Umwelt oder Mitwelt – Ein Appell an die Vernunft
Eigentlich wollte ich bevor ich andere Beiträge veröffentliche, erst eine Beitragsreihe dazu erstellen, wie wir als Menschen an verlässliche Informationen kommen können und wo die prinzipiellen Grenzen der Naturwissenschaften in diesem Zusammenhang liegen. Da meine Zeit jedoch sehr beschränkt ist, und ich sehr viele weitere Themen im Kopf herumgeistern habe, die ich als ebenso wichtig empfinde, werde ich heute erstmal ein anderes, vielleicht sogar deutlich wichtigeres Thema behandeln.
Wir sind die Natur
Diese Aussage habe ich bereits in einem anderen Beitrag vor etwa einem Jahr getroffen. Seitdem hat sich meine grundlegende Ansicht hierzu nicht geändert, jedoch die Argumentation, welche sich dahinter verbirgt. Hier bin ich im Laufe des letzten Jahres sehr tief in die Naturwissenschaften hinabgestiegen und habe eine neue, andere Sicht auf diese Thematik gewinnen dürfen. Auf den ersten Blick mag sie einen etwas esoterischen Charakter vermuten lassen, jeder der sie jedoch ernsthaft nachvollzieht, wird zu demselben Schluss kommen, zu dem ich vor ein paar Tagen gekommen bin: Diese Weltanschauung ist unausweichlich.
Also fangen wir an:
Die Naturwissenschaften, insbesondere die Physik, stellt uns eine Vielzahl von bewiesenen, mathematisch beschreibbaren Beziehungen zur Verfügung, die wir in unserer Mitwelt beobachten können. Was die Physik jedoch nicht tut, ist uns zu sagen, was hier überhaupt miteinander in Beziehung steht, was die Grundbausteine all dessen ist, was wir wahrnehmen.
Betrachten wir es am Beispiel von uns selbst, dem Menschen. Wir bestehen als Lebewesen aus Zellen. Diese Zellen stehen in bestimmten, durch Naturgesetze genau beschreibbaren Relationen zueinander. Diese Zellen wiederrum bestehen aus Molekülen, die zueinander in Relation stehen, diese wiederrum aus Atomen, diese aus Elektronen, Neutronen und Protonen und diese schlussendlich wiederum aus Quarks, wobei die Physik nicht zu sagen vermag, woraus diese Quarks nun bestehen, geschweige denn was sie nun sind, die Vertreter der Stringtheorie gehen beispielsweise davon aus, dass Quarks aus Strings bestehen, die miteinander in Relation stehen. Die Vertreter des Relationismus, einer Philosophischen Strömung, gehen sogar davon aus, dass alles nur aus Relationen besteht. Ob dem nun so ist oder nicht, ist für das folgende jedoch egal.
Halten wir fest: Wir bestehen als Menschen aus Relationen zwischen „dingen“, welche wiederum aus Relationen bestehen. Diese Bausteine, aus denen wir bestehen, sind Produkte dessen, was wir als Natur bezeichnen, während wir uns als Menschen als eigenständige Objekte wahrnehmen.
Betrachten wir es nun jedoch genauer, so müssen wir uns eingestehen, dass diese Sichtweise nicht korrekt sein kann, dass sie vielmehr eine „Selbsthilfe“ des Gehirns ist, uns in dieser Welt zurecht zu finden. Vielmehr stehen wir in einem ständigen Austausch mit unserer Mitwelt, wir sind mit ihr verbunden. Wir Atmen Luft ein und aus, wir nehmen Energie in Form von Wärmestrahlung oder sichtbarem Licht auf, wir essen und trinken, wir verstoffwechseln aufgenommenes und scheiden es wieder aus. Dabei erneuern sich fast alle Zellen im menschlichen Körper mehrfach im Laufe eines Lebens, dennoch nehmen wir uns nicht alle paar Jahre als einen anderen Menschen wahr (gewissermaßen schon, jedoch behalten wir dabei unsere Identität). Das impliziert, dass unser Bewusstsein, genauer unser Selbstbild, nicht in einer speziellen Form von Materie existiert, sondern das Ergebnis von bestimmten Relationen von Materie ist.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es durchaus auch andere Sichtweisen bzgl. der Frage nach dem „Ich“ gibt. Diese müssen jedoch alle beinhalten, dass die Materiellen Anteile des Menschen immer Teil der Natur sind und bleiben werden. Ob das „Ich“ in Form einer Seele, welche nach dem Tod ihren Zustand wechselt, oder in Form einer Quantenverschränkung „von außen aufgeschaltet“ vorliegt (oder was sonst noch alles denkbar ist), sind alles Spekulationen. Das oben beschreiben bildet jedoch auch in diesem Falle eine Art „Fundamentales minimum-Weltbild“, welches für diesen Beitrag ausreichend ist. Jeder, der ein anderes, erweitertes Bild hat, wird sicherlich eine Möglichkeit finden, die Kernaussagen dieses Beitrags darauf anzupassen.
Halten wir also Fest, dass der Mensch ein integraler Teil der Natur ist, eine Stelle in einem Netzwerk aus Relationen. In diesem Netzwerk gibt es stellen mit mehr und mit weniger Relationen und mit Strukturen von unterschiedlicher Komplexität. Während ein Mensch aus einer unfassbar großen Zahl von Relationen in einem äußert komplexen Zusammenhang besteht, so besteht ein Grashalm aus deutliche weniger und unkomplizierteren Relationen.
