Wieso ich Geld verloren habe und trotzdem froh bin

in #wirecard5 years ago

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Wir Finanzblogger neigen dazu immer nur über die erfolgreichen Handel zu sprechen und die Nieten eher unter dem Teppich zu kehren. Ich möchte an dieser Stelle allerdings auch über Fehlschläge berichten, da diese bei jedlicher Form von Investition aus meiner Sicht dazu gehören. Schließlich wird jeder auf kurz oder lang dort einmal reinlaufen und sollte dann im Hinterkopf haben, dass es nicht nur (!) sein Fehler war, sondern eben auch andere diese regelmäßig wegstecken müssen. Entscheidend ist eben nur der Umgang.

Was ist also passiert? Wirecard ist in der letzten Woche wieder in den Schlagzeilen gewesen und brach mal wieder aus dem scheinbaren Nichts um 20% in sich zusammen. Für ein DAX-Unternehmen ist dies ein durchaus beachtlicher Absturz. Das war zunächst erst einmal überraschend, da ich bereits einen Blick darauf geworfen hatte und die jüngsten Zahlen eigentlich sehr attraktiv aussahen. Obwohl das Unternehmen überhaupt nicht in mein Beuteschema passte, spielte ich mit dem Gedanken ein wenig damit zu traden.

Dabei muss man wissen, dass solche Kursstürze bei Wirecard nicht selten sind. Immer wieder gibt es in der Finanzwelt Berichte über vermeidliche fehlerhafte Bilianzen, insbesondere bei den Zweigstellen in Singapur. Immer wieder brach der Kurs in sich zusammen und zog danach mit viel Kraft wieder an. Wenn ich die Aktie schon nicht halten mag, vielleicht kann ich damit ja ein wenig traden! (Fehler Nr 1: Long & Hold-Trader handeln nicht) :)

Da mich die Aktion auf den falschen Fuss erwischte und ich nicht für eine kleine Charge ausreichend Geld auf dem Konto hatte, nutzte ich ein Finanzinstrument, dass ich sonst eigentlich eher meide wie der Teufel das Weihwasser: Zertifikate (Fehler Nr 2: Nutze nie unbekannte Finanzinstrumente, Fehler Nr 3: Agiere niemals unter Druck).

Die Wahl fiel auf ein gehebelten Knock-Out mit einem nicht uninteressanten, aber defensiven Hebel und einen Strike-Preis innerhalb der 90er. Die Wette sah also so aus, dass ich ganz klar long positionierte und vom Kursanstieg übermäßig partizipieren wollte. Im Kern setzt man seine 0€-Linie einfach auf einen höheren Wert und tut so als würde die Aktie wertlos beim Strike-Preis verfallen. Dadurch bekommt man einen größeren Hebel zu stande, riskiert aber eben auch, dass man schneller etwas verliert.

Während es zunächst recht gut aussah und der Kurs sich nach der ersten Panik legte, gab es dann am Freitag eine Hiobsbotschaft. Die Leerverkäufer traten auf die Bühne und wetten auf einen weiteren Kursverfall. Egal, ob berechtigt oder nicht, führt dies halt erst einmal zur Panik. Das Ergebnis fast -40% an einem Tag im Minus. Kein schlechtes Ergebnis oder? :) Wieso ich trotzdem gute Laune habe und froh bin über den Verlust? Ganz einfach!

Das Geld dafür kam aus einem Extra-Budget, dass ich als „Spielgeld“ deklariert habe. Jeden Monat geht ein extrem kleiner Teil in diesen Pott und wird auch einmal für waghalsigere Wetten wie diese genutzt. In diesem Jahr lief es bisher ganz gut, so dass der Pott recht voll war. Von daher musste es ja auch mal schief gehen.

Gerade als Buy & Hold-Anleger kann ein solches extra Budget extrem wichtig sein. In nahezu jedem Menschen steckt immer auch ein Zocker, der irgendwann das Verlangen bekommt ein wenig risikantere Spielchen mitzumachen. Nicht wenige hauen irgendwann ihr Langzeit-Portfolio auf den Kopf und gehen dann riskantere Wetten ein mit oft erheblichen Verlusten. Führt man statt dessen ein solches Schattenbudget, kann man mit sehr begrenzten Verlusten ein wenig spielen gehen und schauen wie es sich so entwickelt.

