Orphische Zellen

in #gedicht7 years ago

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Es schlummern orphische Zellen
in Hirnen des Occident,
Fisch und Wein und Stellen,
an denen das Opfer brennt,
die Esse aus Haschisch und Methen
und Kraut und das delphische Lied
vom Zuge der Auleten,
wenn er am Gott verschied.

wer nie das Haupt verhüllte,
und niederstieg, ein Stier,
ein rieselnd Blut erfüllte
das Grab und Sargrevier,
wen nie Vermischungslüste
mit Todesschweiß bedrohn,
der ist auch nicht der Myste
aus der phrygischen Kommunion.

um Feuerstein, um Herde
hat sich der Sieg gerankt,
Er aber haßt das Werde,
das sich dem Sieg verdankt,
er drängt nach andern Brüsten
nach andern Meeren ein,
schon nähern sich die Küsten,
die Brandungsvögel schrein.

nun mag den Sansibaren
der Himmel hoch und still,
eine Insel voll Nelkenwaren
und der Blüte der Bougainville,
wo sie in Höfen drehen
die Mühlen für Zuckerrohr,
nun mag das still vergehen –:
Er tritt als Opfer vor.

und wo Vergang: in Gittern,
an denen der Mörder weint,
wo sonst Vergang, ach Zittern
löst schon die Stunde, die eint, –:
ihm beben Schmerz und Schaden
im Haupt, das niemand kennt,
die Brandungsvögel baden,
das Opfer brennt.


Gottfried Benn (1927)


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