RE: Warum funktioniert unser Rechtssystem nicht?
Soweit also nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
Dabei handelt es sich als Muß-Vorschrift um eine zur Vermeidung der Ungültigkeit eines solchen Gesetzes durch den Gesetzgeber zwingend zu erfüllende Gültigkeitsvoraussetzung.
Diese Rechtsfolge wurde von einem Mitglied des Parlamentarischen Rates als Verfassunggeber, Dr. Hermann von Mangoldt, in der 44. Sitzung des Hauptausschusses am 19.01.1949 folgendermaßen beschrieben:
»Wir haben nicht geglaubt diese Vorschrift aufnehmen zu können, weil sie eine sehr weitgehende Fesselung des Gesetzgebers bedeutet. Bei jedem Gesetz – man stelle sich das einmal vor! – muß hier der Gesetzgeber vorher eingehend erwägen, ob nicht irgendwie in ein Grundrecht eingegriffen wird, und das geschieht fast immer. Er muß dann dieses Grundrecht bezeichnen. Vergißt er das einmal, so können die Folgen schwer sein. Wir wollen einmal überlegen, wie sich die Dinge in der Praxis gestalten.
In der Vergangenheit war es sehr umstritten, ob ein Gesetz einen Eingriff in ein Grundrecht bedeutet. Die Richter und ebenso die juristische Praxis haben darum gestritten, denn es ist sehr schwer festzustellen. Nun mutet man diese Prüfung dem Gesetzgeber zu. Mit welchem Erfolg? Wenn das in der Verfassung steht, dann erscheint nachher ein bestimmter Mann, der sich verletzt fühlt, erhebt Klage und kommt an das oberste Bundesgericht oder an das Bundesverfassungsgericht, je nach der gesetzlichen Bestimmung. Und nun wird das Gesetz für verfassungswidrig erklärt, weil hier eine dieser kleinen Klauseln […] nicht richtig eingehalten ist, und der Gesetzgeber muss die Arbeit von neuem anfangen.«
Zur Abstimmung über Artikel 19 GG wurde in der 44. Sitzung des Hauptausschusses zu Art. 20c (heute Art. 19 GG) am 19.01.1949 durch den Vorsitzenden Dr. Schmidt festgestellt:
»Ich lasse über den gesamten Artikel abstimmen – Angenommen gegen eine Stimme.«
In der 47. Sitzung des Hauptausschusses am 08.02.1949 wurde das Thema nochmals von v. Mangoldt aufgegriffen mit dem (nochmaligen) Antrag, das Zitiergebot in Satz 2 zu streichen. Dr. Thomas Dehler sagte daraufhin: »Wir wollen diese Fessel des Gesetzgebers«, und der Antrag v. Mangoldts wurde abgelehnt.