Wieso die Welt die Renaissance des Mundsprays gebrauchen kann

in #kurzgeschichte7 years ago (edited)

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Bringen wir es auf den Punkt: wir küssen einander zu wenig.

Die Sozis haben es noch gemacht mit dem Bruderkuss: Ob Breschnew mit Honecker, Gorbatschow mit Honecker - oder Honecker mit Honecker. Es waren ganze Männer, die ganze Küsse verschenkten. In der Öffentlichkeit, vor den Pionieren oder den Kameras des Klassenfeindes (der hier gerne ranzoomte). Es wurde drauf los geschmatzt: zur Begrüßung, zum Dank einer Rede (davon gab es viele), zum Abschied. Auf die Wange, auf die Stirn, auf die Lippen.

Es wurde geschmatzt bis die Wände des Politbüros wackelten. Die Protokolle über die Treffen des Zentralkomitees lasen sich nur so wie männererotische Weltliteratur. Die Protokolanten mussten derweil alle paar Wochen wegen Erschöpfung ausgewechselt werden.

Was bist heute unterging: der Mundspray, oder wie die Berliner zu sagen pflegen: Mundspree (c) war es, der diese wilde Schmatzereien erst ermöglichte. Er verschafft klaren und guten Atmen, ohne dass man Kaugummi kauend seinem Gegenüber Grimassen schneiden muss; oder sich am Bonbon verschluckend zum Affen macht.

Nein, der Mundspray steckt firm in der Hosentasche, und der geübte Nutzer hat sich seinen Gaumen schon bestäubt, ehe jemand das leise Zischen vernehmen konnte. Einzig den Windzug der vorbeihuschenden Lippen, die schon wieder das tun, was eben nur der Mundspray so ermöglicht, hört man leise.

Stellen wir uns so den morgendlichen Weg zur Arbeit in der überfüllten Bahn vor: wer hätte ihn da nicht gerne zur Hand, um den Nachbarn zur Abwechslung mit einem Hauch schottischer Eiche zu beglücken. Man könnte sogar freundlich fragen, es könnte zu spontanen Bruderbestäubungen unter wildfremden Menschen kommen. Wer muss bei der bloßen Vorstellung nicht schon innerlich mit dem Mund mithauchen?

Bars würden eröffnen, in denen man aus Hunderten von Geschmacksrichtungen sanft einander in den Mund sprayt, und nicht über so Sinnloses wie die Arbeit oder die AfD spricht.

Der Kuss wäre dann auch nur noch zweitrangig...

Quelle Bildmaterial: Bundesarchiv, B 145 Bild-F088809-0038 / Thurn, Joachim F. / CC-BY-SA 3.0 / unbearbeitet

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Die Idee hat auf jeden Fall Potenzial. Im Westfalenstadion schieben sich Ulla und Hannes mit ihrem Bauchladen durch die einzelnen Fan-Blöcke. Lavendel für ein Tor vom BVB, Knoblauch für den Ausgleich und fauler Fisch bei einer Heimniederlage.
Das Problem sehe ich jedoch in der deutschen Gründlichkeit. Zuerst wird die Suchtgefahr vermutet, nach internen Beratungen und einem ARD-Brennpunkt dann auch definitiv festgestellt, was automatisch dazu führt, eine Arbeitsgruppe einzurichten. Die fühlt sich schnell überfordert, der öffentliche Druck wächst und schon wird das Thema an eine außerparlamentarischen Experten-Kommission weitergereicht. Bis von den Schlafmützen eine Entscheidung kommt, streiten sich Justiz- und Gesundheitsministerien über die Zuständigkeit. Der Finanzminister zieht eine erste Zwischenbilanz und zieht sich, erfreut über die Einnahmen, die Kanzlerin zum intimen Kuss auf den Schoß (frische Minze).
Die ist derart begeistert von dieser Art des Meinungsaustausches, dass sie ein Teil dieser Euphorie sogleich an den Außenminister weiterreichen möchte. Der äußert sein Verlangen nach Erdbeergeschmack. Doch bevor sich die Düfte vermischen, steht da noch Horst Seehofer.
Hier versagt dann meine Phantasie.
Gruß, Wolfram

Die Neoliberalen würden das Wiederaufkeimen des brüderlichen Kommunismus wittern, die transatlantische Brücke würde Care-Pakete mit Wrigley'S Extra über dem Tempelhofer Feld abwerfen, und eine Dokumentation würde beweisen wollen, dass schon Nazis high auf Mundspray waren (damals noch voll mit FCKW).

Außerdem schaltet sich der Zentralverband Deutscher Städtischer Müllwirtschaftsbetriebe ein und fordert den Verbot des Sprays, weil vom Entfernen der fest getretenen Kaugummis Millionen, wenn nicht Milliarden Jobs abhängen; oder Euro, der Sprecher war da unklar.

Wir können endlich alle so weiter machen wie bisher, sprich viel Arbeiten, wenig Spaß haben, und uns wieder Bosbach zu "Wie mit der AfD umgehen" und "Wie mit der AfD nicht umgehen" in den abendlichen Talkshows widmen.

Bitte reich' mir die Dose mit dem Anis-Vanille Flavour. Ich benötige die volle Dosis. Am heutigen Morgen, beim Schreiben meines Kommentars, saß Bosbach die ganze Zeit schräg hinter mir und versuchte sich als Leitwolf meiner Gedanken. Ich musste ihm jedoch meine Folgsamkeit verweigern. Mundgeruch - ganz, ganz schlimmer Mundgeruch!
Gruß, Wolfram

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