[Diskussion] Investieren = Glücksspiel?steemCreated with Sketch.

in Deutsch Unplugged6 months ago

Herzliches Hallo an alle,

heute mal ein Vergleich zwischen Investieren und Glücksspiel - mit der großen Frage:

Kann das Investieren als Glücksspiel betrachtet werden?

Ja, weil...Nein, weil...
- es ist Glückssache, frühzeitig den nächsten "Bitcoin" zu finden- man muss nur gründlich recherchieren und verstehen in was man investiert
- man muss den perfekten Ein- und Ausstieg finden- time in the market beats timing the market
- man kann alles verlieren- durch Diversifikation (=Streuung/Aufteilung) wirkt man einem Totalverlust entgegen

Diese Tabelle lässt sich sicherlich um viele Punkte erweitern

Es gibt zwei Extreme, wie Investieren gesehen werden kann/wird:

Wenn ich investiere...
1. werde ich alles verlieren
2. mache ich fetten Gewinn

Beide Ansichten sind meiner Meinung nach fatal,

denn wer nicht investiert, kann sein Vermögen nicht vermehren. Wer jedoch nur einen fetten Gewinn in Aussicht hat, kann leicht die Risiken übersehen und alles verlieren!

Der größte Fehler überhaupt ist meiner Meinung nach folgender:

Mein Freund hat mir Anlage XY empfohlen. Er hat auch darin investiert und schon Gewinn damit gemacht. Somit investiere ich jetzt auch in Anlage XY, schließlich meinte er es ist eine felsenfeste Investition!

Solche Empfehlungen sollten angeklagt werden können, finde ich. Zum Einen kann der naive Investor alles verlieren und zum Anderen verliert er nicht nur sein Erspartes, sondern zudem noch das Vertrauen in den Markt! Nur beweis mal, dass dein Freund vor Jahren davon geschwärmt hat und dich überredet hat ebenso in Anlage XY zu investieren...

Natürlich trägt der naive Investor auch selbst zur Schuld bei, denn er hat das Wort seines (mittlerweile vermutlich ehemaligen) Freundes für bare Münze genommen. Dies bringt mich zum vermutlich wichtigsten Punk:

Do your own research - DYOR

Das Wichtigste beim Investieren ist die Forschung!
Klar - Ich kann mein gesamtes Erspartes nehmen und blind irgendwo investieren. Am besten in eine Tesla-Aktie, denn diese sind schließlich in aller Munde, da kann nichts schief gehen. Dies hat dann mehr mit einem Glücksspiel zu tun, als mit Investieren!

Beim Forschen steht an erster Stelle das

Verstehen worin man Investiert

Gutes Beispiel: Der YouTube-Kanal Finanzfluss. Thomas prädigt da immer, man solle in ETFs investieren und erklärt auch warum. Aber nur weil man jetzt ein Video zu dem Thema gesehen hat, weiß man noch lange nicht alles über ETFs! Sie bilden einen Index ab, gut. Aber was ist denn ein Index? Wie wird der Index abgebildet, also welche Titel sind enthalten und welche Länder? Was bedeutet die Replikationsmethode? Usw. sind sicherlich wichtige Punkte, die man vorher erforschen und vor allem verstehen sollte! Wenn ich statt einem ETF lieber Einzelaktien halte, sollte man verstehen, was eine Aktie überhaupt ist und wie diese funktioniert. In welchen Ländern ist dieses Unternehmen tätig? Ist die Branche zukunftssicher? Wie schneidet das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz ab? Usw. sind eher zweitrangige, wenn auch durchaus wichtige, Nachforschungen - die Details eben.

Die erste Anlaufstelle für Neuanleger ist vermutlich die Bank

Ich habe mein Geld dort liegen, die arbeiten tagtäglich damit, die kennen sich sicherlich am besten aus. Ich mache mal einen Beratungstermin mit meiner Ansprechsperson dort aus.
An sich ist an dem Gedankengang nichts falsches dabei, wenn man selbst nach Anlagemöglichkeiten googelt wird man meist mit viel zu vielen Fachwörtern und Angeboten erschlagen. Da braucht man jemanden an seiner Seite, der einem dabei hilft, den Durchblick zu bewahren - besonders als Anfänger. Und man kann auch ohne Probleme einen Termin dort ausmachen, sich beraten lassen und Fragen stellen.

