Unser erster Markt... und alles läuft schiefsteemCreated with Sketch.

in Deutsch Unplugged2 years ago

Es ist der 2. April 2023



Meine Ehefrau und ich warten seit knapp 6 Monaten darauf, unsere erste Veranstaltung anzutreten.
Über 70 Bewerbungen für Veranstaltungen und Märkte in RLP und Saarland hatten wir weggeschickt, um uns in unserem ersten Jahr als Selbstständige zu präsentieren. Erst hat alles so lange gedauert und dann ging alles ganz schnell. Mitte März wurde uns das Baristamobil endlich übergeben. Ein paar Tage Zeit zum Aufrüsten, kleiner Umbau, Funktionsprüfung. Und jetzt stehen wir in Ramstein vor dem Congress Center, Frühlingsmarkt.


Dass ich so aufgeregt bin, hätte ich nicht gedacht. Die Geburt unserer Tochter ist gerade mal 3 Wochen her, meine Frau heute leider nur als Besucher zugegen. Dafür unterstützt mich mein kleiner Bruder.

Um 12 Uhr beginnt das Fest. Erst Sonne, dann Regen, dann Sonne, dann wieder Regen. Ich glaube mit so viel Wind hat ebenfalls keiner gerechnet. Sehr wenige Menschen streifen an uns und den anderen Händlern vorbei; die meisten sind ins Restaurant/CCR geflüchtet. Kann ich nicht verübeln.

Die ersten Kaffees werden verkauft, man hat Zeit zu plaudern. Viele kenne ich, viele nicht. Eigentlich ganz angenehm.
Bis gegen 14 Uhr das Licht auf dem Kaffeewagen anfängt zu flackern. Zeitgleich beginnt unsere treue Cimbali Siebträgermaschine eigenartige Geräusche von sich zu geben. Ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich. Denn das Teil arbeitet schon über 10 Jahre für uns - ohne Macken, nur das Übliche.

Ich versuche Kaffee an unserem Mahlwerk zu mahlen. Doch da kommt kaum Kaffeemehl raus. Was ist das?
Es scheint, als wären zu viele Verbraucher angeschlossen, also schalte ich den Durchlauferhitzer aus und ziehe den kleinen Kühlschrank vom Netz. Nichts verändert sich. Also rufe ich den Marktmeister an, um den Starkstromanschluss am Verteilerkasten zu checken. Auf den ersten Blick nichts was mir auffällt. Na doch, eine Sache gibt es: Offensichtlich gibt es keinen Zugschutz für das Kabel. Der ist nämlich dafür da, dass (falls jemand oder etwas auf das Kabel treten oder an dem Kabel ziehen sollte) die 5 Kabel nicht rausgezogen werden. Ich denke mir nichts weiter dabei und gehe wieder auf den Wagen.

Wir haben in dem Moment Glück, dass wir keine Bestellungen respektive Kunden in der Warteschlange haben.
Ich überlege kurz was da passiert sein konnte und hebe die Abtropfschale der Siebträgermaschine runter. In dem Moment denke ich, ich kenne die Antwort. Unter der Abtropfschale ist ein kleiner Behälter verbaut, in den das Wasser aus der Maschine hinein läuft. Und dieser Behälter ist bis oben hin mit Wasser gefüllt, läuft aber nicht ab.

Scheiße, denke ich mir. Denn das ist überhaupt nicht gut. Scheinbar ist also die ganze Zeit das Wasser in den vollen Behälter gelaufen und somit über das Gefäß hinaus in die Kaffeemaschine rein und unten wieder raus.
Die Elektronik hat es erwischt!!! Nun, das ist das erste an was ich denken kann. Das wird teuer. Na gut, irgendwie muss das ganze hier ja weiter gehen, mittlerweile ist es 14:30 Uhr. Ich sage meinem Bruder, dass er die Verkaufsseite hochklappen soll, damit wir da eventuell Abhilfe schaffen können. Ich habe die Hoffnung, dass wir das reparieren können. Wir heben die Cimbali auf einer Seite hoch und schrauben das lange, schmale Abflussrohr ab. Ich puste einmal kräftig durch und kann sehen, wie auf der anderen Seite ein dicker Klumpen nasses Kaffeemehl das Rohr verlässt und auf dem Boden landet. Das war der Übeltäter.

Alles wird wieder zusammen geschraubt und nochmal angeschaltet. Es funktioniert immer noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt - vielleicht 15 Uhr - war mir meine Verzweiflung schon stark anzusehen.
Unser aller erster Markt auf den wir so lange hin gefiebert hatten, droht in einer reinen Blamage zu enden. Ich kann keinen einzigen Kaffee mehr zubereiten, also entscheide ich mich abzubrechen. Wir packen zusammen und fahren nach Hause. Die Enttäuschung ist sehr groß. Alle versuchen uns aufzumuntern, aber irgendwie möchte ich das noch nicht wahr haben. Aber von Gejammer ist noch keiner erfolgreich geworden.

