Das Buch, das noch geschrieben werden muß - geht weiter! / The book that still has to be written - continues!
english below...
Meine autobiographischen Versuche haben ein Weilchen pausiert. Mir hat die Zeit gefehlt und, ehrlich gesagt, war das Nervenkostüm ein bißchen instabil zwischendurch. Da es sowohl Nachfragen gab als auch auf meiner Seele brennt, starte ich heute 'mal die Fortsetzung...
Ihr bekommt wieder einen Hinweis auf die früheren Folgen - ich empfehle auch gerne die Suchfunktion in Moeckis Tool ;-))
Bis zu diesem speziellen Samstagabend vor der besagten Stamm-Diskothek…!
Wir standen draußen, als Clique. Nicht, weil wir in der Schlange warten mußten – wir konnten jederzeit einfach durchgehen, gehörten zum Haus, sozusagen. Nein, es gab etwas zu besprechen und innerhalb der Disco war es viel zu laut dafür.
Unser DJ (heute so geläufig, kurz für Discjockey…), damals in der DDR üblicherweise „Schallplattenunterhalter“ genannt und in diesem Fall unglaublich modern und weltmännisch DJ Holm B., stand vor einer großen Herausforderung und Chance. Es fand in Kürze eine DDR-Meisterschaft der Disco-Unterhalter statt und er konnte bei entsprechend gutem Abschneiden sehr viel für seine Karriere, seinen Verdienst und seine kleine kleinen Freiheiten erreichen. Für einen Sieg (und nur der kam in Frage) brauchte er „Groupies“, also Tänzer, die ihn zum Ausscheid begleiten und auf seine Musik voll abfeiern. Wir sahen es als Ehrensache an, ihn zu untersützen und planten unsere Reise nach Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). Mit einer Gruppe von ungefähr 40 Leuten, die alle wußten, was sie auf der Tanzfläche tun, sollten wir doch etwas Stimmung zaubern können!
Vorgriff: Er belegte dann tatsächlich - auch dank unseres Einsatzes - einen der vorderen Plätze, kam aber nicht in den Genuß besonderer Vergünstigungen bei der Konzert- und Gastspieldirektion...
Ich war jedenfalls ebenso begeistert von der Aktion wie alle anderen, hielt mich aber etwas abseits. Zum einen wollte ich mit der Organisation nichts zu tun haben und die Anreise stellte ich mir mehr individuell vor (mit Zugfahren hatte ich damals schon ein Problem…) Auf einmal wurde ich angesprochen. Schüchtern, von der Seite. Ob ich denn heute nicht in die Disco hinein wolle, wie sonst immer. Und daß es schade wäre, weil ausgerechnet heute hätte man sich ein Herz gefaßt, mich auf ein Getränk einzuladen und aufzufordern…
Meine Güte! Wir waren nicht so förmlich, jeder tanzte eigentlich mit jedem oder alleine und unsere Getränke kauften wir auch selber. Wir haben die Disco nicht als Ort zum Anbaggern angesehen. Ich schon gleich drei Mal nicht, ich hatte weder Ahnung noch Ambitionen dazu. Und da stand ich nun… und sah den attraktivsten Kerl, den ich mir vorstellen konnte, ungläubig an? Nach dem Motto: Was willst Du??? Redest Du mit mir??? Geh mir aus der Sonne…!!! wollte ich meine übliche, leicht abweisende Haltung einnehmen. Aber er sah so verdammt gut aus und lächelte total lieb. Ich sagte also reflexartig: „Aber ja doch, Gin Tonic wäre prima.“ Keine halbe Stunde lagen wir uns bei der langsamen Runde zu „Dream On“ von Nazareth und „True Colors“ von Cindy Lauper in den Armen. Die haben mich dann auch die kommenden 4 Jahre einigermaßen fest gehalten ;-))
Wir waren ein schönes Paar, hatten gemeinsame Interessen – Sport vor allem, aber auch Reisen und Wandern und Tanzen und Skat spielen… Ich hatte ja seit kurzem meine eigene Wohnung, es war also gar kein Problem, sich zu treffen, so oft es möglich war. Er seinerseits war „Sportsoldat“. Wie auch heute die Bundeswehr hatte unsere NVA ein eigenes Bataillon von Spitzensportlern, die offiziell den Streitkräften angehörten, aber den ganzen Tag trainierten wie Profis. Entsprechend leistungsstark waren sie aufgestellt. Mein neuer erster Freund war Zehnkämpfer, hatte einen perfekt modellierten Körper, der nur aus Muskeln und guter Laune bestand.
Wir hatten eine wirklich schöne Zeit miteinander. Trotzdem gab es da… Schatten. Die unsere junge Beziehung überlagerten.