Wovon ich allerdings abraten würde ist

ein Produkt bei der Bank kaufen

Klar, es ist bequem, man hat seit Jahren sein Geld dort liegen und somit Vertrauen aufgebaut, hat einen persönlichen Bezug zu den Mitarbeitern und bei Fragen stehen sie einem jederzeit zur Verfügung. Schade nur, dass die Bank ihre eigenen Interessen hat und an dir mitverdienen will (und das nicht wenig) und noch trauriger ist es, dass viele Berater eine Provision verdienen, wenn sie einem das Produkt XY erfolgreich andrehen können. Kurz: Die Bank handelt nicht in deinen Interessen! Sicherlich, die Eine beratet dich vielleicht besser als eine Andere, aber im Vergleich zur Konkurrenz, Stichwort Neobroker kostet dich die Bankanlage ein halbes Vermögen, übertrieben ausgedrückt.

Versteht mich bitte nicht falsch, als erste Anlaufstelle für Fragen, Ideen, Vorstellungen ist die Bank sicherlich keine schlechte Wahl (sofern die Beratungsgespräche kostenlos sind). Aber trotzdem würde ich nicht bei ihr investieren.

Ich habe auch bei meiner "Hausbank" investiert, als ich mich mit 18 Jahren zum ersten Mal mit dem Thema Investieren befasst habe

Warum? Weil es auf das Sparbuch so gut wie keine Zinsen mehr gab und ich etwas suchte, um weiterhin mein Geld vermehren zu können, jedoch ohne hohem Risiko ausgesetzt zu sein, da es sich um eine für mich damals hohe Summe handelte. Es war mein gesamtes Erspartes. Würde ich das verlieren, wäre ich wieder bei 0 angekommen. Daher lieber etwas weniger Rendite, dafür auch weniger Risiko. Heutzutage denke ich mir, das war ein Fehler damals, aber ich kann ihn mir verzeihen, weil ich noch ein Anfänger war. Nicht, dass das Produkt schlecht ist und ich im roten Bereich bin.

Am besten erzähle ich euch eine kleine Geschichte darüber

Ich ging eines Tages zur Bank für ein Anlagenberatungsgespräch aus eben oben genannten Grund. Dabei empfiel mir mein Berater einen Dachfonds. Er erklärte mir kurz, dass dieser eine geringe Volatitlität, also geringe Schwankungen, hat, aber wenn man sich das Diagramm anschaut dann doch ständig an Wert gewonnen hat mit den Jahren. Super dachte ich mir. Und dann, als wäre es Schicksal, fällt der Kurs nachdem ich investiert habe. Beim ersten Brief, den ich erhalten habe war ich gute 500€ im Minus. Scheiße, dachte ich mir. Mit dem nächsten Brief war ich immer noch im Minus, aber nur mehr um 300€ oder so. Und so ging es um die 5 Jahre lang - eine ständige Seitwärtsbewegung. Mal etwas im Minus, wenn ich Glück hatte mal 100€ im Plus und mit dem nächsten Brief wieder im Minus... Nach 5 Jahren traute ich meinen Augen kaum, als ich das Chart ansah: Er stieg endlich an! Höher und höher und höher... Und dann kam Corona. ZACK! Kurseinbruch - wieder im roten Bereich. Zum Glück erholte sich der Kurs im Laufe des Jahres schnell wieder und kam auf ein neues ATH (All-time high = Allzeithoch). Der Dachfonds notierte um die 216€; jeden Tag stieg er höher und höher bis zu diesem Wert. Ich wollte noch die 220€ knacken, da das eine schönere Zahl ist, als 216. Doch am nächsten Tag: -0,50€ Ich dachte mir: Ok, es kann nicht immer nur Bergauf gehen, ein kleiner Rückschlag ist verzeihbar Am nächsten Tag -1€. Ok, schade, aber morgen geht er sicher wieder hoch! Und wieder rutschte der Kurs nach unten. In nur wenigen Tagen rutschte der Kurs wieder runter auf 195€ - ich war zwar immernoch im Plus damit, aber mir war der Gewinn zu niedrig. Hätte ich es im Sparbuch gelassen, hätte ich mehr an Zinsen verdient, als wenn ich den Dachfonds bei 195€ verkauft hätte. Somit blieb mir nichts anderes übrig als auf den nächsten Kursanstieg zu warten. Der Kurs ist jetzt wieder über den 200€, worüber ich auch froh bin, aber die 220€ wurden noch nicht erreicht, somit warte ich weiterhin ab...