Es ist der 4. April, zwei Tage später. Ich mache mich mit dem Baristamobil auf den Weg zu meinem ehemaligen Chef, dem vorherigen Eigentümer des Wagens. Besprechung mit ihm und einem anderen Kooperationspartner.
Wir schließen gemeinsam alles nochmal an, um die genaue Fehlerquelle zu finden. Eigenartigerweise läuft die Kaffeemaschine wie am Schnürchen. Die Mühlen auch, also was ist hier verdammt nochmal los?
Ein Blick zur Spülmaschine: sie lässt sich nicht einschalten. Als wäre sie vom Stromkreis getrennt.
Also schrauben wir das Teil mal auf. Zur selben Zeit breitet mir mein ehemaliger Chef seine Vermutung aus. Ich beobachte ihn, wie er das Starkstromkabel auseinander schraubt und mit Stolz seinen Fund präsentiert: Eine der Fünf Phasen ist nicht angeschlossen. Der Neutralleiter. Wer weiß, aber die Vermutung liegt nahe, dass eventuell ein Passant versehentlich auf das Kabel getreten ist und dadurch der Schaden zustande kam. Denn ich mache vor einer Veranstaltungen immer ein check up aller Kabel und Gerätschaften, und da war alles in Ordnung.

Der Neutralleiter sorgt im Grund genommen dafür, dass der Strom vom Verbraucher wieder zurück ins Netz gegeben wird. Und da dieser nicht angeschlossen war, kam es scheinbar zu einer Überspannung, welche Bauelemente in den Verbrauchern zerstören kann. Und so geschah es auch bei uns, denn der "ungenutzte" Strom hatte sich die Platine der Spülmaschine als Ventil gesucht. Weshalb einiges durchgeschmort wurde und selbst ein Kondensator aufplatzte.


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Fehlerquelle gefunden, das nächste Problem stand jedoch schon wieder vor der Tür: In 3 Tagen ging es zum nächsten Markt. Wo bekommt man eine veraltete Platine einer ebenfalls alten Winterhalter Spülmaschine her? "Internet!" mögen einige von euch schreien. Schnell mal nachgeschaut - Preis (gebraucht!!) bei 600€. Hätte ich bezahlt, wäre jedoch nicht rechtzeitig angekommen. Zu meinem großen Glück, konnten wir einen alten Bekannten ausfindig machen, der damals Winterhalter repariert hat. Man glaubt es kaum, aber der Kerl hatte in irgendeiner Ecke seiner Werkstatt noch eine einzige Platine mit ausgerechnet der richtigen Firmware drauf. Gekauft für die Hälfte. Schwein gehabt.

Am nächsten Tag abgeholt, eingebaut, und siehe da... die Spülmaschine springt an und läuft wie am ersten Tag.
Der letzte Tag vor Veranstaltungsbeginn bricht an, und ich finde die Schlüssel für die Schlösser nicht, die den Kaffeewagen verschließen. Schon wieder so ein Mist! Offensichtlich verloren. Also muss ich die Schlösser auf flexen. Neue Schlösser müssen ran, gibt schlimmeres. Das Wichtigste ist jedoch, dass alles wieder im Lot ist.


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Fast zwei Monate sind seitdem vergangen, und wir konnten uns bisher auf 8 verschiedenen Märkten und Veranstaltungen präsentieren. Und das ohne besondere Vorkommnisse! Das hat mich vor allem eins gelehrt: Aller Anfang ist schwer! :-) Von Rückschlägen erholt man sich nur schnell, wenn man die richtige Einstellung dazu hat.


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Dieses Wochenende sind wir als Partner des Nationalparks im Hunsrück - Erbeskopf eingeladen.
Dort werden wir am Samstag und Sonntag mit dem Baristamobil vertreten sein.

Danach gibt es erstmal eine kleine Pause.

Ich bedanke mich fürs Lesen und wünsche erholsame Pfingsten :-)

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 2 years ago 

Dann läuft's jetzt! Guut! Und über die Pannen kannst schon irgendwie lachen. Nicht? Spätestens in ein paar Jahren...

 2 years ago 

Kann ja immer mal was passieren, und wenn es alles auf einmal kommt, bleibt man hoffentlich später davon erspart :-P

 2 years ago 

Oje, welch holpriger Start. Aber gut, dass ihr euch dadurch nicht habt unterkriegen lassen. Ist doch auch schön, wenn es definitiv nur die Richtung nach oben geben kann... ;-)

 2 years ago 

Hoch und runter geht es immer, alles nur Kopfsache, denke ich... :-)

 2 years ago 

Heije, ja, wenn der Wurm mal drin ist... Manchmal gibt's Tage, da geht man besser wieder ins Bett ;-) Zum Glück ist alles wieder im Lot.