Einer davon hatte mit meiner Vergangenheit zu tun und einer mit meiner Gegenwart. Dazu zuerst: ich brach ja bereits einige Jahre zuvor jeglichen Kontakt zu meiner Familie ab. Das habe ich natürlich auch versucht, meinem Freund zu erklären, schließlich lerne ich seine absolut tollen Eltern ganz zwanglos kennen und er hätte Ähnliches im Gegenzug selbstverständlich gefunden. Meine Erklärungsversuche stießen auf weitgehend taube Ohren; schließlich war mein Vater zu diesem Zeitpunkt Stellvertretender Minister und als solcher keinesfalls in Frage zu stellen! Ich blieb anderer Meinung…
Aus meiner frühen Kindheit – ich berichtete bereits, daß ich mit meinem Vater „in geheimer Mission“ unterwegs war und seiner Tarnung diente – habe ich ein Trauma mitgebracht, das mir noch nicht gänzlich bewußt war. Ich mußte ja alle paar Monate eine neue Legende lernen und eine komplett andere Persönlichkeit werden, auf andere Namen hören, andere Geschichten zum familiären Hintergrund erzählen und eine andere Herkunft darstellen… Nun, wenn ich jetzt, Jahre später, morgens aufwachte, war ich manchmal desorientiert. Die Räumlichkeit war nicht das Problem, aber das „Wer bin ich?? Was mache ich?“ Ich kam mir dann verloren vor bis zur Panik. Hilfsmittel, wie der Personalausweis auf dem Nachttisch, halfen, das zu überspielen. Aber wenn Du als Liebespaar viel Zeit zusammen verbringst, merkt der Partner etwas. Hat er auch. Weil er die Hintergründe nicht akzeptieren oder glauben wollte, fehlte ihm das nötige Verständnis. Wir zögerten unser Beziehungsende noch über ein Jahr hinaus, wir hatten uns wirklich gern. Aber es ließ sich irgendwann nicht mehr leugnen: die Jugendliebe hatte lange gehalten, nun jedoch ausgedient.
Photo by Bernhard Kilian, alienated by me with little artifical help ;-))
english version:
My autobiographical attempts have been paused for a while. I didn't have the time and, to be honest, my nerves were a bit unstable in between. As there have been both requests and a burning desire on my part, I'm starting the sequel today...
You'll get a reference to the earlier episodes again - I'm also happy to recommend the search function in Moecki's tool ;-))
Until this particular Saturday night in front of my favourite discotheque...!
We stood outside as a clique. Not because we had to wait in the queue - we could just walk through at any time, we were part of the house, so to speak. No, there was something to talk about and it was far too loud inside the disco for that.
Our DJ (so common today, short for disc jockey...), usually called ‘Vinyl entertainer’ in the GDR at the time and in this case incredibly modern and suave DJ Holm B., was faced with a great challenge and opportunity. A GDR championship of disco entertainers was about to take place and, if he did well, he could achieve a lot for his career, his earnings and his little freedoms. In order to win (and that was the only option), he needed ‘groupies’, i.e. dancers who would accompany him to the competition and party to his music. We saw it as a point of honour to support him and planned our trip to Karl-Marx-Stadt (now Chemnitz). With a group of around 40 people who all knew what they were doing on the dance floor, we should be able to conjure up some atmosphere!
Anticipation: He actually took one of the top places - also thanks to our efforts - but didn't enjoy any special benefits from the concert and guest performance management...
I was just as enthusiastic about the event as everyone else, but I kept to myself. For one thing, I didn't want to have anything to do with the organisation and I thought the journey would be more individual (I already had a problem with train travel back then...) Suddenly I was approached. Shyly, from the side. Whether I didn't want to go to the disco today, as I usually did. And that it would be a pity, because today of all days one would have taken it into one's heart to invite me for a drink and ask me for a dance...
My goodness! We weren't so formal, everyone danced with everyone else or on their own and we bought our own drinks. We didn't see the disco as a place to hit on people. Three times I didn't, I had no idea or ambition. And there I was... looking at the most attractive guy I could imagine in disbelief? Along the lines of: What do you want??? Are you talking to me??? Get out of the sun...!!! I wanted to adopt my usual, slightly dismissive attitude. But he looked so damn good and smiled so sweetly. So I reflexively said: ‘But yes, Gin Tonic would be great. Less than half an hour later, we were lying in each other's arms during the slow round to ‘Dream On’ by Nazareth and ‘True Colours’ by Cindy Lauper. They then held me reasonably tight for the next 4 years ;-))
We were a nice couple, had common interests - sports above all, but also travelling and hiking and dancing and playing skat... I had recently got my own flat, so it was no problem at all to meet up as often as possible. He, for his part, was a ‘sports soldier’. Like the Bundeswehr today, our NVA had its own battalion of top athletes who officially belonged to the armed forces but trained all day like professionals. They were correspondingly powerful. My new first boyfriend was a decathlete with a perfectly modelled body that consisted of nothing but muscles and good humour.
We had a really good time together. Nevertheless, there were... shadows. That clouded our young relationship.
One of them had to do with my past and one with my present. First to the ladder: I had already broken off all contact with my family a few years earlier. Of course, I tried to explain this to my boyfriend - after all, I was getting to know his absolutely amazing parents in an informal way and he would have found something similar natural in return. My attempts to explain fell on largely deaf ears; after all, my father was Deputy Minister at the time and as such was not to be questioned under any circumstances! I remained of a different opinion...
From my early childhood - I have already mentioned that I travelled with my father ‘on a secret mission’ and served as his cover - I brought with me a trauma that I was not yet fully aware of. I had to learn a new legend every few months and become a completely different character, go by different names, tell different stories about my family background and present a different origin... Well, now, years later, when I woke up in the morning, I was sometimes disorientated. The space wasn't the problem, but the ‘Who am I? What am I doing?’ I felt lost to the point of panic. Aids such as the ID card on the bedside table helped to mask this. But when you spend a lot of time together as lovers, your partner realises something. He did too. Because he didn't want to accept or believe the background, he lacked the necessary understanding. We delayed the end of our relationship for over a year, we really liked each other. But at some point it could no longer be denied: the love of our youth had lasted for a long time, but now it had run its course.