Und dann kommt das Glücksspiel

Nehmen wir an der Kurs dieses Dachfonds liegt morgen bei 218€ also schon recht knapp an den gewünschten 220€. Soll ich jetzt schon einen Termin bei der Bank ausmachen, damit ich rechtzeitig verkaufen kann? Was ist, wenn der Kurs bis zum Termin erst bei den 219€ liegt? Oder der Dachfonds erreicht übermorgen die 220€, ich habe den Termin aber erst überübermorgen und bis dahin sinkt der Wert wieder? Dann kommt natürlich noch die Zeit der Bank hinzu. Nur weil ich heute sage, dass ich jetzt verkaufen möchte, heißt das nicht, dass ich morgen schon das Geld auf meinem Konto habe. Ich glaube bei meiner Bank dauert es um die 2 Tage, bis dann wirklich verkauft wird. Vielleicht verkaufen die auch nur einmal im Monat, oder es ist Donnerstag und sie verkaufen jeden Dienstag oder so. Und bis die Verkaufsorder ausgeführt wird ist der Kurs vielleicht wieder unter die 220€ gerutscht. Heißt wenn ich dieses Risiko minimieren möchte, wäre es vielleicht besser zu warten, bis der Kurs z.B. 124€ erreicht hat, um einen kleinen Puffer zu haben, falls bis zum effektiven Verkauf der Kurs wieder sinken sollte. Dann peilt man sicherheitshalber die 124€ an, der Kurs erreicht aber nur die 123€ und bricht dann wieder stark ein. Heißt ich kann wieder Jahrelang warten, bis der Kurs wieder auf die 220€ steigt.

So gesehen hat das Investieren also wieder doch mehr mit einem Glücksspiel zu tun^^

Natürlich habe ich (mittlerweile) nicht nur diese Investition

Eines Tages stieß ich auf das Wort Sparplan. Ich bekam monatlich eine kleine Summe <100€ auf mein Konto, welche ich an sich nicht benötigte, habe bis dahin immer nur "gesammelt". Somit eignete sich dieser Betrag perfekt um einen Sparplan auszuprobieren. Ich ging also auf besagte Bank und erkundigte mich über einen Sparplan, mit dem Ziel: Wertsteigerung. Ich machte wieder ein Beratungsgespräch und mir wurde ein Aktienfonds empfohlen. Der ist nichtmal schlecht. Ich habe in den kommenden Jahren fleißig diesen Betrag per Sparplan eingezahlt, irgendwann den Betrag erhöht usw. bis ich letztes Jahr im August die 5.000€ Einzahlungen erreicht hatte. Ich stoppte den Sparplan. Jetzt liegt es nur mehr an der Wertentwicklung und den reinvestierten Dividenden. Und die Wertentwicklung läuft zur Zeit richtig gut, ich bin schon >1.000€ im Plus!

Mit der Zeit...

...schaute ich mehr Finanzfluss und verstand die Welt der Finanzen besser. Seit 1-2 Jahren habe ich mir ein Konto bei einem Neobroker eröffnet, um ETFs per Sparplan zu besparen, ganz wie Thomas es immer prädigt^^.
Und ein bisschen zum Zocken mit Einzelaktien
(auch wieder eine tolle Geschichte, folgt abschließend)

Ich versuche mir jetzt eine Core-Satelite Strategie aufzubauen:

Die Fonds bei der Bank irgendwann auflösen und in die ETFs zu investieren (MSCI World und EM, beide Thesaurierend) und bis dahin einfach weiter den Sparplan laufen lassen. Somit sind die beiden ETFs mein Core und die Einzelaktien und andere Investitionen (z.B. Krypto) die Sateliten, die außen herum schweben.