Bleiben wir nun bei der Annahme, dass wir vollständig ein Produkt der Relationen sind, inklusive unseres Bewusstseins, so führt dies zu dem zwingenden Schluss, dass die Natur eine Vielzahl von unterschiedlichsten Strukturen hervorgebracht hat, die über unterschiedlich stark ausgeprägte Bewusstseinsgrade verfügen (ein Affe hat bewiesener Maßen ein Bewusstsein, ein Mensch auch, jedoch ist das des Menschen von einer deutlich höheren Qualität). Außerdem sind all diese Strukturen untereinander mehr oder weniger intensiv direkt oder indirekt verbunden (am Beispiel der Menschen: über ein paar Ebenen Hinweg kennen wir jeden Menschen auf diesem Planeten, wir sind mit jedem Menschen direkt oder indirekt verbunden).
Das bedeutet letztendlich, zugegebener Maßen etwas abstrakt ausgedrückt, dass Jeder einzelne von uns kein eigenständiges Objekt ist, sondern vielmehr eine Stelle im Netzwerk der Natur, an der die Natur sich selbst bewusst wird. Jeder einzelne von uns ist somit eine wunderbare Möglichkeit der Natur, sich selbst zu verstehen, zu beobachten und auch zu korrigieren.
Offen bleibt noch die Frage nach dem wozu. Wozu bringt die Natur ein Wesen wie den Menschen hervor, welcher in der Lage ist, die Grundlage allen Lebens innerhalb von Minuten zu vernichten (Stichwort Atomwaffen)? In meinen Augen liegt eine mögliche Antwort in der Entwicklungsgeschichte der Natur selbst. Um eine komplexe Struktur wie den Menschen stabil halten zu können, sind Hilfsstrukturen nötig. So benötigen wir beispielsweise Sauerstoff, welcher von Pflanzen erzeugt wird oder wir benötigen Wasser, welches in Form von Regen zu uns kommt (oder auch nicht). Diese Strukturen bedingen wiederrum andere Strukturen und so weiter und so fort. Das Ganze kann man als Kreislauf ansehen, es entsteht eine lebende Struktur, sie stabilisiert sich, entwickelt sich weiter, benötigt neue stabilisierende Strukturen und erst wenn diese wieder vorhanden sind, kann sich die nächste Ebene von Lebewesen bilden. Normalerweise geschieht dieser Prozess der Evolution extrem langsam.
Mit dem Menschen hat die Natur nun jedoch einen Teil in sich erschaffen, der nicht mehr auf die Evolution angewiesen ist, um sich weiter zu entwickeln. Der Mensch hat Wege gefunden, sich selbst immer besser zu stabilisieren (ausgewogene Ernährung, Medizin, etc.), wodurch der Mensch deutlich an mentalen Fähigkeiten hinzugewonnen hat. An dieser Stelle fängt der Kreislauf der Entwicklung an, sich auf einer neuen Ebene abzuspielen – der mentalen des Bewusstseins des Menschen.
Der Mensch ist also in der Lage, immer schneller immer neue Strukturen zu schaffen, in den letzten Jahrhunderten haben wir den gesamten Globus fast vollständig neugestaltet. Unsere Lebens- und Mitwelt hat sich fundamental geändert, durch unser bewusstes eingreifen.
Was sich nicht geändert hat, sind unbewusste Denk- und Verhaltensweisen. Wo es zum Beispiel früher (vor gar nicht allzu langer Zeit) noch notwendig war, alles zu horten, dessen man habhaft werden konnte, um als einzelne Person oder Familie zu überleben, so horten heute zum Beispiel Millionäre immer mehr Geld. Dabei merken sie nicht, dass sie diese Summen nicht mal in fünf Leben wieder ausgeben können. Dieses verhalten lässt sich aber auch auf tausende andere Sachverhalte übertragen, es soll nur zeigen, weshalb wir immer bewusster werden: Damit wir in der Lage sind, unsere alten Denk- und Verhaltensmuster, die noch tief in der Gesellschaft verankert sind, zu erkennen und neu zu denken.
Umwelt oder Mitwelt?
Warum rede ich nun von der Mitwelt statt der Umwelt? Die Frage sollte sich bis hierhin ja bereits beantwortet haben, um es mit den Worten von Harald Lesch und Klaus Kamphausen aus ihrem Buch „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ (im Übrigen sehr lesenswert) zu sagen:
„Im allgemeinen Sprachgebrauch reden wir von der Um-welt, weil wir von dieser eine Art Kulissenvorstellung haben. Die Natur als Theaterkulisse. Diese Kulisse ist das Drumherum, der Hintergrund, vor dem alles passiert. Und dieses Drumherum ändert sich nicht durch das, was auf der Bühne gespielt wird.
Wenn das Drumherum aber zu einer Mitwelt wird, dann könnte es ja sein, dass sich durch die Anwesenheit von Schauspielern die Kulisse verändert.“ (S. 19)
Oder anders ausgedrückt, wer keine Vorstellung vertritt in der das „Ich“ losgelöst vom Körper, also dual ist, muss anerkennen, dass er selbst die Natur ist. Jeder einzelne ist für sein Glück und sein Leiden selbst verantwortlich. Nicht nur für das, was er als „sich selbst“ wahrnimmt, sondern für das der gesamten Mitwelt.
Also, sollten wir nicht anfangen, mehr auf das zu achten, was wir tun? Sollten wir nicht anfangen, unsere eigenen Denkmuster und Verhaltensweisen zu überprüfen? Und vor allem: Sollten wir nicht endlich damit anfangen, unsere Mitwelt so zu behandeln, wie wir auch behandelt werden möchten, stehts in dem Wissen, dass wir eben genau diese Mitwelt sind?
(Kleine Anmerkung: Die meisten dualistischen Selbstbilder implizieren ebenfalls die Verantwortung eines jeden Einzelnen für die Mitwelt und Gesellschaft).
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