Was für Erkenntnisse habe ich gewonnen? Ich bin wesentlich erfolgreicher mit meinem Langzeitportfolio als mit diesen kurzfristigen Wetten, die nahezu immer auf Plus-Minus-Null hinaus laufen. Ich bin gut daran beraten dies nur als Spiel zu sehen und dafür langfristig orientiert zu sein. Ich habe also nichts verloren, sondern diese Erkenntnis (wieder einmal) mit einem sehr kleinen Budget machen können.

Egal wie sicher eine Wette am Markt manches Mal auch scheinen sollte und man sich selbst totsicher ist, dass sie aufgeht... der Markt tut am Ende eben doch was er will und ist gnadenlos. Gerade durch solche Niederlagen kann man sich ein wenig in Demut üben. Nicht wenige denken irgendwann sie seien die Allmeister an der Börse und nichts könne sie zu Fall bringen. Ein oft teurer Irrtum.

Auch habe ich wieder gesehen, wieso ich Zertifikate nicht mag. Große Verluste hinzunehmen damit komme ich sehr klar. Ich merke allerdings, dass ich wesentlich nervöser bin, wenn ich mit größeren Hebeln arbeite. Selbst wenn objektiv gar nicht mehr Geld verloren wird. Man schaut trotzdem wesentlich nervöser auf den Kurs, weil irgendwie mehr davon abhängt. Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis, die ich wieder daraus gewinnen konnte und wieso ein Buy & Hold-Ansatz für mich wesentlich entspannter ist.

Insbesondere eben auch, weil ich mich gerne in die Lage versetze Krisen auszusitzen. Bis eine Aktie wirklich auf 0 läuft oder sich ein Großunternehmen zur Seite zum sterben legt, fließt eine Menge Wasser den Bach herunter. Durch das verschieben der Barriere, wird ein Totalverlust wesentlich wahrscheinlicher und man ist schneller an der Grenze als es einem lieb ist. Aussitzen ist da üblicherweise keine Option und es kommt schneller der Strike als man zunächst vielleicht geahnt hat.

So manch einer würde sagen, dass ich leichtfertig ein paar hundert Euro verzockt habe. Doch ich sehe hier primär einen großen Erfahrungsgewinn, der mir insbesondere zeigt, dass ich mit meinem normalen Weg richtig gut fahre. Dazu gewinnt man eine gehörige Portition Demut, die man sonst gerade im Bereich der Finanzen eher selten erlernen kann und auch so mancher ihr einheim fällt.

Ein Spielgeldkonto ist nichts für einen Einsteiger. Diese sollte sich eher in eiserner Disziplie üben. Doch wächst das zur Verfügung stehende Geld und man weiß, dass in einem auch eine Zockerseele lebt, sollte man sich dringend so etwas zulegen, anstatt es einfach nur runterzuschlucken und warten, dass man irgendwann davon übermannt wird.

Ist nun aber schon alles für mich aus? Nicht wirklich. Ich bin immer noch ein gutes Stück vom Strikepreis entfernt. Nachbörslich wurde wieder ordentlich nachgekauft, so dass sich die Lage ein wenig stabilisiert hat. Dazu hat Wirecard noch angekündigt, dass man nun einen unabhängigen Sonderermittler beauftragen will, um mit dieser Art von Gerüchten ein für allemal abzuschließen. Da sich diese bisher nie als wahr herausstellten und man hier eine Sicherheit demonstriert, bin ich optimistisch, dass man es auch dieses Mal abgeschüttelt bekommt.

Und wer weiß. Vielleicht schaffe ich es ja (ausnahmsweise) einmal die Leerverkäufer zu schlagen und die Tränen sind am Ende auf ihrer Seite. Und wenn nicht... nun eine oft völlig unterschätzte Eigenschaft ist, dass man über sich selbst lachen kann. Ich kann dies durchaus, wenn diese Wette gegen die Wand fährt, weil ich mich so positioniert habe, dass ich gar nicht wirklich verlieren kann. Geld oder Erfahrung. Langfristig immer die besten Optionen ;)

