäftigung nachgehen, eine gewisse Expertise entwickelt haben, die ich nur ungern bevormunden würde.
Frischer Fisch trocknet in der portugiesischen Sonne von Praia da Vieira. Ob das mit Jean-Claude abgesprochen ist? (Fotoquelle: Autor)
Am Ende „knallt“ der Wirt hart aber herzlich zwei unterschiedlich stark frittierte Portionen Pommes auf den Tisch. Eine Portion ist ungewöhnlich blass, die andere sehr appetitlich goldbraun geröstet.
Er sagt: „So. Einmal Pommes EU. Einmal Pommes Pott.“
Ein schöner, lokal kolorierter Moment.
Aber gleichzeitig ist es auch eine nachdenklich stimmende Szene. Idealisten mögen hierin das Europa der Mikrokosmen sehen, die alle harmonisch nebeneinander existieren. Man kann ihn aber auch als Beispiel europäischer Paralleluniversen sehen, die die Doofköppe von Brüssel jeden Tag ein bisschen mehr verachten.
Wie lange trägt so ein Gerüst aus Spott und Ironie?
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:D
Schöner Beitrag !
Gruß jan
Danke Jan! Ich folge dir jetzt.
Stefan
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