Segeln mit der Tutana vor Istrien 1994 (Teil II)

in Deutsch Unplugged5 hours ago

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Endlich geht es los, aber immer noch nicht mit der Tutana, sondern mit mir, daß ich in die Puschen komme, mit dem Schreiben. Das Zögerliche liegt nicht nur an der Ablenkung durch tägliche Dinge, sondern daran, daß ich versuchen muß mich 30 Jahre zurück zu versetzen. Zum Glück hab ich ja einige Unterlagen, wie die Seiten aus dem Logbuch, pro Reisetag eine Seite, diese als Muster, die in natura etwas deutlicher sind.
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Auslaufen um 11Uhr 40. Daran kann ich mich nicht erinnern, denn so ganz neu war dieser Vorgang für mich nicht, denn ich hatte schon ein paar Jahre zuvor einen 2 tägigen Segeltörn auf dem Ijsselsee hinter mir. Das Wetter war wunderschön mit Yugo, d.h. Wind aus SO. Wir segelten Richtung Südspitze Istrien und hatten immer backbord Sichtkontakt zum Land. Nur Plutschewasser um uns herum wäre langweilig gewesen.
Sobald Segel auftauchten, die unsere Fahrtrichtung hatten, kam Leben in die Gesellschaft, angefeuert von dem Käpten. Mit den Worten die holen wir uns, wurde alles in die Waagschale geworfen, was die Tutana schnell machte und meistens konnten wir unsere „Gegner“ abhängen, ob sie wollten, oder ...vielleicht wollten sie ja auch garnicht. Nach mehreren Schlägen, erforderliche Richtungswechsel, die beim Segeln unumgänglich sind, (wenn man dahin will, wo der Wind herkommt), erreichten wir Nikola, eine Insel, die Porec vorgelagert ist. In einer Bucht, ganz für uns, ankerten wir. Wie im Logbuch zu lesen, blieben die Badehosen bei 25 ° C Wassertemp. trocken und keiner wollte aus dem Wasser.
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Nach der Badeeinlage war es nur eine kleine Strecke in den Hafen von Porec, die der Käpten in aller Ruhe genießen konnte, es war ja immer ein 2. Skipper an Bord
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Gegen 17 Uhr 45 vorsichtiges, gelungenes Anlegemanöver in Porec.
Ich übernehme weiter aus dem Logbuch, Jochen (Bootsmann) wagt den jump of the day auf die Pier. Ergänzung: und erwarb hiermit gleichzeitig den Titel Depp (A... ) desTages, für die dusseligste Handlung des Tages. Es war vorgesehen diesen Titel täglich zu vergeben. Wärend des Absprungs von der Bordwand auf die höher gelegene Pier sackte die Tutana kräftig ab, mit letztem Einsatz konnte ich in tiefer Hocke auf der Pier landen und einen Absturz vermeiden. Das ging aber nur auf Kosten einer schweren Muskelzerrung im Oberschenkel. Eine lästige Zugabe für den Rest (komplett) der Reise. Wer den Schaden hat spottet jeder Beschreibung, solche Sprüche blieben zu meiner Freude aus, habe jedenfalls keine vernommen. Der Sprung spontan, ohne Überlegung erfolgte in einer relativ übersichtlichen Situation. Zu 50 % konnte ich mit einer Bewegung des Schiffes rechnen. Aber spontane Sachen passieren halt immer wieder. Wenn ich an diesen unnötigen Hüpfer denke, geht mir fast immer eine Begebenheit durch den Kopf die sich einige Jahre davor ereignete. Ein guter Freund, Sportlehrer und hervorrgender Tischtennisspieler ging in einemParkhochhaus zu seinem Auto. Wohl nicht ganz bei der Sache sprang er über eine halbhohe Begrenzungsmauer von seinem Parkdeck auf das nebenan. Nur da war kein Parkdeck sondern es ging 40 m in die Tiefe. Den Sturz überlebte er nicht. Dieser Unfall war so ungewöhnlich, unvorhersehbar, fast skurril, daß bei den Ermittlungen zum Unfallhergang auch Suizid in Betracht gezogen wurde. Aber sowas kann schneller passieren als man denkt. Ich war 14 oder 15 Jahre alt. Es war auf einer Klassenfahrt während einer Wanderung von Bad Ems nach Burgbrohl. Bei einem Zwischenstopp in Koblenz spielten wir ausgiebig auf der Festung Ehrenbreitstein, wo damals viele unterirdische Verbindungsgänge nicht gesperrt waren, wie auch das ganze Arreal nicht. Wir kannten uns zum Schluß ganz gut aus. Am Nachmittag gingen wir hinab in die Stadt. An dem Weg waren auch viele Abgrenzungsmäuerchen mit Wirtschaftsflächen dahinter. Und nicht ausgelastet, spielte ich mit dem Gedanken auf eine Mauer zu springen oder auch darüber hinweg und ging dabei in der Gruppe mit. Nach einiger Zeit kam wieder der Gedanke, aber jetzt waren hinter der Mauer Äste von Laubbäumen zu sehen und da ist bei mir ruckartig eine Schranke runter gegangen. Als ich zu der Mauer hin ging und rüber schaute lief es mir eiskalt den Rücken runter, denn es ging etwa 20 m in die Tiefe, wo aus dem Tal ein steiler Weg, wohl für die Ochsenkarren, hoch kam. Diese Situation ist mir im Kopf geblieben , wie eingebrannt. So eng liegen oft Glück und Unglück zusammen. Das hat zwar nichts mit dem Segeltörn zu tun, waren aber aufregende Momente, damals.

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Hier verliefen die nächsten Tage an Bord noch ganz ruhig, mediterranes Rotweinsegeln, bei uns allerdings streng ohne Rotwein oder oder andere Alkoholika.

Fortzetzung Teil III folgt.

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So sind die meisten meiner Unfälle passiert: spontan und gedankenlos. Genauso sind die Knochen auch wieder verheilt - ohne größeres Brimborium...

"Streng ohne Rotwein" klingt jetzt ein bißchen asketisch für junge, dynamische Männer... ;-))