Gutes Gelingen und reichlich kaffeedurstige Kundschaft im Hunsrück!

 2 years ago 

Danke dir! War ne super schöne Location dort, wer weiß ob ich einem von euch jemals einen Kaffee servieren darf ;-)

 2 years ago 

So, jetzt muss ich mich doch auch noch mal melden. In den letzten Tagen war bei mir einiges los, so dass ich zwar deinen Beitrag lesen, aber nicht so recht darauf eingehen konnte. Man sollte nicht meinen, dass Feiertage immer freie Tage sind - aber das muss ich dir ja nicht erzählen :-) Obwohl ich ja schon frei hatte, aber eben anderweitig beschäftigt war..
Naja, wie dem auch sei: Es freut mich, dass es letztlich gut gegangen ist. Man macht sich ja keine Vorstellung von den Hintergründen, wenn man zum Beispiel auf ein Volksfest geht, auf dem Wagen wie deiner stehen. Man geht leichtfertig vorbei, schaut sich die Angebotstafeln an und möglicherweise bestellt man dann auch was... Was damit aber verbunden ist, bleibt oftmals (fast immer) verborgen. Außer man hat jemanden wie dich in der Community ;-) ... oder kommt mit dem Betreiber ins Gespräch. Neulich sprach ich mit einem Anbieter, der einen Crep-Wagen betreibt. Dauert ja manchmal so ein Crep. Wir hatten uns anfangs über die Unwägbarkeiten des Wetters für seine Zunft unterhalten, bis er dann irgendwann von seinen "wirklichen" Problemen, die gesundheitlicher Natur sind/waren, erzählte. Es war ein spannendes Gespräch, bei dem wieder einmal klar wurde, wie wichtig eine "gesunde" - hier wohl eher optimistische - Einstellung für die eigene Existenz ist.
Insofern freut es mich, dass auch du diese Einstellung an den Tag legst und damit so ein Hindernis wie das beschriebene (besser) bewältigen kannst.

 2 years ago 

Interessant, wenn man bedenkt, dass das nicht einfach nur ein Hobby ist, wenn ich das richtig verstehe.
Dann sollte es auch funktionieren und teilweise plagen einen dann auch Existenzängste kann ich mir vorstellen.
Einer der Gründe, warum ich bisher nicht die Eier hatte, mich selbständig zu machen.
Respekt und weiterhin viel Glück und Erfolg!

 2 years ago (edited)

Existenzängste plagen mich (noch) nicht, da das Ganze noch nicht so groß ist und wir nicht alle Eier in einen Korb gelegt haben. Ich werde es wahrscheinlich machen wie mein Onkel damals, vor seinem Schritt zur Selbstständigkeit: Bevor ich im Side Hustle nicht mehr verdiene als im Hauptjob, werde ich mein Haupteinkommen auch nicht wegfallen lassen, geschweige denn reduzieren... Er hatte diese Faustregel für sich aufgestellt, jedoch hat er gewartet, bis sein Nebeneinkommen (Handwerk) drei Jahre lang das Einkommen seines Vollzeitjobs übersteigt. Dafür hatte er nicht selten 16 Stunden Tage.
Im Umkehrschluss ist er jetzt jedoch so erfolgreich, dass er und seine ganze Familie nicht mehr einen Tag arbeiten
müssten :-D

Ganz klassischer Spruch: Von nix kommt nix.
Auf so eine Belastung muss man aber auch wirklich Lust haben, und das hat (zurecht) nicht jeder!

Ich danke dir für die Wünsche :-)

 2 years ago 

Arbeit ist nicht die Lösung für alles. Es geht eher um die Effizienz. Und wenn ich am Ende weniger Zeit aufwenden muss um zum gleichen (für Dich befriedigenden Ergebnis) kommen kann. Dann gibt es in meinen Augen keinen Grund, sich den Arsch weiter aufzureissen.

Ich habe bspw auf 4 Tage reduziert, weil ich gemerkt habe, mir reicht die Kohle aud den 5-Tagen so locker, dass ich auch mit 4 Tagen problemlos über die Runden komme.

Mehr Zeit und das bisschen weniger Geld ist mir egal.
Das kompensiert ein freier Freitag mit Sport, Biergarten oder Dingen die mir Spaß machen.

 2 years ago 

Tolle Einstellung, die Zeit bekommt man nämlich nicht mehr zurück.