Gehebelte Zertifikate sind keine Finanzinstrumente für Einsteiger und können leicht zu einem starken Verlust führen. Ich möchte ich keinster Weise dazu anstiften diese selbst zu nutzen, da es selbst im spekulativen Umfeld wesentlich besser Möglichkeiten gibt. Insgesamt bin ich der festen Überzeugung, dass langfristige und nachhaltige Investitionen wesentlich bessere Strategien darstellen

Sort:  

An Zertifikaten verdient in der Regel langfristig nur die ausgebende Bank.
Einen Hebel kann man auch mit Optionen kreieren, wobei ich nicht weiß ob es für diese Aktie überhaupt einen liquiden Optionsmarkt gibt.
Die richtige Strategie in dieser Situation wäre ein short put bzw. wenn das Geld für 100 Aktien nicht reicht ein short put spread gewesen. Oder wenn man etwas mehr Geld verdienen will, ein synthetic long (short put + long call) oder ein short put spread und mit den Einnahmen einen long call spread kaufen.
Natürlich hättest Du in dieser Situation damit auch Geld verloren, aber zumindest hättest Du die durch die in der Situation extrem hohen IV und einer Gewinnwahrscheinlichkeit von 65-70% strategisch alles richtig gemacht.

Du bist vielleicht ein geiler Vogel! "Statt an die Schläfe hättest Du die Knarre in die Mundhöhle stecken sollen. Du bist zwar in beiden Fällen tot, aber bei der zweiten Variante spritzt die Sauerei mit 65-70% Wahrscheinlichkeit wenigstens nach oben weg."

Niemand kann kontrollieren was an den Finanzmärkten passiert. Man kann aber in der entsprechenden Situation das richtige tun. Langfristig ist man damit erfolgreich, auch wenn man zwischendurch verliert.

Ach Gottchen, sieh das doch nicht so !BEER - ernst. Ist doch nur Geld ;-)



Hey @stehaller, here is a little bit of BEER for you. Enjoy it!

Geiler Vergleich 😂😂😂

"Schön sterben" - mein Motto fürs Leben ;-)

So geht's auch 😁

Finde ich gut, dass du auch mal deine schlechten Trades zeigst. Verlieren gehört dazu beim spielen, nur dadurch macht es für mich Spaß, gewinnen ist auch schön, aber man lernt nicht viel davon. Wünsche dir das du dein Spielgeldbörschen wieder mit plus 40% voll bekommst. :-) Wirecard....^^ Wurde mir zu oft gehyptet letztes Jahr, wenn ich Aktien traden würde... :-)
Salve und lieben Gruß
Alucian

Finde ich gut, dass du auch mal deine schlechten Trades zeigst. Verlieren gehört dazu beim spielen, nur dadurch macht es für mich Spaß, gewinnen ist auch schön, aber man lernt nicht viel davon.

Absolut. Es gibt nichts, was mich mehr aufregt als irgendwelche mit Goldketten besetzten Prolls, die im Lambo sitzen und sagen: "Kohle machen, ganz einfach! Muss nur XY machen!" Absolut jeder wird eben auch mal Scheitern und der richtige Umgang damit ist wesentlich wichtiger als die 30 fundamentale Kennzahl durchzuexorzieren.

Wünsche dir das du dein Spielgeldbörschen wieder mit plus 40% voll bekommst

Danke, die Wünsche haben etwas gebracht. Das die Geschäftsführung interveniert und bereit ist einen Sonderermitteler zu bestellen kam recht gut an. +35% heute, wenn da nicht gleich wieder etwas nach kommt, ist man bald wieder Plus-Minus-Null. Dann heißt es nur noch, sich auch an das Gelernte weiter zu erinnern. Fehlt am Ende der Schmerz, bleibt doch einiges nicht ganz so hängen :D

Wurde mir zu oft gehyptet letztes Jahr, wenn ich Aktien traden würde... :-)

Hat aber schon recht interessante Kennzahlen. Wie gesagt, eigentlich auch ein Titel den ich nicht mit der Kneifzang anfassen würde. Alleine schon wegen dieser verrückten Geschichten. Aber gerade die Hysterie am Markt macht die Wette ja gerade so interessant. Ich meine... die Analysten Meinungen reichen von 50-300€ ... alleine eine solche Spannweite muss man als Unternehmen erst einmal hinbekommen.

Am Ende muss man Dinge eben auch mit Humor nehmen können. Das ist in jeder Situation mehr Wert als jedes Geld der Welt...