Abschließend eine kurze Anekdote zum Thema Einzelaktien:

Eines schönen Tages traf ich zufällig auf YouTube auf ein Video mit dem Titel Grünes Gold - Reich werden durch Cannabis-Aktien oder so irgendwie. Ich klickte auf das Video und dort wurden zwei Cannabis-ETFs vorgestellt. Ich hielt viel von der Branche, denn Cannabis wird immer wieder irgendwo endlich legalisiert, heißt die Branche kann nur wachsen! Ich informierte mich bei meiner Bank, ob es denn diese ETFs im Sortiment gibt und ich darin investieren kann. Einen davon hatten sie sogar im Angebot, doch mir wurde davon abgeraten - nicht wegen des hohen Risikos, sondern der Kosten wegen. Mein Berater meinte ich könnte schon in den verfügbaren ETF per Sparplan anlegen, jedoch fressen die Kosten möglicherweise den Gewinn:

  • Wertpapierdepot-Eröffnung: einmalig 120€
  • Halten eines ausländischen Titels: jährlich 50€

Daran konnte er nichts ändern. Ich war aber so gefesselt von der Idee den nächsten Bitcoin zu finden, dass ich immer und immer wieder versucht habe irgendwie in einen dieser ETFs zu investieren. Bevorzugt den von Horizon, denn bei meiner Recherche fand ich heraus, dass Horizon auch einen Psychedelikas-ETF im Angebot hatte - Pharmakonzerne die eben die Wirkung von Psychedelikas erforschen und mit Hilfe von LSD und Pilzen versuchen (psychische) Krankehiten zu heilen. Beides klingt für mich vielversprechend. Somit suchte ich einen Weg um in Horizon-Produkte investieren zu können. Leider ohne Erfolg. Somit versuchte ich mit meinem Neobroker einige Einzelaktien zu kaufen, nach dem Motto: Wenn eine to the moon geht, macht das den Verlust der Anderen wieder weg^^

Und was soll ich sagen?

Das Zockerportfolio meines Neobrokers ist immerzu im roten Bereich xD Was an sich nicht schlimm ist, ich hab da höchstens um die 100€ investiert, also wenn alles den Bach runtergeht, zerstört das nicht meine Existenz.
Es ist nur deprimierend, da meine ETFs auch bei dem Broker liegen, oben die ETFs zu sehen, die stark im Plus sind: Moment der Freude, die dann sofort runtergezogen wird, weil die erstellte Positions-Gruppe zum Zocken rot ist^^


Was ist nun aber mit der Eingangsfrage?

Meine Antwort: Investieren kann wie ein Glücksspiel sein - besonders, wenn man nicht selbst Recherchiert und einfach Blind drauflos hohe Summen investiert. Hat man aber eine Strategie oder ein Ziel und vor allem Wissen über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten, wird Investieren zum Investieren und hat an sich nichts mehr mit Glücksspielen zu tun.
Wobei man auch eine Mischung aus beidem machen kann, wie eben mit der Core-Satelite Strategie z.B.: Den Hauptteil macht etwas Langfristiges aus, wie bei mir eben die ETFs und dann habe ich noch die Aktien mit denen ich Zocke. Darin sollte aber nur jenes Geld investiert werden, was man nicht braucht und verkraften kann zu verlieren!

Ich wünsche euch allen viel Erfolg mit euren Investitionen!

Beste Grüße,
BlackButterfly666

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Investieren und Glücksspiel sind zwei grundverschiedene Angelegenheiten. Beim Investieren wirft das eingesetzte Kapital wiederum Geld ab, sprich es fließt Geld zu einem zurück. So kann z.B. eine Dividenden ausschüttende Aktie eine Investition sein.

Die andere Seite ist die Spekulation bzw. das Glücksspiel. In diesem Falle wird keine Dividende erwartet, sondern darauf gebaut, dass sich die Kurse so entwickeln, sodass Veräußerungsgewinne erzielt werden können.

Den "nächsten" Bitcoin wird es nicht geben. Nur weitere Altcoins - bzw Tokens.

Tja Banken und Politik haben hierzulande was Aktien und Fonds angeht wirklich "ganze"
Arbeit geleistet. Und "kennenlernen" tut man Banken erst wirklich
wenn man wieder kündigt.